200 Jahre Kneipp

Heilendes Wasser

Der weltberühmte „Wasserdoktor“ Sebastian Kneipp hat dieses Jahr 200. Geburtstag. Sein Vermächtnis besteht nicht nur aus Tretbecken.

Sebastian Kneipp erblickte am 17. Mai 1821 im schwäbischen Stephansried das Licht der Welt. © SMB/kob

Schritt für Schritt steigt Reinmund Hobmaier durch das Wasser. „Im Storchengang soll man das machen“, erklärt der 59-Jährige, während er durch das etwa knietiefe Becken stakst. Die rund 15 Meter lange s-förmig geschwungene Kneipp-Anlage bildet das Herzstück des Priener Kurparks. Hier am westlichen Chiemsee-Ufer ist man stolz darauf, Oberbayerns einziger offizieller Kneipp-Kurort zu sein. Drei Kneippanlagen gibt es allein hier, zwei weitere noch in Nachbarorten. Zu allen fünf bietet Hobmaier für die Gemeinde Führungen an.

Kuren im Verborgenen

Nach jedem Schritt zieht er das Bein wieder komplett aus dem etwa knietiefen Wasser. Erst wenn der Fuß einen Augenblick an der frischen Luft war, taucht er ihn wieder mit den Zehenspitzen beginnend in das Becken – so wie der „Wasserdoktor“ Sebastian Kneipp es lehrt. Der Katholische Pfarrer gilt als Urvater der Hydrotherapie – der Wasser-Heilkunde. Während seines Theologiestudiums in Dillingen erkrankte Kneipp schwer an Tuberkulose. Heilung brachten ihm Bäder in der in der eiskalten Donau. Aus diesen Erfahrungen entwickelte er in den Folgejahren seine Therapien. Als er sein Studium in München fortsetzte, fing Kneipp an auch Kommilitonen mit seinen Wasseranwendungen zu behandeln, tat das aber im Geheimen, da alles, was nicht der Schulmedizin entsprach, von Ärzten und Apothekern damals schnell als Scharlatanerie gebrandmarkt wurde.

Inzwischen gilt der therapeutische Effekt der Kneipp-Anwendungen als nachgewiesen. Die Wirkung von kaltem Wasser ist vergleichbar mit der von Akupunktur, nur, dass anstelle von Nadeln Wasser verwendet wird, erklärt Christiane Möhner. Die 62-Jährige ist Geschäftsführerin beim 1954 gegründeten Kneipp-Verein Prien. „Der Kältereiz sorgt dafür, dass sich die Zellen zusammenzieht“, erklärt sie. Wirklich aktiv wird die Zelle aber erst, wenn sie wieder aus dem Wasser rauskommt und sich ausdehnt. „Dieser Wechsel sorgt für mehr Durchblutung und somit auch für mehr Sauerstoff im Blut.“

Aus dem 19. Jahrhundert und trotzdem aktuell

Neben den Tretbecken entwickelte Kneipp solche Güsse auch für die Arme und den restlichen Körper. Wasser ist aber nur eine der fünf Säulen von Kneipp, erklärt Möhner. Zusätzlich erkannte er den Zusammenhang zwischen einer gesunden Ernährung, ausreichend Bewegung, der Wirkung von Heilkräutern und seelischer Ausgeglichenheit. „Er ist halt auch Pfarrer und Seelsorger gewesen“, erklärt Möhner den ganzheitlichen Ansatz.

Der Erfolg gab dem Pfarrer recht. Von den anfänglichen Kurpfuschervorwürfen entwickelte er sich zu einem international anerkannten Experten für Naturheilkunde. Schon zu Lebzeiten gründeten seine Anhänger den Kneipp-Bund. Heute hat er deutschlandweit mehr als 160.000 Mitgliedern. In fast jedem Wellness-Bereich gibt es Kneippanlagen. Sogar gegen Long-Covid sollen die Wassergüsse nach Rezept des Pfarrers laut dem bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek wirken. Damit ein Ausflug in die kühlen Becken aber den gewünschten Effekt hat und nicht einer Erkältung endet, rät Reinmund Hobmaier zu warmen Socken und empfiehlt: „Entweder Arme oder Beine, aber nicht beides.“ Weniger ist halt manchmal mehr.