Klimawandel und Nachhaltigkeit

Vom Baum-Boom zum Baum-Scham?

Sind Weihnachtsbäume heutzutage noch ökologisch vertretbar? Um die deutschen Wälder steht es schlecht: Laut Bundeslandwirtschaftsministerium sind hierzulande vier von fünf Bäumen als Folge des Klimawandels erkrankt. Doch es gibt auch erste nachhaltige Konzepte rund um den geliebten Baum.

85% der knapp 30 Millionen in Deutschland verkauften Christbäume pro Jahr stammen aus aus Plantagen © IMAGO/BildFunkMV

Die Deutschen lieben ihre Weihnachtsbäume. Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes werden hierzulande jährlich knapp 30 Millionen Weihnachtsbäume für das frohe Fest verkauft, ungeachtet der Säkularisierung der Gesellschaft. „Sharing is caring“ gilt in Bezug auf den Christbaum nicht, hier will immer noch jeder seinen eigenen haben. Für die Umwelt ist das jedoch gleich aus mehreren Gründen problematisch, weswegen längst eine Debatte über die ökologische Vertretbarkeit von Christbäumen und etwaige nachhaltige Alternativen in Gang gekommen ist. 

Nachdem auf dem Dresdner Weihnachtsmarkt im letzten Jahr eine äußert lichte Fichte stand, wurde diese von manchen als „Schandfichte“ verspottet, während andere in ihr eine Spiegelung des Klimawandels und des Zustands deutscher Wälder entdeckten. Zeit Online stellte ihren Lesern sogar bereits die Gewissensfrage: „Schämen Sie sich für Ihren Weihnachtsbaum?“ Die Wahl des Christbaums wurde hier zu einem „politischen Statement“ erklärt. 

Ein emotional wichtiges Symbol

Markus Vogt, Professor für Christliche Sozialethik am Department für katholische Theologie der LMU und Experte für Umweltethik, argumentiert: „Ich vertrete eine Ethik des Kompromisses. Der Weihnachtsbaum ist schon emotional so ein wichtiges Symbol in Deutschland, dass es da auch wichtig ist, mit Augenmaß einen Mittelweg zu finden.“ Kritiker des Baum-Booms führen jedoch den Zustand der deutschen Wälder an, der daran zweifeln lässt, ob man es sich überhaupt noch erlauben kann, jährlich so viele gesunde Bäume zu fällen. Etwa ein Drittel der Landfläche hierzulande besteht aus Wald. Jüngst zeigte eine Langzeitstudie der Universität Freiburg, dass der menschengemachte Klimawandel für das massive Baumsterben in Deutschland verantwortlich ist. Die Studie verdeutlichte die Dringlichkeit der Debatte über die Vitalität der Wälder und ihre Anfälligkeit für klimatische Veränderungen.  

Die Debatte wird unter anderem durch die hohe gesellschaftliche Bedeutung gesunder Wälder und deren aktuelle Gefährdung motiviert. Ein fitter Wald erbringt verschiedene wichtige Ökosystemdienstleistungen, nicht nur als Naherholungsgebiet, sondern auch für die Sauerstoffproduktion, Wasserreinigung und -speicherung sowie Rohstofflieferung und dient als Biodiversitäts-Hotspot und Kohlenstoffsenke. Angesichts der erdumfassenden Herausforderungen von Artensterben und Klimawandel gewinnen diese Punkte an Bedeutung.

Jeder vierte Baum hierzulande ist erkrankt

Aber nur jeder fünfte Baum in Deutschland gilt als gesund. Laut der aktuellen Waldzustandserhebung des Bundeslandwirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2022 weisen vier von fünf Bäumen eine Kronenverlichtung auf, also einen erheblichen Nadel- oder Blattverlust der Baumkrone. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat sogar einen Baumverlust von 501.000 Hektar zwischen 2018 und 2021 ermittelt – fast fünf Prozent der gesamten Waldfläche in Deutschland. Es wird erwartet, dass der Baumverlust in den kommenden Jahren aufgrund der durch den Klimawandel verursachten wärmeren Bedingungen weiter zunehmen wird, insbesondere bei der kaum trockenresistenten Fichte, die den höchsten Baumanteil in Deutschland ausmacht.

Problematisch ist für die Umwelt jedoch nicht nur, dass für das frohe Fest jährlich massenhaft Bäume gefällt werden, sondern auch, dass jedes Jahr neue angebaut werden. Schließlich kommen die beliebtesten Weihnachtsbaum-Arten hierzulande in der Natur nicht mal vor. Schätzungen des Bundesumweltamts zufolge stammen 85% der knapp 30 Millionen in Deutschland verkauften Christbäume stattdessen aus Plantagen, die laut dem deutschen Naturschutzbund NABU gedüngt und mit Pestiziden gespritzt werden. Eine enorme Belastung für Böden, Gewässer und Tiere. Und wenn das frohe Fest vorbei ist, sind die einst prachtvollen Bäume ein Fall für die Müllabfuhr. 

Ökologisch zertifizierte Bäume ohne Pestizide

Umweltbundesamt und Naturschutzbund empfehlen Verbrauchern deshalb, beim Kauf eines Weihnachtsbaums ökologisch zertifizierte Bäume zu bevorzugen, weil diese ohne synthetische ⁠ Pestizide⁠ und Mineraldünger⁠ angebaut werden. Im ökologischen Anbau von Weihnachtsbäumen werden die Flächen, die für die Neupflanzung reserviert sind, nicht mit Pestiziden kahlgespritzt, sondern mechanisch vom Aufwuchs befreit. Als Käufer erkennt man diese Öko-Bäume an ihrem FSC-, Naturland- oder Bioland-Siegel. Die Umwelt- und Naturschutzorganisation „Robin Wood“ hat eine bundesweite Liste mit Verkaufsstellen veröffentlicht, die Weihnachtsbäume aus anerkannt ökologischer Land- oder Waldwirtschaft verkaufen. Auch Experte Vogt sagt: „Wir brauchen nicht unbedingt den perfekten, makellosen Weihnachtsbaum, der mit Pestiziden vor jeder Beeinträchtigung geschützt ist. Es können auch kleinere Weihnachtsbäume sein.“ 

Wichtig ist, den Baum nicht zu weit weg von zuhause zu kaufen, wenn man ihn mit dem Auto transportieren muss, um nicht zu viel CO₂ auszustoßen. „Ich denke, eine nachhaltige Forstwirtschaft, die mit weniger Pestiziden versucht, an geeigneten Standorten Weihnachtsbäume zu züchten, ist durchaus sinnvoll. Das ist eine Belastung, aber auch eine Wohlstandsfunktion des Waldes, dadurch können die Förster wichtige Gewinne machen“, sagt Vogt.  

Alternativen zum Baumkauf vorhanden

Da für viele Weihnachten ohne Baum kein richtiges Weihnachten ist, stellt sich auch die Frage nach nachhaltigen Alternativen zum Baumkauf. In den letzten Jahren war ein vorsichtiger Trend in Richtung Leihbaum zu beobachten. Das Konzept ist einfach: Der Leihbaum wird nicht gefällt, sondern ausgegraben, im Topf verliehen und nach dem Fest wieder eingepflanzt. Auch in München gibt es mit dem Weihnachtsbaumverlei Thalkirchen einen solchen Anbieter. Der Nachteil liegt hier im größeren Aufwand und höherem Preis. Andere wiederum setzen darauf, ihren Weihnachtsbaum mit Ästen und Zweigen selbst zu basteln. Möglich sind auch Weihnachtsbäume aus Plastik, die überraschenderweise laut Umweltbundesamt unter Umweltgesichtspunkten nicht zwangsläufig schlechter sind als natürliche Weihnachtsbäume, weil man sie über Jahre hinweg verwenden kann. 

Es gibt also genügend nachhaltige Alternativen, bei denen sich niemand für seinen Baum schämen muss. Für den katholischen Theologen Vogt ist das Festhalten an der Tradition des Christbaums nicht unbedeutend: „Wir erleben im Augenblick einen Abbruch christlicher Tradition. Da sind solche Symbole, die auch emotional verankert sind, durchaus wichtig. Aber der Weihnachtsbaum macht nur dann Sinn, wenn die christliche Tradition dahintersteht, und er nicht eine Attrappe ist, für etwas, das eigentlich keine Bedeutung mehr hat.“ 

Der Autor
Wanja Ebelsheiser
Volontär beim Sankt Michaelsbund
w.ebelsheiser@michaelsbund.de