Wie Glaube gegen Angst hilft

Krankenhausseelsorgerin: "Viele Karfreitage in der Klinik"

Eine schwere Krankheit, eine risikoreiche Schwangerschaft - als Krankenhausseelsorgerin begleitet Claudia Zierer Menschen in schwierigen Situationen und sieht dabei, wie Glaube helfen kann.

Claudia Zierer ist Leiterin der katholischen Krankenhausseelsorge im Klinikum rechts der Isar in München. © Thomas Einberger

Claudia Zierer fragt ihre Gesprächspartner oft nach deren Liebesgeschichten. „Wie haben Sie sich denn kennengelernt?“, will die Krankenhausseelsorgerin dann wissen. Und ihr Gegenüber beginnt zu erzählen, von der ersten Begegnung, dem ersten Kuss, dem Verliebtsein. Zierer ist es wichtig, mit den Menschen nicht nur über Krisen zu sprechen, sondern auch über das Glück im Leben. „Ich frage nach Themen, bei denen ich vermute, dass etwas Stärkendes drinsteckt.“ Etwas gegen die Angst.

Angst durch Brustkrebs und Risikoschwangerschaft

Zierer leitet die katholische Krankenhausseelsorge im Klinikum rechts der Isar. Dort ist sie auch zuständig für die Seelsorge in der Frauenklinik und hat viel mit Brustkrebspatientinnen und risikoschwangeren Frauen zu tun. Sie begegnet Paaren, die sich auf ihr gemeinsames Kind freuen – und dann die Diagnose bekommen: Verkürzter Gebärmutterhals, es kann zu einer Frühgeburt kommen. Die Plazenta liegt falsch. Trisomie 18, das Kind wird vermutlich nur wenige Wochen überleben. Die werdenden Eltern stehen vor der Entscheidung, ob es noch im Mutterleib getötet werden soll oder ob sie ihr Kind nach der Geburt beim Sterben begleiten.

Zufluchtsort in der Fantasie

„Natürlich ist da Angst da“, sagt Zierer. Davor, das eigene Kind zu verlieren. Die falsche Entscheidung zu treffen. Oder es nicht ertragen zu können, das Kind sterben zu sehen. In solchen Momenten sieht Zierer ihre Aufgabe darin, Brücke zu sein und Paare wieder in Verbindung und ins Gespräch zu bringen. „Denn unausgesprochen Ängste sind oft viel bedrohlicher, als wenn man darüber redet, was kommen kann.“ Deshalb auch die Frage nach der Liebesgeschichte: Zierer überlegt gemeinsam mit den Patienten, wo sie in ihrer Fantasie Zuflucht finden, „wie ich mental an einen sicheren Ort gehen kann und wo der für mich ist.“  Die Angst wird auch nach dem Gespräch nicht weg sein, aber vielleicht weniger.

Glaube: „Das Leben endet nicht im Nichts“

Eine weitere Überzeugung hat die Pastoralreferentin: „Es hilft, zu glauben, dass das Leben nicht im Nichts endet. Sondern eine Antwort darauf zu haben, woher wir kommen und wohin wir gehen.“ Und sich vorzustellen, dass etwas von einem selbst bleibe. Auch bei Menschen, die sich nicht als religiös bezeichnen, erlebt Zierer eine solche Sinndeutung als hilfreich. Ihre persönliche Überzeugung drängt sie ihnen aber nicht auf. Vielmehr stellt sie Fragen, gibt Resonanz, sucht mit ihnen nach Lösungen oder spendet Segen.

Ihr Glaube hilft Zierer in diesem Berufsalltag – ebenso wird er auch auf die Probe gestellt. „Manchmal gehe ich nach einem harten Tag in die Kirche und frage ´Wo bist du?´“, erzählt sie. Sie kennt das Gefühl, von Gott verlassen zu sein. „Es ist nicht immer nur der liebe Gott, sondern auch der ferne. Wir erleben viele Karfreitage in der Klinik.“ Diese trotzdem auch auszuhalten, ist ihr wichtig. Schmerz und Ängste nicht schönzureden, sondern zu würdigen. Das ist schwierig, manchmal muss sie sich selbst trotzen dafür. Dennoch verliert sie nicht den Blick auf das Hoffnungsvolle. Denn die Seelsorgerin weiß: auf den Karfreitag folgt Ostern. (Hannah Wastlhuber, Volontärin beim Michaelsbund)