Geflohen aus der Ukraine

Geflüchtete Kinder brauchen zum Ankommen Gleichaltrige

Nachdem sie in Deutschland eine Unterkunft gefunden haben, ist es besonders für die geflohenen Kinder wichtig schnell wieder einen Kindergarten oder die Schule besuchen zu können. Bei der Suche nach dem richtigen Platz werden sie im Pfarrverband Haidhausen unterstützt.

Gleichaltrige helfen geflohenen Kindern beim Ankommen. © Carolin Engel

„Ein Schul- oder Kita-Platz ist das Wichtigste für die Kinder und damit steht und fällt die Integration“, sagt Carolin Engel, die sich im Pfarrverband Haidhausen seit fast vier Monaten ehrenamtlich für die Flüchtlingsfamilien engagiert. Wichtig war hier, vor allem bei den älteren Mädchen und Buben die Frage, welche Schulform die Richtige ist. Hat das Kind bereits Deutschkenntnisse? Kann es möglicherweise sogar eine weitere, in Deutschland relevante, Fremdsprache wie zum Beispiel Englisch?

War dies geklärt, hieß es für Carolin Engel zusammen mit der Projektkoordinatorin Silke Streppelhoff Schulen anrufen und abklappern. Hier stießen sie auf viel Offenheit und meist wurde schnell und unkompliziert ein Schulplatz gefunden, wenn auch manchmal nicht direkt in einer Klassenstufe die exakt dem Alter des Kindes entsprach.  Aber: „Allen, wirklich allen Kindern, die ich erlebt habe, tut es unheimlich gut in die Schule zu gehen“, erzählt die ehrenamtliche Helferin.  Mittlerweile haben einige Schulen sogenannte „Willkommensklassen“, aber auch die Integration in Regelklassen funktioniere gut, besonders, wenn in der Klasse bereits ein Kind mit „deutschen Hintergrund“ sei, das ukrainisch oder russisch spricht, was gar nicht so selten der Fall sei.

Inklusion unter Gleichaltrigen

Beeindruckend sei es, wie die deutschen Kinder die Geflüchteten annehmen. „Wir freuen uns, wenn der neue ukrainische Junge mit uns in der Pause Fußball spielt. Aber besonders toll war es, als er unsere Latein-Lehrerin das erste Mal auf Deutsch fragte, ob er sein Laptop holen dürfe und sie ihn sofort verstanden hat. Da haben wir alle geklatscht“, erzählt der 13-Jährige Leevi. Momente, die alle zu Tränen rühren, obwohl klar ist, dass der Weg noch lange sein wird. „In den naturwissenschaftlichen Fächer, sind die meisten ukrainischen Schüler weiter als ihre Klassenkameraden hier, da in der Ukraine oft mehr Stoff in kürzerer Zeit durchgenommen wurde“, erzählt Carolin Engel, „aber natürlich müssen sie jetzt erstmal alles dran setzen Deutsch zu lernen, so dass sie dem Unterricht auch folgen können.“

Mangel an Kita-Plätzen

Was Kita-Plätze anging, so war die Suche nicht immer ganz so leicht, meint Engel. Personalmangel und Betreuungschlüssel machen die Aufnahme von geflüchteten Kindern oft schwierig. Trotzdem sei ein Kita-Platz wichtig, damit ein Kind hier in Deutschland ankommen kann. Gerade bräuchten sie dringend einen Platz für ein Mädchen, dass im September in die Schule kommt. „Es ist klar, dass es für jede Kita schwierig ist ein Kind für ein Viertel Jahr einzugewöhnen und aufzunehmen, aber es wäre für das Mädchen wichtig Kontakt zu Gleichaltrigen zu haben, die deutsche Sprache zu hören, bevor sie im September im die Schule kommt“, meint die Ehrenamtliche.

Traumatische Fluchterfahrungen

Neben den geflüchteten Familien, von denen einige mittlerweile schon eine neue Bleibe in Deutschland gefunden haben oder in die Ukraine zurückgekehrt sind, leben im Salesianum in Haidhausen seit März auch acht weitere ukrainische Kinder mit ihren beiden Pflegemüttern. Hier sei die Situation besonders schwierig, erklärt Engel, denn es mussten zunächst einige  bürokratische Hürden genommen werden. Erstmal stand von behördlicher Seite die Frage im Raum, ob diese Kinder überhaupt bei den Pflegemüttern bleiben dürfen, weil die Frage nach dem Sorgerecht schwer zu klären war. Für die ukrainischen Frauen, die diese Kinder teilweise seit Jahren wie ihre eigenen pflegen, war das selbstverständlich nie eine Option.

Mittlerweile ist aber klar: Die Kinder und ihre Pflegemütter können zusammenbleiben und bis auf Weiteres Salesianum leben.  Im Vergleich zu den meisten der anderen Mütter und Kinder, denen im Pfarrverband Haidhausen geholfen wurde, haben diese in ihrer Heimat in der Nähe von Mariupol den Krieg hautnah miterlebt und teilweise auch traumatische Fluchterfahrungen. In Kombination mit der Tatsache, dass diese Kinder durch die problematischen Verhältnisse in ihren Ursprungsfamilien ohne hin oftmals bereits traumatisiert waren, ist die Situation besonders schwierig. „Hier sind wir sehr dankbar für die Unterstützung von Kinderärzten und Beratungsstellen“, erzählt die ehrenamtliche Helferin.

Auch bei diesen Kindern stand die vergangenen Wochen erstmal die Suche nach Kita- und Schulplätzen im Vordergrund. In diesem Fall besonders schwierig, da beispielsweise eines der Kinder eventuell einen Platz im Förderzentrum bräuchte. Für solche Kinder kann die Flucht nach Deutschland unter Umständen fast eine Chance sein, da der Umgang mit Menschen mit Förderbedarf in der Ukraine leider oft nicht nur positiv ist, erklärt Engel: „Das ist ein sehr trauriges Kapitel. Behinderung ist etwas was in der Ukraine größtenteils versteckt wird."

Positives Fazit

Auch, wenn es manchmal anstrengend ist, Carolin Engel ist froh die Projektkoordinatorin am Salesianum Silke Streppelhoff, bei ihrem enormen Engagement für die Geflüchteten unterstützen zu können.  Und obwohl die die Kinder offensichtlich viele traumatische Erlebnisse verkraften mussten, ist sie fasziniert, wie oft sie auch sehr gut gelaunt sind und wie unbeschwert sie auf die Helfer zugehen. Und eine Umarmung von einem dieser Kinder, lässt dann auch viele Schwierigkeiten vergessen oder rückt sie zumindest für einen Moment in den Hintergrund.

Die Autorin
Stefanie Schmid
Radio-Redaktion
s.schmid@michaelsbund.de