Rituale und die närrische Zeit

Ist Fasching feiern christlich?

Für Schwester Carmen Tatschmurat ist die enge Ver­knüpfung von heiterem Fa­schingstreiben und dem Be­ginn der Fastenzeit klar. Wer das Aschenkreuz trage, bekenne damit, dass er zur Umkehr bereit sei. Doch davor dürfe ge­feiert werden.

Fasching in München © imago images/Lindenthaler

Als ich ins Kloster ein­trat, dachte ich, dass ich das Thema Fa­sching hinter mir gelassen hätte. Umso überraschter war ich, als kurz nach Weihnachten angefangen wurde, zu diskutieren: Unter welchem Motto wollen wir den Faschingsdienstag heuer ge­stalten? Dann wurden Sketche einstudiert, Gedichte geschrieben, Dekorationen gebastelt und über ein leckeres Buffet entschieden. Die Vorfreu­de auf das Hineinschlüp­fen in andere Rollen, um bei Wein oder Bier ausgelas­sen zu sein, war mit Händen zu greifen.

Gefeiert wird am spä­ten Nachmittag des Faschings­dienstags bis in den Abend hin­ein. Am frühen Morgen des Aschermittwoch sind dann alle zum gemeinsamen Gebet versammelt. Die enge Ver­knüpfung von heiterem Fa­schingstreiben und dem Be­ginn der Fastenzeit ist klar. Am Aschermittwoch werden wir mit Asche bekreuzigt und dar­an erinnert, dass wir sterblich sind. Wer das Aschenkreuz trägt, bekennt damit, dass er zur Umkehr bereit ist. Doch davor darf ge­feiert werden.

Narrenfreiheit und Derblecken

Rituale zur Vertreibung des Winters und der bösen Geister durch Kostümierungen und Theateraufführungen gab es wohl in vie­len Kulturen. Seit dem späten Mittelalter wissen wir von bestimmten Bräuchen, de­ren Ursprung vermutlich in den volkstüm­lichen Mysterienspielen liegt, in denen die Heiligen und die Gegenwelt auftraten. Auch die Narrengestalt mit Eselsohren, Szepter und Schelle war immer dabei. Sie stand für menschliche Dummheit, Stolz und Lieblosigkeit. Denn wer die Liebe nicht hat, ist wie eine tönende Schelle (1 Kor 13). Die Welt ist sein Narrenschiff, das er in den Untergang steuern möchte. Manches davon wurde in die christlichen Traditionen hi­neingenommen.

Als offizieller Beginn der Faschingszeit gilt der 7. Januar, der Tag nach Epiphanie. Der Höhe­punkt der närrischen Zeit beginnt im Rheinland ab dem „unsinnigen Donnerstag“ und im Süden ab dem Sonntag vor Aschermittwoch. In diesen Tagen kumulieren dann auch die verschiedens­ten Bräuche wie Perchtenläufe, Vermummun­gen, Kultspiele, Spottgerichte und so weiter. Oft werden am Abend der tollen Tage als Symbol für das Ende der Ausschweifungen einer Stroh­puppe alle begangenen Sünden aufgeladen und sie dann verbrannt.

Fasching kommt vermutlich von Fasten­schank – also ein (letzter) Ausschank vor der Fas­tenzeit. Fastnacht erklärt sich leicht als letzte Nacht vor dem Fasten. Karneval drückt aus, wo­rum es eigentlich geht: Carne levale – Fleisch wegnehmen: Vorbereitung auf den Fleischver­zicht in den 40 Tagen der Vorbereitung auf das Osterfest.

Umkehr der Machtverhältnisse im Fasching 

Wir können in diesen Tagen in fremde Rol­len schlüpfen und so Wahrheiten aussprechen, die zu sagen man sich sonst nicht traut. Der Narr ist nicht mehr wie im Mittelalter der Böse und Dumme, sondern im Gegenteil derjenige, der uns mit Schalk einen Spiegel vorhält und dessen Späße uns ermutigen, uns selbst nicht allzu ernst zu nehmen. 

Ein wichtiges Element ist von je her das Spiel mit der Umkehr der Machtverhältnisse. Das hat biblische Fundierungen, wie wir im Magnificat singen: Gott stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Nicht der übermäch­tige, bis auf die Zähne bewaffnete Goliath gewinnt den Zweikampf, sondern der kleine unbewaffnete David (1 Sam 17). Die scheinbar Schwachen, Machtlosen besiegen die Hochgerüsteten und Mächtigen. Im Fasching dürfen Kinder Pipi Langstrumpf, Harry Potter, Erwachsene strahlende Königin, furchtloser Rit­ter, TV-Star sein. Mächtige werden ungestraft verspottet, so bei den Faschingsumzügen oder auf dem Nockherberg, wo es Ehrensache ist, dass alles, was Rang und Namen hat, dabei ist und gute Miene zum bösen Spiel macht. Bis heute beliebt sind auch die – oft gereimt vorgetragenen – Predigten, die Vorkommnisse aus dem Gemeindeleben oder der Politik aufgreifen und kritisch-humorvoll Ermahnungen darin verpacken.

Warnung vor den Ausschweifungen

Seit dem Konzil von Trient (1545) gibt es den Brauch, in den letzten Tagen der Faschingszeit täglich zu predigen. Die Kirche wollte die Ver­sündigungen des wilden Faschingstreibens durch Gottesdienste sühnen und gab dazu erweiterte Absolutionsvollmachten und den Gläubigen besondere Ablässe für den Kirchenbesuch. Daraus entwickelte sich das sogenannte Triduum, wie es in der Jesuitenkirche St. Mi­chael in München begangen wird, auch wenn dort der Bezug zum Faschingstreiben rundher­um nahezu keine Rolle mehr spielt. Heuer wird Pater Dag Heinrichowski SJ, Jugendseelsorger in Hamburg und Koordinator des Weltweiten Gebetsnetzwerks des Papstes in Deutschland, dem nachgehen, wie die Bilder vom Menschen im Evangelium helfen können, zu einem gelin­genden gesellschaftlichen Zusammenleben beizutragen. 

Gott lädt uns ein

Immer wieder lädt uns Gott ein, mit ihm zu fei­ern und mit ihm Mahl zu halten. Und er kehrt, so glauben wir, die Machtverhältnisse um. Nicht immer fällt das Feiern leicht. So wird auch heuer, wo wenige Flugstunden entfernt erbitterter Krieg herrscht, der Fasching mancherorts aus­fallen. Im Kloster werden wir etwas leiser, aber dennoch feiern. Und danach erwarten wir mit geistlicher Sehnsucht und Freude das heilige Os­terfest. (Benediktsregel Kap. 48) (Schwester Carmen Tatschmurat OSB)

Dieser Artikel erschien ursprünglich am 16. Februar 2023.