München – Über die Video-Bildschirmen des an diesem Abend durch die Scheinwerfer der TV-Liveübertragung hell ausgeleuchteten Münchner Liebfrauendoms grüßt Benedikt XVI. wie in seinen besten Tagen. Sein Bild steht vor dem Hintergrund der Domtürme und der Mariensäule. Die Szene geht über in die flackernde Osterkerze, bei jeder Gedächtnisfeier für einen Verstorbenen Zeichen der christlichen Auferstehungshoffnung. Auf den Bänken und Stühlen liegen Sterbebildchen mit dem gütig lächelnden Verstorbenen, innen steht ein Satz, den Benedikt XVI. bei seiner Amtseinführung äußerte: „Wer glaubt, ist nie allein – im Leben nicht und auch im Sterben nicht.“
Die Erzdiözese nimmt mit einem feierlichen Requiem Abschied von dem am Silvesterabend verstorbenen Benedikt XVI., der von 1977 bis 1982 das Bistum des heiligen Korbinian als Erzbischof leitete. Der Introitus aus Mozarts Requiem zum Einzug des in dicke Weihrauchschwaden gehüllten Altardienstes um Kardinal Reinhard Marx verleiht dem Ganzen einen ernsten und würdigen Charakter.
Vertreter aus Ökumene, Politik, Gesellschaft und Kultur nehmen Abschied
Zu diesem Gottesdienst sind besonders die Dekane des Erzbistums, die Mitglieder der Päpstlichen Familie, die Priester und Diakone, die pastoralen Mitarbeitenden und die Gläubigen eingeladen worden. Die Geistlichen haben in ansehnlicher Anzahl in Chorkleidung auf den Stühlen im Altarraum Platz genommen. Auch eine Gebirgsschützen-Gruppe mit mächtiger Landesschützenfahne sowie diverse Abordnungen der studentischen Verbindungen in voller Montur sind erschienen.
„Ich will alle einladen zum Gebet heute, auch die, die im Raum der Kirche Missbrauch und Leid erfahren haben“, begrüßt Kardinal Marx die Gläubigen sowie zahlreiche Gäste aus Ökumene, Politik, Gesellschaft und Kultur. Im Zuge eines von der Erzdiözese in Auftrag gegebenen externen Gutachtens zu sexuellem Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefohlener durch Kleriker sowie hauptamtlich Bedienstete im Bereich der Erzdiözese im Zeitraum von 1945 bis 2019 sah sich Benedikt XVI. Vertuschungsvorwürfen ausgesetzt, die dieser in einer vom Vatikan veröffentlichten Stellungnahme zurückwies. Benedikt XVI. sah sich in diesem Zusammenhang auch mit einer Klage vor dem Landgericht Traunstein konfrontiert. Die sogenannte Feststellungsklage richtete sich neben dem damaligen Münchner Erzbischof auch gegen einen mehrfach wegen Missbrauchs verurteilten Priester sowie die Erzdiözese und Ratzingers Nachfolger im Amt des Erzbischofs, Kardinal Friedrich Wetter.