Religiöser Buchtipp

Untrennbarer Zusammenhang von Glaube und Freiheit

Der Begriff "Freiheit" ist für viele Menschen nicht mit Religion vereinbar. Doch für Kardinal Marx gehört "Freiheit" zu den Kernbotschaften des Christentums. Sehen Sie die Videorezension zum Religiösen Buch des Monats Juli.

Alois Bierl präsentiert das Religiöse Buch des Monats Juli. © SMB/Siemens

Freiheit ist für den modernen Menschen ein hohes Gut - das haben nicht erst die Proteste gegen die durch die Corona-Pandemie verursachten Einschränkungen an den Tag gebracht. Der Bedeutungsverlust der Religionen in der pluralen Gesellschaft ist deshalb nicht zuletzt auch dadurch bedingt, dass Freiheit und Religion von vielen Menschen heute geradezu als Gegensätze betrachtet werden.

Der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx sieht das jedoch ganz anders, wie schon sein Wahlspruch als Bischof zeigt: "Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit" (2 Kor 3,17). Sein neues Buch widmet er nun genau diesem Thema, das gewissermaßen zu seinem Lebensthema geworden ist.

Langer Lernprozess

So sehr er selbst auch der Überzeugung ist, dass Glaube und Freiheit im Grunde untrennbar zusammengehören, räumt Kardinal Marx doch freimütig ein, dass es auch innerhalb der Kirche eines langen Lernprozesses bedurfte und auch weiterhin noch bedarf, dies auch zu verstehen und anzuerkennen. Das ist im Blick auf die Geschichte der Kirche wirklich zu bedauern, doch gehört es eben zur Freiheit wie zum Glauben auch dazu, dass es sich um einen Weg handelt, um eine fortdauernde Aufgabe.

In wegweisender Form ist das bereits in der Bibel dargestellt, wo der mühsame, lange und immer wieder durch Rückschläge geprägte Weg des Volkes Israel aus der Knechtschaft in das von Gott verheißene Land geschildert wird. Und auch die Christen, obwohl von Christus "zur Freiheit befreit" (Gal 5,1), sind natürlich mitnichten immer auf einem geradlinigen und reibungslosen Weg unterwegs.

Erlösungstat als Freiheitsgeschehen

Auch theologisch-systematische Überlegungen erweisen nach Kardinal Marx einen unabdingbaren Zusammenhang von Glaube und Freiheit. Zum einen folgt die Freiheit des Menschen alleine schon aus seiner Gottebenbildlichkeit: der freie Mensch als Bild des freien Schöpfergottes. Und zum anderen ist auch die Menschwerdung Gottes, seine Erlösungstat am Menschen nur als ein Freiheitsgeschehen vorstellbar.

Wenn Gott Liebe ist, kann doch die Entscheidung des Menschen, diese Liebe anzunehmen und zu erwidern, nur in Freiheit erfolgen, ein bloßer Gehorsam aus Furcht vor Bestrafung ginge dagegen völlig am Eigentlichen vorbei. "Das Verhältnis zu Gott ist kein wechselseitiges Geschäftsverhältnis des do ut des, sondern es ist ein Verhältnis der Liebe, die frei ist und frei macht" (160).

Echter Glaube setzt also Freiheit voraus, wie umgekehrt der Glaube die Freiheit nicht beschränkt, sondern sie im Gegenteil über den Tod hinaus in die Ewigkeit weitet. Allerdings muss man auch festhalten, dass Freiheit nicht mit Beliebigkeit und völliger Ungebundenheit gleichzusetzen ist. Im Gegenteil: durch Freiheit entsteht Bindung, die Übernahme von Verantwortung, "die Freiheit findet ihren Zielpunkt in der Liebe" (24).

Christ sein und für die Freiheit eintreten

Und schließlich darf Freiheit nicht dazu missbraucht werden, die Freiheit anderer zu unterdrücken oder die Schöpfung auszubeuten. Gut das letzte Drittel des Buches widmet sich dann der Frage, wie das dem Glauben notwendigerweise innewohnende Streben nach Freiheit in der Kirche, aber auch (durch die Kirche) in der Gesellschaft ganz konkret umzusetzen sein müsste bzw. könnte. "Für mich geht es im Einsatz um die Freiheit für alle Menschen nicht zuerst um ein politisches Engagement, sondern um eine geistliche Erfahrung, um ein Eintreten in die Bewegung Gottes selbst, wie sie uns im Weg Jesu von Nazareth aufleuchtet ... Christ sein und für die Freiheit eintreten, das gehört zusammen" (153).

Hier kommen zum einen die innerkirchlichen Reformdebatten, die zum Synodalen Weg geführt haben, zur Sprache, aber ebenso die großen Menschheitsprobleme wie Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit und bioethische Fragen. Natürlich ist an dieser Stelle die Unsicherheit, wie der Weg weiterzugehen hat, noch groß und vieles auch umstritten, sowohl in der Kirche wie in Politik und Gesellschaft. Entscheidend ist es aber für Kardinal Marx, dass man an dem bleibenden Auftrag zur Freiheit festhält. Und dazu können gerade die prinzipiellen Ausführungen im ersten Teil seines Buches eine wertvolle Ermutigung sein.

Religion und Glaube

Die beiden katholischen Büchereiverbände in Deutschland, der Sankt Michaelsbund und der Borromäusverein, haben das Buch zum "Religiösen Buch des Monats Juli 2020" gewählt. Seit dem Jahr 2000 zeichnen die beiden Verbände jeden Monat ein Buch aus. Das Anliegen der Auszeichnung ist es, Bücher zum Thema Religion und Glauben in ihrer Bandbreite bekannter zu machen. Dazu wählen die Lektorate monatlich ein Buch aus, das aus Sicht des christlichen Glaubens ein grundlegendes Thema aufgreift wie Orientierung und Sinn im Leben, Gemeinschaft, gesellschaftliche Verantwortung. Diese Bücher geben Rat in verschiedenen Lebenssituationen, greifen Lebensschicksale auf, regen an, das Leben und den Jahreskreis bewusst zu gestalten oder tragen zu gesellschaftlichen und kirchlichen Debatten bei. Die Bücher erreichen so Menschen, die sich Fragen der Gesellschaft und den eigenen biografischen Herausforderungen bewusst stellen wollen und diese Fragen im Licht des religiösen Glaubens reflektieren und vertiefen.

Buchtipp

Freiheit

Der Begriff "Freiheit" ist für viele Menschen nicht mit Religion vereinbar. Doch für Kardinal Marx gehört "Freiheit" zu den Kernbotschaften des Christentums. Wer frei ist, kann sich einbringen, wer frei ist, kann handeln, wer frei ist, kann sich binden und lieben, wer frei ist, kann sich frei entscheiden. Mit seinem sehr persönlichen Buch möchte Kardinal Marx Mut machen, sich frei, ohne Angst und im Vertrauen auf die christlichen Werte einzumischen und die Veränderungen in unserer Gesellschaft mitzugestalten.

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