Buchvorstellung in Sankt Maximilian

Schießler und Alof: Zwei Kirchenmänner auf neuen Wegen

Pfarrer Rainer Schießler und Kirchenpfleger Stephan Alof haben in der Pfarrkirche St. Maximilian ihr neues Buch "Seid ihr noch zu retten?!" vorgestellt und über ihre Überzeugungen und Erfahrungen gesprochen – von neuen Formen im Gottesdienst bis hin zu Sexualität und Zölibat.

Pfarrer Schießler (links) und Kirchenpfleger Alof mit ihrem Buch © Kiderle

München – Es muss ein ungewöhnlicher Anblick für all diejenigen sein, die an diesem Abend zum ersten Mal die Pfarrkirche St. Maximilian in der Münchner Isarvorstadt besuchen: hölzerne Kunstobjekte im Mittelgang, ein altes Fischerboot im einen Seitenschiff, ein Suppenausschank im anderen, eine riesige, blau gestrichene Skulptur des gekreuzigten Christus im Altarraum – und mehrere Hunde, die mit ihren Herrchen und Frauchen gekommen sind, um einer Buchpräsentation zu lauschen.

Ebenso unkonventionell wie das Ambiente ist auch die musikalische Gestaltung durch die Zither-Schlagzeug-Blechbläser-Kombo „Glitzerbeisl“ – und natürlich das Hauptgeschehen des Abends: Denn wie oft kommt es vor, dass in einer katholischen Kirche der Pfarrer und sein Kirchenpfleger in der Öffentlichkeit über Sexualität und Zölibat sprechen?

Ungewöhnliche Ideen und Projekte

„Seid ihr noch zu retten?!“ heißt das kürzlich im Bene-Verlag erschienene und nun vom Sankt Michaelsbund als Veranstalter präsentierte Buch von Rainer Schießler und Stephan Alof. „Einfach mal machen und so Kirche verändern“ lautet der lakonische Untertitel und zugleich die Zusammenfassung dessen, was Schießler, seit 1993 Pfarrer in „St. Max“, und Alof, fast ebenso lang sein kongenialer Partner als Pfarrgemeinderat und Kirchenpfleger, als ihren persönlichen Verkündigungsauftrag ansehen.

Im Gespräch mit Moderatorin Caro Matzko vom Bayerischen Fernsehen erläutern die beiden, was sie antreibt, wenn sie in ihrer Kirche Verkehrsschilder mit der aufgemalten Botschaft „Du bist wichtig“ aufstellen, ein Lied der „Toten Hosen“ anstimmen lassen, einen Graffitikünstler ans Werk gehen lassen oder Essen und Getränke ausgeben. „Es geht nicht um Aktionismus“, stellt Pfarrer Schießler klar, sondern darum, zu schauen, „was die Menschen brauchen“. „Schön, dass du da bist“ sei die Botschaft.

Alle Menschen willkommen heißen

Alof ergänzt: „Jeder und jede ist bei uns willkommen, jeder soll sich aufgehoben fühlen.“ Das Grundproblem, da sind sich beide einig: In vielen Kirchen würde oftmals nur ein Programm abgespult, die Gläubigen fühlten sich nicht wirklich angesprochen und wüssten manchmal gar nicht, warum sie überhaupt da seien. „Was ist das für ein Gottesdienstbesuch, wenn ich nur froh bin, dass es endlich aus ist?“, fragt Schießler und verrät, dass er sich selbst „immer irgendwie als Künstler“ gesehen habe und es als seine Aufgabe erachte, den Menschen „Entertainment und Unterhaltung“ zu bieten.

Kirchenpfleger Alof erläutert leidenschaftlich, wie er sich Kirche vorstellt: Aus dem Sonntagsgottesdienst müsse man „verändert rausgehen“, es müssten Spaß und sinnliche Erfahrungen geboten sein. Seine zahlreichen Ideen verwirkliche er immer auf dem kurzen Dienstweg, es gebe keinen Plan – worauf Schießler mit zustimmendem Augenzwinkern

ergänzt: „Wir sind ein wilder Haufen.“ Die Zusammenarbeit sei allerdings nicht immer harmonisch verlaufen: „Wir haben uns gestritten und angebrüllt“, räumt Alof ein, und Schießler scherzt: „Der Kerl ist schrecklich, er kann sehr anstrengend sein.“

Zölibat und Homosexualität

Als Matzko ankündigt, sie wolle mit den beiden Kirchenmännern jetzt über Sex reden, erwidert Schießler im gewohnt selbstironischen Stil: „Ich geh dann“ – um dann aber doch ernste Töne anklingen zu lassen. Der Pfarrer verteidigt den Zölibat trotz „unsäglicher dunkler Stunden und Anfechtungen“, die er als einsamer junger Priester erlebt habe, als „unglaubliche Herausforderung und Geschenk“ – sofern man in ein soziales Umfeld eingebunden und vor Vereinsamung geschützt sei. Der Zölibat dürfe aber Priesteranwärtern zukünftig nicht mehr als Pflicht aufgezwungen werden, sondern müsse freiwillig sein.

Den vielleicht bewegendsten Moment des Abends leitet die Moderatorin ein, als sie Alof fragt, warum er der Kirche nicht schon längst den Rücken gekehrt habe, obwohl er als bekennender Homosexueller seit Jahrzehnten mit Widerständen und Anfeindungen zu kämpfen habe. „Ich kann, ich werde und ich will aus der Kirche nicht austreten, weil ich aus meinem Leben nicht austreten kann. Und ich werde mir von niemandem vorschreiben lasse, wen ich zu lieben habe“, stellt Alof klar und fährt nach dem Applaus des Publikums fort: „Ich bin Priester – seit meiner Taufe, so wie ihr auch. Und das, was ich mache, mache ich als Priester meiner geliebten katholischen Kirche.“

Kritik und viel Zuspruch

Im Buch wie auch beim Podiumsgespräch fällt auf, dass Schießler sich immer wieder an seinen Kritikern abarbeitet und Bedenken zerstreuen möchte. Die Vorwürfe, dass er nur das Rampenlicht suche oder nicht mehr wirklich katholisch sei, scheinen den Pfarrer vielleicht doch mehr zu treffen, als es sein selbstbewusstes Auftreten vermuten lässt. „Wir sind keine Kirchenreformer und erst recht keine Rebellen“, beteuert er im Buch; „wir wollen keine Revolution“, versichert er am Abend der Buchpräsentation. Und: „Unsere Liturgie ist schon katholisch! Nicht dass einer glaubt, wir hätten unseren eigenen Laden hier aufgemacht.“

Man ahnt: Einerseits jenes „Urkatholische“ an der Kirche, wie sie Schießler in seiner Kindheit und Jugend als erfüllend, beheimatend und befreiend erlebt hat, zu bewahren und selbst zu verkörpern, sich andererseits aber verpflichtet zu fühlen, „das Bewusstsein von Kirche zu verändern“ und angesichts von Verkrustungen und Skandalen völlig neue pastorale Wege zu gehen – das fällt dem rührigen Kirchenmann nicht immer leicht.

Doch immer wieder gibt ihm der Zuspruch vonseiten der Gläubigen recht, die teils von weit her zu den Gottesdiensten anreisen und die Pfarrkirche füllen. Er ist sich sicher: „Die Menschen brauchen uns“, und lässt keinen Zweifel daran, dass er noch längst nicht fertig ist mit seiner Mission. Zwei weitere Bücher, verrät er auf Nachfrage, sind schon in Arbeit. (Joachim Burghardt)

Buchtipp

Rainer M. Schießler, Stephan Maria Alof: "Seid ihr noch zu retten?!"

Rainer Maria Schießler, geboren 1960, ist katholischer Pfarrer. Durch seine unkonventionelle Art und medienwirksame Aktionen gehört er zu Deutschlands bekanntesten Kirchenmännern. Seine Bücher "Himmel, Herrgott, Sakrament", "Jessas, Maria und Josef" und "Die Schießler-Bibel" wurden zu Bestsellern. Seit 1993 ist er Pfarrer in St. Maximilian in München. Stephan Maria Alof (Jahrgang 1966), aufgewachsen im Westerwald, absolvierte eine Ausbildung als Altenpfleger. Mit Anfang 20 ging er nach München, arbeitete zunächst als Pfleger in einem Altenheim und dann selbstständig als Betreuer für AIDS-Kranke. Ein leerstehendes Ladengeschäft inspirierte ihn, einen beruflichen Neuanfang zu wagen. Ohne Vorkenntnisse in der Gastronomie gründete er im Glockenbachviertel viele Lokalitäten. Alof ist zudem ehrenamtlicher Kirchenpfleger und Gemeindevorstand in St. Maximilian.

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Der Redakteur
Joachim Burghardt
Münchner Kirchenzeitung
j.burghardt@michaelsbund.de