Kein Kirchenaustritt

Warum prominente katholische Frauen in der Kirche bleiben

Die Kirchen verlieren immer mehr Mitglieder. Gerade Frauen fühlen sich diskriminiert. In einem neuen Buch beschreiben prominente Frauen, warum sie in der Kirche bleiben und sie ihnen - trotz aller Kritik - Heimat bietet.

Im Buch "Wir bleiben" schildern Frauen, warum sie noch in der Kirche sind. © Thomas Vitali - stock.adobe.com

Warum in der Kirche bleiben? Diese Frage hat Journalistin Elisabeth Zoll, Redakteurin bei der Südwest Presse Ulm, 18 prominenten Frauen gestellt und aus ihren Antworten ein Buch gemacht. "Wir bleiben! Warum sich Frauen nicht aus der katholischen Kirche vertreiben lassen", heißt der am Mittwoch in Stuttgart erschienene Sammelband. Die Textformen der Autorinnen sind dabei ganz unterschiedlich, es gibt etwa Gedichte, autobiografische Texte und Interviews.

Auf rund 180 Seiten schildern die Frauen aus Politik, Gesellschaft, Literatur und Wirtschaft, warum sie immer noch katholisch sind und was sie in der Kirche hält - trotz aller Kritik an ihren Strukturen, dem Umgang mit sexuellem Missbrauch oder einer fehlenden Gleichberechtigung von Frauen. Darunter sind etwa die Schriftstellerin Felicitas Hoppe, die Politikerinnen Annette Schavan, Malu Dreyer und Gerlinde Kretschmann oder Bloggerin Claudia Hader. Sie schildern ihre katholischen Familien, in die sie hineingeboren sind, wie sie mit den katholischen Traditionen groß wurden und wann sie erstmals angefangen haben, diese zu hinterfragen.

Kretschmann: "Katholisch-Sein - das gibt mir Heimat"

Dabei kommen viele persönliche Erfahrungen zur Sprache. Gerlinde Kretschmann etwa - ehemalige Lehrerin, engagierte Grüne und Frau des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg - erzählt, warum sie mit 27 Jahren aus der katholischen Kirche austrat und mit 51 wieder eintrat. Bereits in ihrer Kindheit störte es sie, dass "die Kirche versuchte mich klein zu machen. Ständig ging es um Sünde und um Verzicht. Aber auf was sollten wir Kinder damals verzichten?" Nachdem sie jahrelang ohne Kirche zufrieden war, wuchs sie langsam wieder darauf zu: Ihre Kinder interessierten sich für Religion, wollten getauft werden, sie ging in den Kirchenchor - und trat wieder ein. "Katholisch-Sein - das gibt mir Heimat", so Kretschmann heute. "Trotz Tod ist das so viel Hoffnung. Das Leben geht weiter - in welcher Form auch immer. Das bewegt mich ganz tief. Mehr kann Glaube nicht bieten."

Hoppe: Beichte in der heutigen Zeit nicht mehr vermittelbar

Schriftstellerin Felicitas Hoppe erzählt von ihrem katholischen Weltbild. "Welches Kind versteht schon die Beichte?", so Hoppe nüchtern. Sie könne "so schön wie schrecklich sein, das hängt von der jeweiligen Erfahrung ab". Als Sakrament sei sie heute nicht mehr vermittelbar, und auch für sie selbst lange keine Option mehr, was Hoppe durchaus auch bedauert. Damit verschwinde "eine Möglichkeit der Entlastung, das Gefühl dass ich etwas abgeben kann, dass ich nicht für alles allein zuständig bin; auch das ein Grund, warum ich gern katholisch bin. Natürlich lässt sich das therapeutisch kompensieren, aber Religionen enthalten Lebensweisheiten, die über unsere eigenen Erfahrungen hinausgehen."

Schavan: Glaube ist Ausdruck einer Haltung

Die CDU-Politikerin Annette Schavan, ehemalige Bildungsministerin, schildert augenzwinkernd ihre Erstkommunion: Pastor und Kaplan hätten "erklärt, dass Jesus in der Hostie wirklich bei uns sei. Ich nahm das so ernst, dass ich alles tat, um die Hostie, die mir auf die Zunge gelegt wurde, nicht zu beschädigen. Ich hoffte, sie löse sich irgendwann auf, so dass ich sie hinunterschlucken könnte. Alles andere hätte ja bedeutet, so war ich überzeugt, den Herrn Jesus zu beißen." Für sie ist der Glaube auch Ausdruck einer Haltung, die Politik und Wirtschaft gestaltet. Christentum sei "Internationalität jenseits all der neuen Nationalismen und Egoismen, die gerade zu beobachten sind. Das ist Versöhnung in einer unversöhnlichen Welt", so die ehemalige Botschafterin beim Heiligen Stuhl. Der Glaube habe ihrem "Leben eine Perspektive gegeben. Das hat meinen Blick auf die Welt, die Zeit und den Menschen beeinflusst, mich respektvoll und freiheitsliebend sein lassen."

Wunsch nach Veränderung

Als "katholisch auf Zeit" beschreibt sich die Theologin und Bloggerin Claudia Danzer , 1992 geboren, und damit die jüngste der Frauen, die in dem Buch zu Wort kommen. Nur, solange sie noch die Möglichkeiten zu Veränderungen sehe, könne sie katholisch bleiben: Wenn die "Kirche missbrauchsbegünstigende und diskriminierende Strukturen abbaut hat für mich das Katholisch-Sein eine persönliche Zukunft".

Zum Schluss kommt Malu Dreyer zu Wort, SPD-Ministerpräsidentin von Rheinland Pfalz und langjähriges Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Sie legt besonderen Nachdruck auf die Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche: "Als katholische Christin überzeugt mich das Argument, dass nicht der Zugang von Frauen zu kirchlichen Diensten und Ämtern begründungspflichtig ist, sondern deren Ausschluss. In meinen Augen ist der Zugang von Frauen zu Weihesakramenten längst überfällig." (kna)

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