Aschermittwoch

Warum ich mich fünfmal täglich an den Tod erinnern lasse

Für viele ist Tod ein Tabuthema. Redakteurin Katharina Sichla wollte sich dem Thema stellen und hat sich per App fünfmal täglich an den eigenen Tod erinnern lassen. Ein Selbstversuch, der ganz nach dem Geschmack des Heiligen Benedikt gewesen wäre.

Am Aschermittwoch erinnern sich Christen an ihre eigene Vergänglichkeit. © locrifa - stock.adobe.com

Es ist Ende August. Ich sitze mit einer Freundin in einem Café in Paris. Vor uns zwei große Tassen Café au lait. Es sind die letzten Stunden unseres Trips in die französische Hauptstadt. Wir unterhalten uns, sind begeistert von dem jüdischen Viertel, in dem wir gerade sind, und lassen das vergangene Wochenende noch mal Revue passieren. Es waren schöne ereignisreiche Tage! Plötzlich piept mein Handy. Eine Nachricht. Ich schau aus dem Augenwinkel auf das Display: „Vergiss nicht, Du wirst sterben“ steht da. Ich bin kurz abgelenkt. Dabei ist die Nachricht für mich an sich keine Überraschung. Ich erhalte sie seit einigen Wochen fünfmal am Tag. Eine App sendet sie mir zu unterschiedlichen Zeiten zu. Zufällig. Ebenso wie auch der Tod sein kann. Ich muss innerlich lächeln. Was für einen schönen Moment ich doch gerade erlebe. Ja, ich muss sterben – irgendwann. Doch für solche Momente, wie den gerade in Paris mit einer guten Freundin, lebe ich. Alles gut so wie es ist, denke ich mir, und konzentriere mich dann weiter auf das Gespräch.

Der heilige Benedikt hat den Tod täglich vor Augen

„Wecraok“ so heißt die App, von der ich zuvor in einer Zeitschrift gelesen hatte. Der Artikel hat mich neugierig gemacht. Die Idee zu App liegt in Bhutan in Südasien. Laut einer Bauernregel soll derjenige ein glücklicher Mensch sein, der fünfmal täglich über den Tod nachdenken muss. In meinem Bekanntenkreis ernte ich erstaunte Blicke, wenn ich von der App berichte. Kaum jemand will sich den eigenen Tod täglich bewusst machen. Dabei ist die Idee schon sehr alt. Schon der Heilige Benedikt von Nursia hat das in seinen Ordensregeln festgehalten, die er bereits um 529 für das Klosterleben verfasste. So heißt es in Kapitel 4,47: „Den unberechenbaren Tod täglich vor Augen haben.“

Auferstehung nach dem Tod

Die Erinnerung an den eigenen Tod solle aber niemanden depressiv stimmen, so der Benediktiner und Erzabt Wolfgang Öxler aus Sankt Ottilien. Im Gegenteil. Für den heiligen Benedikt sei es wichtig gewesen, „lebendig“ zu sein. Sich vor Augen zu führen, dass sie eigenen Tage gezählt sind, solle dazu ermuntern, im hier und jetzt zu leben, so der Erzabt. Außerdem soll das Bewusstmachen des eigenen Todes erinnern „dass ich aus der Hoffnung lebe, dass mein Ende ein neuer Anfang ist“. Christen wie der heilige Benedikt glauben an die Auferstehung nach dem Tod, wie es durch Jesus Christus überliefert wurde. 

Motivation für das Leben

Ich selbst habe die „Todesnachrichten“ nie als bedrückend empfunden. Trotzdem habe ich mich durch sie verändert. Ich habe einen anderen Blick auf viele Situationen bekommen. Zum Beispiel kam die Nachricht, als ich mich gerade sehr über eine Situation in der Arbeit geärgert hatte. Während ich mich noch aufregte, las ich sie und dachte mir: „Ist es wert, Zeit mit so schlechten Gedanken zu verschwenden?“. „Nein“ war meine Antwort. Mit der Konsequenz, dass ich der Situation danach viel gelassener gegenübertreten konnte. Auch wenn der Ärger noch da war – meine Haltung war nun eine andere.

Gleichzeitig spornten mich die Nachrichten an, Dinge anzupacken und nicht auf die lange Bank zu schieben. Freunde, bei denen ich mich lange nicht gemeldet hatte, rief ich an. Aber ich habe auch Verabredungen abgesagt, wenn ich merkte, dass es eigentlich nicht das ist, was ich wollte. Die App hat mir vor Augen geführt, wie kostbar das Leben ist und dass ich es nicht verschwenden möchte.

Aschermittwoch eine Mahnung ans Leben

Was ist mir wichtig im Leben? Diese Frage habe ich mir während der Nutzung der App gestellt und letztlich ist es auch die Frage, die zum Aschermittwoch dazugehört. Mit dem Beginn der Fastenzeit machen sich Christen ihrer eigenen Vergänglichkeit bewusst. So heißt es während des Auftragens des Aschekreuzes: „Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst. Kehr um und glaub an das Evangelium!“ Für Erzabt Öxler ist es eine Mahnung: „Wenn dein Leben endlich ist, dann glaube an die Auferstehung, kehre um, gehe dem Reinigungsprozess entgegen und mach, was Dich lebendig macht“. Ein guter Vorsatz für die diesjährige Fastenzeit. Auch ohne App. 

Die Autorin
Katharina Sichla
Teamleiterin mk online
k.sichla@michaelsbund.de