Platz für 40 Flüchtlinge

Kloster Ettal nimmt Geflüchtete aus der Ukraine auf

40 Menschen aus der Ukraine leben aktuell in ehemaligen Internatsräumen. Für den Abt des Klosters ist die Aufnahme der Geflüchteten eine Pflicht, die aus dem Evangelium kommt.

Viktoriya Botvinieva mit ihrer Familie und weiteren Geflüchteten. © Bögle

Als die russischen Militärflugzeuge über Charkiw zu hören waren, wurde die Angst für Viktoriya Botvinieva zu groß. Einen Tag verbrachte sie mit ihrer Familie im Keller, dann machten sie sich auf den Weg. Zusammen mit ihrem Mann Konstyantun, den Töchtern Liza (10), Mukola (2) und dem Sohn Ivan (9) floh sie mit dem Auto aus der Ukraine. „Wir hatten jede Sekunde Angst“, sagt Viktoriya. Das Haus bebte, Bomben fielen. Sie kamen nur sehr langsam voran: „Nachts konnten wir gar nicht mehr fahren. Die Gefahr war zu groß.“ Die Familie fuhr über Iwano-Frankiwsk bis nach Lwiw, dann nach Wien und München. Rund zwei Wochen brauchten sie für die Strecke.

Jetzt lebt Viktoriya mit ihrer Familie im oberbayerischen Kloster Ettal. Die Benediktiner haben einen Teil ihrer Klosteranlage ukrainischen Flüchtlingen geöffnet. „Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, die kein Dach über dem Kopf haben, aufzunehmen, ist eine Pflicht, die aus dem Evangelium kommt“, sagt Abt Barnabas Bögle. In der Klostergemeinschaft sprachen sie über die große Not der Ukrainer. „Es war für uns keine Frage, dass wir Menschen, die aus der Ukraine kommen, bei uns aufnehmen.“ Die ersten der rund 30 Ukrainer kamen am 15. März an, für insgesamt 40 Gäste ist Platz. Eine Bekannte des ehemaligen ukrainischen Generalkonsuls in Bayern hat die ukrainischen Geflohenen an das Kloster vermittelt.

Kloster erhält viele Sachspenden

„Wir helfen, wo wir können“, sagt der Ettaler Pressesprecher Florian Bauer. „Viele Frauen kommen mit ihren Kindern, aber die Männer mussten in der Ukraine bleiben.“ Viktoriyas Mann ist eine Ausnahme: Weil das Ehepaar drei Kinder hat, durfte auch er die Ukraine verlassen. Die Familien haben abgeschlossene Zimmer in ehemaligen Räumlichkeiten des Internats. Im vergangenen Jahr kündigte das Kloster an, sein Internat zu schließen; heute besuchen nur noch fünf Kinder das Internat, gute dreißig das angeschlossene Tagesheim. In einem Trakt des Internates wurden Zimmer für die ukrainischen Gäste zur Verfügung gestellt, anfangs wurden sie von der Küche des klostereigenen Hotels versorgt. Das Kloster erhält zudem viele Sachspenden von Privatpersonen und Unternehmen, die die Geflohenen unterstützen wollen.

Die Benediktinerabtei bekommt bislang keine staatliche Unterstützung für die Aufnahme der Geflohenen. Zugleich helfen die Mönche und Mitarbeiter, wo sie können: Sie unterstützen bei den Asylanträgen, begleiten zu Terminen auf dem Landratsamt, kümmern sich um Einkäufe. „Wir machen das sehr gerne“, sagt Bauer. Die ersten Kinder können sogar schon das Gymnasium der Benediktiner besuchen. „Die Kinder nehmen die ukrainischen Schüler sehr gut auf“.

Gebete vor dem Gnadenbild

Viktoriya ist dankbar für die Aufnahme. „Die Deutschen haben ein großes Herz“, sagt sie. Gleichzeitig kann das nicht alle Sorgen zerstreuen. Ein Teil von Viktoriyas Familie ist in der Ukraine geblieben – während ihre russischen Verwandten noch immer an Putins Propaganda glauben. Die ukrainischen Flüchtlinge haben zusammen mit Abt Barnabas ihre Sorgen und Nöte auch vor das in der Basilika verehrte Gnadenbild gebracht. „Da haben die Frauen sofort in ihrer Muttersprache zu beten begonnen, die Muttergottes um Frieden angefleht und dem Gnadenbild auf dem Mobiltelefon die Bilder der zerstörten Häuser gezeigt. Da war ein Glaube zu sehen, vor dem der unsere beschämend klein ist“, erzählt Abt Barnabas.

Viktoriya hofft, in ihr Land zurückkehren und die Ukraine wieder aufbauen zu können. Sie lädt sogar den Autor ein, dann zu ihr nach Charkiw zu kommen – „in fünf Jahren, vielleicht in sechs.“ (Benedikt Bögle)