Nachhaltiger Christbaumverkauf

Der Leihbaum als umweltfreundliche Alternative

Besitzer Werner Wesslau bietet im Münchener Glockenbachviertel statt gefällter Tannen und Fichten auch Weihnachtsbäume zum Ausleihen an, die nach dem Fest wieder eingepflanzt werden. Doch wie funktioniert das Leihbaum-Konzept?

Christbaumverkäufer Werner Wesslau an seinem Verkaufsstand im Glockenbachviertel © SMB/Ebelsheiser

Im Münchener Glockenbachviertel gibt auch in diesem Jahr wieder einen Christbaumverkauf der besonderen Art: Christbaumverkäufer Werner Wesslau verkauft nicht nur Bäume, sondern verleiht sie auch. Das Konzept ist auf den ersten Blick einfach: Der Leihbaum wird nicht gefällt, sondern mitsamt Wurzelwerk ausgegraben, im Topf verliehen und nach dem Fest wieder eingepflanzt. Mit Begeisterung führt Werner Wesslau durch den idyllischen grünen Nadelbaumwald im Glockenbachviertel. Wo sich im Sommer ein Biergarten befindet, werden im nun im Dezember Christbäume zum Kauf und zur Leihe angeboten. Besonders mit dem Leihbaumkonzept hebt sich Wesslau von der Konkurrenz ab.

Seit etwa einem Jahrzehnt verleiht Wesslau Weihnachtsbäume, und er berichtet von einer stetig wachsenden Nachfrage, wenn auch auf bescheidenem Niveau. Etwa 10% seiner Kunden leihen einen Baum, anstatt ihn zu kaufen. Damit der Leihbaum eine gute Überlebenschance hat, muss er vom Kunden entsprechend gepflegt werden. Nachdem der Leihbaum nach Hause gebracht wurden, empfiehlt Wesslau eine ein- bis zweitägige Akklimatisierung an die neue Umgebung, beispielsweise im Treppenhaus oder einem ungeheizten Garagenraum. Der Übergang vom winterlichen Frost ins wohlgewärmte Wohnzimmer kann für die Bäume anfangs schockierend sein. Danach finden sie ihren Platz in einem geräumigen Topf und benötigen regelmäßig Wasser. Vor dem Rücktransport müssen die Bäume dann erneut in kälterer Umgebung akklimatisiert werden. Nach den festlichen Feiertagen können sie im Januar wieder zurückgebracht werden.

Überlebensrate der Leihbäume ist hoch

Diese zurückgegebenen Bäume werden von Wesslau zu einem Freund mit Bauernhof gebracht, wo sie wieder eingepflanzt werden und übersommern. Nach Wesslaus Erfahrungen ist die Erfolgsrate dieses Prozesses hoch: „Ungefähr 5% der wiedergebrachten Bäume muss ich leider wegschmeißen, weil sie ausgetrocknet sind. Von denen, die nicht ausgetrocknet sind, überleben 90%.“ Die Erfolgsquote ist so stabil, weil die Leihbäume bereits in der Baumschule auf ihr Dasein als Leihbaum vorbereitet werden, indem sie mehrfach ein- und ausgepflanzt werden, sodass sich ein robuster Wurzelballen bildet. Die Leihbäume sind zwar etwas kleiner, wiegen aber aufgrund des massiven Wurzelballens dennoch nicht wenig. Für den Transport nach Hause stellt Wesslau eine Sackkarre zur Verfügung.

Streng genommen handelt es sich bei den Leihbäumen um eine lebenslange Leihgabe. Die Kunden dürfen den Baum zurückbringen, aber können ihn auch behalten. Nur die Hälfte der Leihbäume finden ihren Weg zurück zu Werner Wesslau, manche Kunden pflanzen ihn stattdessen in den eigenen Garten ein und nutzen ihn für kommende Weihnachtsfeste. Bei guter Pflege kann dies über viele Jahre hinweg geschehen, auch wenn die Wohnzimmerdecke irgendwann eine natürliche Grenze setzt, da der Baum stetig weiterwächst. Wer den Baum über mehrere Jahre behält und für jedes Weihnachtsfest wiederverwendet, handelt nicht nur nachhaltig, sondern spart auch viel Geld.

Leihbäume als nachhaltige Alternative

Warum Nachhaltigkeit im Kontext des Christbaumverkaufs wichtig ist, liegt auf der Hand. Jährlich werden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hierzulande knapp 30 Millionen Weihnachtsbäume für das frohe Fest verkauft. Für die Umwelt ist das jedoch gleich aus mehreren Gründen problematisch, weswegen längst eine Debatte über die ökologische Vertretbarkeit von Christbäumen und etwaige nachhaltige Alternativen in Gang gekommen ist. Problematisch ist dies aufgrund des Zustands deutscher Wälder, der sich in den nächsten Jahren aufgrund des Klimawandels weiter verschlechtern wird. Ein weiteres Umweltproblem ergibt sich aus der Massenfällung und dem Anbau von Weihnachtsbäumen, von denen 85% aus gedüngten und mit Pestiziden behandelten Plantagen stammen, wodurch Böden, Gewässer und Tiere erheblich belastet werden.

Leihbäume bieten dagegen eine nachhaltige Alternative. Alle Leihbäume von Werner Wesslau stammen aus biologischem Anbau, der ohne Pestizide auskommt. Dazu stammen bei Wesslau die Tannen und Fichten alle aus der Region, von einer Baumschule bei Rosenheim. Die Nachteile des guten Gewissens fasst Wesslau prägnant zusammen: „Der Leihbaum ist schwer, teuer, macht Arbeit und Dreck. Einfacher ist es, einen normalen, abgeschnittenen Weihnachtsbaum zu kaufen.“ So kostet ein Leihbaum im Topf bis zu dem Dreifachen eines konventionellen Christbaums. Der Preis orientiert sich am Zustand des Baumes, der Größe und der Baumart. Auch für Wesslau und sein Team bedeutet dieses Konzept einen höheren Arbeitsaufwand – vom Ausbuddeln des Wurzelwerks, das naturgemäß länger dauert als das einfache Absägen, bis hin zum artgerechten Einpflanzen.

Vermietung von Weihnachtsbäumen wird wohl Nische bleiben

Es liegt an Preis und Aufwand, dass nicht bereits mehr Kunden dem Leihbaum-Trend folgen. Wesslau hätte nichts dagegen, wenn der Leihbaum zukünftig kein Nischen-Produkt mehr darstellt. Bloß daran glauben kann er nicht so recht: „Es wird immer ein Angebot für die Leute sein, die es wirklich wollen und bereit sind, Geld auszugeben.“ Doch selbst wenn die Nachfrage nicht weiter steigen sollte, wird Wesslau das Konzept weiterverfolgen – allein für das positive Gefühl, einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten: „Ich halte das für eine super Idee. Ich habe selbst privat auch einen solchen Baum.“

Der Autor
Wanja Ebelsheiser
Volontär beim Sankt Michaelsbund
w.ebelsheiser@michaelsbund.de