Bedeutung von Wasser

Von ritueller Waschung bis zur Ganzkörpertaufe

Eine Gemeinsamkeit der großen Weltreligionen ist, dass Wasser eine zentrale Rolle spielt. Für Gläubige auf der ganzen Welt ist es mehr als nur ein Getränk.

Das Element Wasser spielt in den großen Weltreligionen eine zentrale Rolle. © Lemonsoup14 - Stock.Adobe.com

Christentum: Durch Weihwasser zum Christen

Wer eine katholische Kirche betritt, findet am Eingang meist ein Weihwasserbecken. „Als eine Art von persönlichem Taufgedächtnis bekreuzigen sich die Gläubigen mit dem Weihwasser“, erklärt Jürgen Bärsch, Professor für Liturgiewissenschaft an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Weihwasser ist zentraler Bestandteil beim Sakrament der Taufe. Dabei werden Menschen durch das Untertauchen oder Übergießen von Wasser zu Christen und Christinnen. „Die Ursprünge des Sakraments gehen auf die Johannestaufe zurück. Jesus selbst stand im Jordan und wurde von Johannes mit dem Wasser übergossen. Dieses Übergießen steht sinnbildlich dafür, dass der Getaufte auch vom Geist Gottes umschlossen wird und damit Teil der christlichen Gemeinschaft“, ergänzt Bärsch.  

Das Buch zur Feier der Kindertaufe und Eingliederung von Erwachsenen sehe daher auch vor, möglichst durch Untertauchen zu taufen. Diese sogenannte Ganzkörpertaufe wird in München beispielsweise in der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde (Baptisten) praktiziert. Im Vergleich zu anderen Religionen, in denen tägliche Waschungen üblich sind, unterscheidet sich laut Bärsch die Taufe im Christentum durch seine einmalige Spende.

Dafür ist in der katholischen Kirche zum Beispiel das Händewaschen des Priesters vor der Gabenbereitung in Messe ein wiederholender Ritus. „Dieser Schritt ist wichtig. Die Ministranten waschen dem Geistlichen die Hände, damit er mit reinen Herzen in das Innere der Eucharistiefeier eintritt“, sagt Bärsch. Es gehe nicht primär um eine äußere, sondern vielmehr eine innere Waschung, die die Bereitschaft zur Gabenbereitung verdeutlichen soll.

Judentum: Reinigung vor der Eheschließung

„Wasser ist Leben, das Leben besteht aus Wasser“, so beschreibt Terry Swartzberg als gläubiger Jude den hohen Stellenwert von Wasser im Judentum. Er ist Vereinsvorsitzender der Stolpersteine für München. „Wasser ist für unseren Glauben zentral.“ Zum Beispiel waschen sich Juden und Jüdinnen waschen nach dem Aufstehen und vor dem Essen eines Brotes rituell die Hände. Über dem heiligen Brot sprechen sie ein passendes Gebet und einen Segen. Eine zentrale Rolle spielt auch das Ritualbad „Mikwa“. Nach der Monatsblutung, an Feiertagen und vor einer Hochzeit nehmen viele Jüdinnen dieses Tauchbad. „Bräute waschen sich am Vorabend der Hochzeit das erste Mal offiziell rein und werden dadurch auf die Ehe und damit verbunden Verpflichtungen vorbereitet“, sagt Swartzberg. Auch Männer würden sich darin reinigen, beispielsweise nach jedem Geschlechtsverkehr oder Samenerguss, aber auch vor dem Ruhetag Schabbat. Das jüdische Ritualbad ist etwa seit dem ersten Jahrhundert Bestandteil jüdischen Lebens auf der ganzen Welt.

Islam: Rituelle Waschungen vor dem Gebet

Im Islam hat Wasser vor dem alltäglichen Gebet einen hohen Stellenwert. Koran Sure 5 Vers 6 besagt: „Gott sagt, wenn ihr euch zum Gebet aufstellt, dann wascht euch das Gesicht und die Hände zu den Ellbogen, streicht euch über den Kopf und wascht euch die Füße bis zu den Knöcheln.“ Jedes Gebet soll bewusst und mit Achtsamkeit gesprochen werden. Die Waschungen vorab räumen den Gläubigen Zeit ein, um sich vorzubereiten, erklärt Imam Belmin Mehic vom Verein Münchner Forum für Islam. Zum Beispiel bei wütender Verstimmung könne das sorgsame Waschen zum Abreagieren beitragen. Doch die Waschungen nicht nur ein beruhigendes Ritual, sondern sie sollen die Gläubigen auch körperlich vor Bakterien und geistig von Missetaten reinigen. Symbolisch werden schlechte Gedanken und Worte abgewaschen. Laut Propheten werden mit jedem kleinen Tropfen des Wassers auch kleine, teils unbewusste Sünden abgewaschen. Um dem Schöpfer im Gebet zu begegnen, verbietet der Koran auch explizit Unreinheit: „Wenn ihr im Zustand der Unreinheit seid, dann reinigt euch“, sagt Imam Mehic. Unrein ist laut Koran jeder nach zum Beispiel einem Samenerguss oder einer weiblichen Ejakulation unrein. Doch neben diesen rituellen Waschungen vor dem Gebet findet Wasser auch am Ende des Lebens einen zentralen Platz im Islam. Damit werden die Toten gesäubert, um dem Schöpfer rein zu begegnet. Imam Mehic betont, der Koran definiere Wasser als Symbol für den Beginn der Welt und Ursprung sowie Substanz allen Lebens. Daher wird Pilgern auch das Trinken aus einer Quelle in der Nähe von Mekka empfohlen.

Buddhismus: Wasser als Zeichen der Verehrung und Reinigung  

Wasser hat im Buddhismus vor allem eine rituelle-symbolische Bedeutung. Außerdem steht Wasser für das fließende Leben, das als Prozess ein zentraler Aspekt der Buddhistischen Lehre darstellt. Das sogenannte „Vesakh“- Fest ist die höchste Feier im Buddhismus und Hinduismus. An diesem Tag feiern Gläubige in vielen Teilen der Welt und vor allem in Asien den Geburtstag von Buddha. Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten steht das Leben Buddhas, seine Lehren und die wichtigsten Stationen. Buddhisten waschen an diesem Tag Buddha-Stationen mit Wasser. Dieses Ritual ist auf den Theravada-Buddhismus zurückzuführen, erklärt Martin Rötting, der mehrere Jahre in einem buddhistischen Kloster in Südkorea gelebt hat. Rötting ist Teil des Vorstands vom Haus der Religion und Kulturen in München und Professor für Religious Studies an der Paris Lodron Universität in Salzburg. Das Waschen des Buddhas könne man als Ehrerbietung verstehen, sagt der Religionswissenschaftler. „Gleichzeitig hat dieses Ritual im Mahayana-Buddhismus die Bedeutung, dass der innere Buddha zum Vorschein kommen kann.“ Durch das Waschen werde er Buddha von den Begierden und Leidenschaften des Lebens, die einen am Erleuchten hindern, im übertragenen Sinn gereinigt.

Hinduismus: Freiwaschen von Sünden

In der Hinduistischen Lehre soll ein kurzes Bad im Ganges in Indien Gläubige von ihren Sünden reinwaschen. Ganga ist nicht nur der indische Name für den Fluss Ganges, sondern auch für eine Muttergöttin des Hinduismus. Im Glauben der Hindus verspricht das Bad Absolution, sodass sich jährlich Millionen Hindus von ihren Fehltaten freiwaschen wollen. (Anna Parschan, Radioredakteurin beim Sankt Michaelsbund)