Kunst und Theologie

Das Kreuz: Vom Mordwerkzeug zum Hoffnungssymbol

Das Kreuz ist das Symbol des Christentums – aber wie kam es eigentlich dazu, dass ein Hinrichtungsinstrument zum Zeichen der Hoffnung und des ewigen Lebens wurde?

Seit dem Hochmittelalter ist das Kruzifix eine verbreitete Kreuzdarstellung. © Hans und Christa Ede - stock.adobe.com

Es ist wohl eines der beliebtesten Schmuckstücke der Welt: Das Kreuz. Die einen tragen es als Anhänger um den Hals die anderen als Tätowierung auf der Haut. Eigentlich ganz normal, doch es erscheint seltsam, wenn man sich vor Augen hält, dass das Kreuz vor 2000 Jahren ein Symbol des Schreckens war. Es war die grauenvollste Hinrichtungsmethode, die die Römer kannten. Eine Weiterentwicklung des Erhängens, aber langsamer und schmerzvoller.

200 Kilometer Kreuze

Nach dem Spartacus-Aufstand kreuzigten die römischen Oberbefehlshaber rund 6.000 Rebellen entlang der Via Appia. Ein Kreuz alle 30 Meter, insgesamt eine Strecke von fast 200 Kilometern - als Abschreckung. Auch für die ersten Christen muss das Kreuz ein Schreckenssymbol gewesen sein, nachdem ihr Messias daran starb. Doch schon nach relativ kurzer Zeit änderte sich die Bedeutung. „Der Übergang von einer Todesstrafe zu einem Symbol ist ein Prozess, der in den ersten Jahrhunderten vor allem im Rückbezug auf das Alter und Neue Testament abgelaufen ist", erklärt Professor Stefan Heid, Direktor des päpstlichen Instituts für christliche Archäologie in Rom.

Spätestens seit dem 4. Jahrhundert galt das Kreuz als offizielles Symbol des Christentums. Zu Zeiten von Kaiser Konstantins und Kaiser Theodosius war vor allem das Staurogramm und das Christusmonogramm als Zeichen verbreitet. Für die Zeit vor dem Kreuz ist seit dem Zweiten Jahrhundert auch der Fisch als christliches Symbol bekannt. Aus den Anfangsbuchstaben des griechischen Wortes für Fisch „Ichtys“ ließen sich die Wörter Jesus Christus Gottes Sohn der Erlöser bilden. Verbreitet war diese Symbol allerdings eher in gelehrten Kreisen als unter dem gemeinen Volk. Dort etablierte sich schon lange vor Fisch und dem Kreuz als Bildnis der Gestus des Kreuzzeichens als Erkennungszeichen. Später entwickelte sich daraus das bildliche Kreuz als Symbol.

Antikes Victory-Zeichen

Mit der Kreuzauffindung durch Helena, die Mutter Konstantins, die das Originalkreuz, an dem Christus starb, der Legende nach im Jahr 325 nach Christus in Jerusalem gefunden haben soll, setzte sich das Kreuz als Zeichen des Christentums entgültig durch. Aus dem Reliquienkult um das Jerusalemer Kreuz entwickelte sich außerdem auch die Kreuzverehrung, die beispielsweise am Karfreitag noch vielerorts gepflegt wird. Die Kreuze, die dort verehrt werden, unterscheiden sich in der Darstellung aber meist deutlich von denen, die in der Antike üblich waren. Vorausgegangen war ein jahrhundertelanger Entwicklungsprozess in Kunst und Theologie.

„In der frühesten Zeit ist das Kreuz nicht unbedingt ein Leidenszeichen“, erklärt Kreuzexperte Stefan Heid. Vielmehr wird es als eine Art antikes Victory-Zeichen verwendet. Ein Symbol für Christi Sieg über den Tod. Erst deutlich später, etwa ab dem Jahr 1000 nach Christus, wird das Kreuz wieder verstärkt als Symbol des Leidens gedeutet und das Kruzifix, das Kreuz mit dem leidenden gekreuzigten Christus, wird zur populären Darstellungsform, erklärt Stefan Heid: „Das Hochmittelalter war eine außerordentlich hoch entwickelte Zeit für die damaligen Verhältnisse und durch die Universitäten ändert sich auch die religiöse Wahrnehmung, mit der die Heilige Schrift dann ganz anders gelesen wird.“ In Folge dessen werden möglichst realistische Darstellung des Kreuzestodes zum künstlerischen Ideal.

Ein Friedenssymbol

Heute ist das Kreuz noch immer das Symbol der Christen, aber in einer immer säkularer werdenden Gesellschaft wächst auch Unverständnis darüber, dass dieses Bildnis einer grausamen Hinrichtung an öffentlichen Orten hängt. Für Kreuzexperte Stefan Heid steckt aber gerade in dieser Darstellung eine Botschaft, die auch heute noch aktuell ist. „Im Kreuz steckt genau die Gewalt, die erlitten wird, ohne dagegen zu schlagen. Also ist das Kreuz doch eindeutig ein Zeichen, dass zum Frieden auffordert.“

Der Redakteur und Moderator
Korbinian Bauer
Münchner Kirchenradio
k.bauer@michaelsbund.de

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Karwoche