Appell des Papstes

Flüchtlinge in jede Pfarrei

Franziskus hat mit seiner Idee, bei der Aufnahme von Flüchtlingen auch die Pfarreien und Klöster mit in die Pflicht zu nehmen, wieder einmal überrascht. Ganz unterschiedlich fielen die Reaktionen auf den Papst-Aufruf aus.

Papst Franziskus richtete einen Appell an alle Pfarreien, Klöster und Gemeinschaften, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen. (Bild: imago) © imago

Vatikan - Während die EU-Staaten weiter um Länderquoten für Flüchtlinge streiten, hat Papst Franziskus einen eigenen Schlüssel für ihre Verteilung ins Spiel gebracht: "Jede Pfarrei, jede Gemeinschaft, jedes Kloster und jeder Wallfahrtsort möge eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen." Mit dieser Aufforderung nach dem Mittagsgebet auf dem Petersplatz sorgte er am Sonntag für Aufsehen. Denn: würden auch nur alle katholischen Gemeinden in Europa dem päpstlichen Aufruf Folge leisten, hätten bald 600.000 Flüchtlinge eine vorübergehende Bleibe. Diese Zahl ergibt sich jedenfalls dann, wenn man für jede der europaweit 142.600 Pfarreien und Seelsorgeeinheiten die Unterbringung einer mindestens vierköpfigen Familie annimmt.

Allein für Italien, wo mit Abstand die meisten Flüchtlinge ankommen, würde dies die Aufnahme von mehr als 100.000 Flüchtlingen in kirchlichen Einrichtungen bedeuten. Bislang ist man davon jedoch noch weit entfernt. Insgesamt haben zwischen Verona und Palermo derzeit 15.000 Flüchtlinge eine Bleibe in Pfarreien, Klöstern oder anderen kirchlichen Einrichtungen gefunden, wie Giancarlo Perego, der Leiter der Flüchtlingsstelle der Italienischen Bischofskonferenz, am Montag auf Anfrage mitteilte. Rund 8.000 davon seien in Pfarreien untergebracht. Der Geistliche hofft jedoch, dass die Aufforderung des Papstes dazu führt, dass sich diese Zahl bald erhöht.

Der römische Caritasverband reagierte jedenfalls unmittelbar auf den Appell des Papstes. Am Montag trafen sich Caritasvertreter mit Verantwortlichen der staatlicherseits zuständigen Präfektur von Rom zu einem ersten Planungsgespräch. Man habe versucht zu klären, wie die hohe Zahl von Flüchtlingen untergebracht werden könne, sagte der Sprecher des Verbandes, Alberto Colaiacomo, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Details sollen am Mittwoch feststehen. Offenbar wurden die Akteure vom Aufruf des Papstes überrascht. Immerhin meldeten sich laut Colaiacomo bis zum frühen Montagnachmittag drei römische Pfarreien für die Aufnahme einer Flüchtlingsfamilie. Zudem boten zwei Familien jeweils eine Wohnung an.

Die Reaktion des Vorsitzenden der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco, fiel indessen verhalten aus. In der Tageszeitung "La Repubblica" verwies er darauf, dass die kirchliche Armenküchen jährlich sechs Millionen Essen an Bedürftige ausgäben. Wie die Kirche näherhin auf den Papst-Appell reagieren will, blieb vorerst offen.

Auch der Frage nach Widerständen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen unter Katholiken antwortete Bagnasco: "Widerstände - wenn es sie gibt - sind im Inneren jeder Person." Dass es sie auch unter italienischen Katholiken gibt, zeigen schlaglichthaft Nachrichten der vergangenen Wochen: Da gab es den Pfarrer, der an die Kirchentür ein Schild hängte, das Rassisten den Zutritt zum Gotteshaus verbot, aber auch die Eltern eines katholischen Kindergartens, die sich gegen eine Flüchtlingsunterkunft in der Nachbarschaft wehrten. Für den kirchlichen Migrations-Experten Perego sind das "Einzelfälle". Größere Widerstände unter Katholiken sieht er nicht. Oft seien Leute, die eine Aufnahme von Flüchtlingen ablehnten, "Opfer einer mangelnden Information". Die Kirche müsse daher nicht nur für eine Aufnahme werben, sondern auch über das Thema aufklären, sagt der Geistliche.

Bei der Aufnahme von Flüchtlingen will der Vatikan mit gutem Beispiel vorangehen. Franziskus kündigte an, die beiden Pfarreien seines Kleinstaats, Sankt Peter und Sankt Anna, würden jeweils eine Familie aufnehmen. Sie sollen nun in vatikaneigenen Wohnungen in der Nachbarschaft unterkommen. Ein Dutzend Flüchtlinge weniger, die sich um einen Platz sorgen müssen - und ein Argument weniger für die "Lega Nord": Die norditalienischen Rechtspopulisten hatten Franziskus vorgeworfen, zwar Italien zur Aufnahme von mehr Flüchtlingen aufzurufen, aber den Vatikan fein herauszuhalten. (kna/taw)