Münchner Insel

Pfarrer: Wie Glaube gegen Angst hilft

Zur Münchner Insel kommen Menschen jeden Alters in Krisensituationen verschiedenster Art. Der evangelische Pfarrer Norbert Ellinger hört zu und begleitet die Menschen durch ihre Ängste.

Norbert Ellinger ist evangelischer Pfarrer und Leiter der Krisen- und Lebensberatungsstelle Münchner Insel. © SMB/Wastlhuber

Erst vor kurzem war eine ukrainische Frau in die Münchner Insel gekommen. Sie lebt und arbeitet schon lange in München. Der Krieg in ihrem Heimatland sorgt bei ihr für ein Gefühl der Hilflosigkeit, sie sorgt sich um ihre Angehörigen in der Ukraine. Norbert Ellinger hatte lange mit ihr geredet und ihr eine Idee mitgegeben: sie solle doch eine Ecke in der Wohnung nutzen, um dort Bilder ihrer Familie, eine Kerze und eine Ikone aufzustellen. „So hat sie einfach einen Ort, an dem sie ihre Angst abgeben kann. Die Kerze zu entzünden ist wie ein stilles Gebet oder ein stiller Hilferuf, an etwas Größeres, das einfach über uns steht“, sagt der Pfarrer.

Münchner Insel: Menschen und Krisen jeder Art

Ellinger ist evangelischer Leiter der Münchner Insel. Die Krisen- und Lebensberatungsstelle am Münchner Marienplatz ist ein ökumenisches Projekt und hat täglich geöffnet. Menschen in Krisensituationen können ohne Termin vorbeikommen und mit einem der Berater sprechen. „Wir haben jedes Alter, von Kindern bis zu Greisen“, beschreibt Ellinger, „und auch jede Art von Problem“. Gesundheit, Beziehung, Beruf. Natürlich tauchen auch aktuelle Themen auf: Corona, die Klimakrise und ganz aktuell der Krieg in der Ukraine. Hinter den meisten Problemen verbirgt sich irgendeine Angst, weiß Ellinger aus Erfahrung. Wichtig sei dann, zu reflektieren, ob die Angst nur im Kopf entstünde oder eine tatsächliche Bedrohung darstelle.

„Ängste sind auch nur Gedanken“

Vielen Menschen helfe deshalb auch schon die Beobachtung, „dass Ängste auch nur Gedanken sind, die in unserem Kopf ablaufen“. Denn dazu könne man sich verhalten und etwa versuchen, neben ängstliche Gedanken auch andere zu stellen. Ellinger sieht hier die Bibel mit ihren Texten und Bildern als „großen Schatz“: „Ein mächtiges Bild ist das vom Schutzengel, der einen begleitet.“ Auch Psalmen wie der des guten Hirten können helfen, Angst zu begegnen.

Denn: „Überspielen oder Leugnen hat keinen Sinn“, sagt der Pfarrer. Angst sei schließlich eine wichtige Reaktion, die vor Gefahren schütze. „Aber wenn sie sich verselbstständigt oder einen in Besitz nimmt, wird es schwierig.“ Die Bibel sei da ein „großes Anti-Angst-Buch. Und auch der Glaube an einen Gott, der uns zwar durchaus in die Angst führt, uns darin aber nicht alleine lässt.“ Ebenso helfen Rituale, findet Ellinger, wie die mit Bildern gestaltete Ecke der ukrainischen Frau.

Krisen nicht schutzlos ausgeliefert

Sein Glaube ist auch für den evangelischen Pfarrer ein „wichtiger Resilienzfaktor“. Sowohl in seiner täglichen Arbeit in der Münchner Insel als auch in persönlichen Krisen: „Ich habe selber erlebt, dass man durch Krisen, sogar Tod und Suizid, durchkommen kann. Sie begleiten einen zwar jahrelang, aber man ist ihnen nicht schutzlos ausgeliefert“, sagt Ellinger. Mit Ratschlägen, es ihm nachzutun, ist er seinen Gesprächspartner gegenüber aber vorsichtig. Der Pfarrer versucht stattdessen, Hoffnung und Zuversicht in seiner Haltung widerzuspiegeln. „Und vielleicht“, sagt er, „überträgt sich das auf mein Gegenüber, auch ohne Worte.“ (Hannah Wastlhuber, Volontärin beim Michaelsbund)