Meinung
Kardinal Marx verzichtet auf Vorsitz

Verlust für die Bischofskonferenz, Gewinn für München und Freising

Wenn die Deutsche Bischofskonferenz einen neuen Vorsitzenden wählt, muss sie mit Kardinal Marx ein rhetorisches Schwergewicht ersetzen. Daraus ergeben sich für den Münchner Erzbischof auch Vorteile.

Kirchenmann mit großer Rednergabe: Kardinal Marx hier beim Aschermittwoch der Künstler © Kiderle

Am Aschermittwoch der Künstler war es im Münchner Dom wieder deutlich zu bemerken. Kaum einem Bischof in Deutschland gelingt es wohl mit so großer rhetorischer Brillanz die unterschiedlichsten Menschen anzusprechen, ihre Aufmerksamkeit zu finden, wie Kardinal Reinhard Marx. Sechs Jahre lang hat er seine Rednergabe in den Dienst der Deutschen Bischofskonferenz gestellt. Als Vorsitzender hat er die katholische Kirche nach außen repräsentiert, sich nicht gedrückt, wenn gegenüber den Medien unangenehme Fragen zu beantworten waren. Bei der jetzigen Frühjahrsvollversammlung tritt er nun nicht mehr zur Wiederwahl an.

Freier reden und positionieren

Viele deutsche Katholiken werden den Münchner Erzbischof vermissen, wenn in den Abendnachrichten wieder einmal heikle oder auch nur komplizierte Kirchenangelegenheiten zu erklären sind. Daran muss sich sein Nachfolger messen lassen. Für Kardinal Marx ist der Rückzug vom Vorsitz der Deutschen Bischofskonferenz jedoch in mehrfacher Hinsicht eine Entlastung. Zum einen liegt es nun nicht mehr in seiner Verantwortung, verschiedene Meinungen in der Vollversammlung zusammen zu führen. Salopp gesagt, muss er den ganzen Laden nicht mehr zusammenhalten.
Er wird dadurch freier, eigene Ansichten deutlicher zu formulieren und voranzubringen. Ein Beispiel dafür ist der Synodale Weg, den Kardinal Marx behutsam und umsichtig in die erste Etappe gebracht hat. Auch wenn er nicht mehr Vorsitzender der Bischofskonferenz ist, wird dort sein Wort Gewicht haben und er kann Auseinandersetzungen klarer führen, gerade weil er nicht mehr für die Gesamtheit der deutschen Oberhirten sprechen muss.

Zeitgewinn für das Erzbistum

Zum andern fallen ganz einfach viele Termine weg, die er bisher als Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz wahrzunehmen hatte. Kardinal Marx gewinnt Zeit und die kann er für sein eigenes Erzbistum nun nutzen, auch wenn er weiterhin in Rom als Berater für Papst Franziskus aktiv bleibt. Wie in allen deutschen Diözesen werden auch in München und Freising die Weichen gestellt, wie die Zukunft der katholischen Kirche in einer Region aussehen wird. Ein neuer Personalplan muss auffangen, dass fast ein Drittel der Stellen wegfallen, weil es schlicht an Bewerbern und in Zukunft wahrscheinlich auch an Finanzmitteln mangelt. Die Erzdiözese erprobt neue Leitungsmodelle mit Ehrenamtlichen, um in der Fläche sichtbar und greifbar zu bleiben. Es organisiert mit einer gerade eingeführten Amtschefin und einer veränderten Rolle des Generalvikars seine Verwaltungsspitze neu.

Weniger Aufgaben intensiv bearbeiten

Und dann ist da immer noch der Missbrauchsskandal, dem sich Kardinal Marx so entschlossen wie kaum ein anderer Spitzenmann der kirchlichen Hierarchie nach wie vor stellt. Er hat damit in Deutschland, ja sogar in der Weltkirche einen neuen Umgang mit diesem furchtbaren Thema mit angestoßen. Auch im Erzbistum München und Freising ist dieser Missbrauchsskandal noch nicht endgültig aufgearbeitet.  All das wird den Erzbischof in den nächsten Jahren fordern.
Es ist gut, wenn er das tun kann, ohne die Last des Vorsitzenden der Bischofskonferenz tragen zu müssen.  Der Kardinal muss sich zwar weniger Aufgaben widmen, aber wer ihn kennt weiß, dass das er nun umso intensiver tun wird. Davon kann das Erzbistum München und Freising nur profitieren.  

Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de

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Beitrag im Münchner Kirchenradio