Bischof stellt sich Fragen von Jugendlichen

Das Thema Queerness polarisiert auf dem Weltjugendtag

Im deutschen Pilgerzentrum wurde über queere Menschen in der katholischen Kirche gesprochen. Laut der Initiative „Offen.Katholisch“ die einzige Möglichkeit das Thema am Weltjugendtag zu platzieren.

Bischof Gerber (links) stellt sich den Fragen der Jugendlichen. © SMB/Mink

Queere Menschen berichteten bei der Veranstaltung „Open Desk with Bishop“ von Stinkefingern, einer gebrochenen Fahnenstange und ein „Du bist falsch hier“ am Weltjugendtag. Die bunten Fahnen der Community würden auf den Straßen oder in Kirchen auch schon mal Streitgespräche auslösen. Es scheint an Akzeptanz für andere Standpunkte zu fehlen. Elena (24) solidarisiert sich mit der queeren Gemeinschaft und berichtet gegenüber mk online von Diskriminierung. Sie trägt eine Regenbogenfahne um ihre Schultern: „Ich war auf dem Feld unterwegs und im Nachhinein sagte man mir, hinter mir habe jemand einen Stinkefinger auf meine Flagge gerichtet, ein Foto gemacht und das Foto gepostet.“ In einer anderen Situation seien Männer auf sie zukommen und wollten sie davon überzeugen, dass Homosexualität Sünde sei.

Dass das Thema besonders für die Zielgruppe des WJTs Relevanz hat, zeigte der Ansturm. Rund 200 Besucher sind zu der Veranstaltung gekommen. Die Kapazität des Auditoriums im Goethe-Institut im deutschen Pilgerzentrum war voll ausgeschöpft, im Publikum hauptsächlich junge Menschen – aber auch Geistliche hatten sich daruntergemischt. Bischof Michael Gerber aus Fulda und zwei Vertreter der Initiative „Offen.Katholisch“ stellten sich den Fragen der rund 200 Zuschauer über Queerness in der katholischen Kirche.

Bischof: Jeder ist von Gott gewollt

Besonders der Bischof wurde vom Publikum, das sich mehrheitlich mit queeren Menschen solidarisierte oder identifizierte, um Stellungnahmen gebeten. Wichtig war Gerber, dass alle Positionen, also auch die konservativen Stimmen, ihre Daseinsberechtigung haben. Er betonte jedoch die Notwendigkeit, sich in andere Menschen und Situationen hineinzuversetzen, um sie zu verstehen und bezog eine klare Stellung gegenüber den queeren Menschen: „Wir glauben, dass jeder Mensch von Gott gewollt ist – auch unabhängig von der sexuellen Orientierung. Und das ist Grund genug, dass auch Menschen queerer Orientierung zur katholischen Kirche dazu gehören.“

Er selbst habe, nicht zuletzt durch seine Mitarbeit beim Synodalen Weg, seine Sichtweise weiterentwickelt und manche Standpunkte geändert. Generell findet Gerber, nehme die Bereitschaft, sich in andere hineinzuversetzen, jedoch ab.

Keine Kirchenkritik in Lissabon

Die Vertreter der Initiative „Offen.Katholisch“ sind froh über die Veranstaltung im deutschen Pilgerzentrum: „Denn an allen anderen Stellen darf es diese Diskussion auf dem Weltjugendtag nicht geben. Wir dürfen keinen Stand machen zu diesem Thema, es dürfen keine Demonstration organisiert werden. Es wird nicht thematisiert. Das hier ist ein Tropfen auf dem heißen Stein – aber ein wichtiger Tropfen.“, so Clemens Kannegießer, Teil der Initiative und Sprecher der Bistumsjugendhelferkreis Dresden-Meißen.  Die Initiative hat die Erfahrung gemacht, dass andere Veranstaltungsideen zu kirchenkritischen Themen am Weltjugendtag abgelehnt wurden. So zum Beispiel beim Jugendfestival bei dem Pilger für andere Mit-Pilger etwas organisieren hätten können.

Bischof Gerber erreicht junge Menschen

Statt der geplanten Stunde diskutierten die jungen Christen und der Bischof doppelt so lang; immer respektvoll und meistens sachlich. Auch konträre Meinungen trugen einen wichtigen Teil zu der Debatte teil, etwa, inwiefern sämtliche sexuelle Orientierungen ausgelebt werden sollten.

Bischof Gerber schien einen guten Draht zu den jungen Menschen zu haben, bekam häufig zustimmenden Applaus und erklärt theologische Zusammenhänge verständlich. Die theologische Auslegung sei auch subjektiv geprägt, erklärte er. Er habe zum Beispiel im Klerus Menschen kennengelernt, die ihre Sexualität zu verdrängen versuchten und darüber krank wurden.

Die Bibel, erklärte Gerber, spreche häufig von Polaritäten: hell – dunkel, gut – böse, Meer und Land. „Aber es gibt ja auch das Wattenmeer“, sagt der Fuldaer Bischof und erntete Lacher.

Solidarität auf dem Weltjugendtag

Trotz der negativen Erlebnisse und der kontroversen Debatte über die Probleme queerer Menschen in der Kirche und auf dem Weltjugendtag: Elena erlebt auch positive Reaktionen: „Deswegen laufe ich immer noch mit der Regenbogenflagge rum: Viele Menschen sind auch auf mich zugekommen und haben gesagt, dass es wichtig ist, dass ich damit unterwegs bin – weil es ihnen Hoffnung gibt.“ Sie sammelt die Unterschriften dieser Menschen auf ihrer Flagge. „Es gibt nicht nur die Menschen, die diskriminieren, sondern auch viele, die was verändern wollen.

Dass jeder in der katholischen Kirche willkommen sei, betonte auch Papst Franziskus in seiner Ansprache bei der Willkommenszeremonie an die Massen. Wörtlich sagte er: "Die Kirche ist eine Kirche für alle".

Volontärin
Michelle Mink
Münchner Kirchenzeitung
m.mink@michaelsbund.de