Oberammergauer Töne

Passionsmusik vom Kirchturm

Traditionell feiern die Oberammergauer die Kar- und Ostertage mit Musikstücken aus dem Passionsspiel. In diesem Jahr dürfen die Gläubigen nicht in die Kirche, trotzdem bekommen sie etwas zu hören.

Die katholische Pfarrkirche von Oberammergau St. Peter und Paul wurde im Barockbaustil erbaut © imago images / CHROMORANGE

Oberammergau – Die Freiwillige Feuerwehr fährt mit einer Ankündigung durch die Straßen von Oberammergau. Es wird am Karfreitag und am Ostersonntag Musik geben, schallt es durch die Lautsprecher. Und zwar vom Kirchturm. Verbunden ist das Ganze mit dem Hinweis, sich trotzdem nicht zu versammeln. In der Glockenstube der schmucken Oberammergauer Barockkirche warten acht Lautsprecher, schon auf ihren Einsatz. Jeder ist ungefähr so groß wie ein Umzugskarton, manche etwas schmaler. Bereits seit über einer Woche sind sie mit dem Mischpult verkabelt und haben schon am Palmsonntag den Sound der Passion über das Dorf getragen. Angelika Winterer hatte die Idee dazu, an den Feiertagen den Ort etwas aufzuwecken.

Historische Kompositionen sind zu hören

Die Pastoralreferentin ist die Beauftragte für die pastorale Vorbereitung und Begleitung der Passionsspiele: „Dass die jetzt ausfallen, tut den Oberammergauern furchtbar weh.“ Sie seien mitten aus den Proben herausgerissen worden und in ein tiefes Loch gefallen, so Angelika Winterer. Und durch Kontaktsperren könne das Passionsdorf seinen Kummer nicht einmal gemeinsam teilen. Sogar die Gottesdienste müssen ja ausfallen. In denen erklingt traditionell am Palmsonntag das „Heil Dir“, am Karfreitag die Grabmusik und am Ostersonntag das Hallelujah aus den historischen Kompositionen zu den Passionsspielen. Wenigstens die sollte an diesen Tagen zu hören sein, dachte sich die 45jährige und schmiedete mit dem Theologiestudenten Philipp Hauptmann den Plan, die Stücke vom Kirchturm zu spielen. Damit das auch professionell geschieht, holten sie den Tontechniker Maxi Kasseckert dazu.

Feuerwehr kündigt Musik an

Politische Gemeinde, Passionsspielverantwortliche und Polizei hatten keine Einwände, das Team traf seine Absprachen per Telefon und schleppte dann mehrere Zentner Ausrüstung über die schmale Holztreppe hinauf in die Glockenstube. „Da geht´s ja ganz enge und steile Stiegen hinauf und wir haben ungefähr fünf Stunden gebraucht bis alles oben, aufgebaut und verkabelt war“, berichtet Maxi Kasseckert, der die Musik auf einem Notebook abgespeichert hat.  Den Auftakt am Palmsonntag kündigte die Feuerwehr ebenfalls mit Durchsagen an. Philipp Hauptmann entwarf ein digitales Flugblatt und verschickte es über die Sozialen Medien: „Singt´s alle mit, aber bleibt´s dahoam“, stand darin. Und das taten die Oberammergauer, als die ersten Töne von „Heil Dir“ erklangen, das schon die Buben und Mädchen im Kindergarten des Dorfes lernen.

Tut der Seele gut

 „Manchen sollen Tränen in den Augen gestanden sein“, erzählt Pastroalreferentin Angelika Winterer. Auch Passionsspielleiter Christian Stückl hat angeblich kräftig mitgesungen. Aus den mächtigen Lautsprechern war die Musik im ganzen Dorf zu hören, ein Blasmusiker soll das Lied sogar live vom Kogel, dem Oberammergauer Hausberg, begleitet haben. Nun kommt das Passionsspieldorf am Karfreitag um 17.00 Uhr und am Ostersonntag um 9.45 Uhr noch einmal zum Klingen. Und Angelika Winterer hofft, „dass das unseren Seelen ein bisschen gut tut, denn das Herz der Oberammergauer hängt wirklich stark an dieser Musik.“ Und wenn sie in diesem Jahr schon nicht komplett zum Passionsspiel erklingt, dann wenigstens in Ausschnitten vom Kirchturm.  

Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de

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