mk online: Das Symposium wird als Veranstaltung „im Kontext“ der Sicherheitskonferenz angekündigt. In welchem Verhältnis steht das Symposium zur Sicherheitskonferenz?
Professor Markus Vogt: Side-Events zur Münchner Sicherheitskonferenz sind üblich und zahlreich. Aber meines Wissens ist es das erste Mal, dass dabei eine Veranstaltung zu den spezifisch theologisch-ethischen Aspekten stattfindet. Es geht darum, die Konturen christlicher Friedensethik angesichts der aktuell so dramatischen Herausforderungen der Sicherheit zu diskutieren. Ich bin überzeugt, dass der christliche Glaube im ökumenischen, interkulturellen und interdisziplinären Dialog wesentlich zur Überwindung von Feindschaften und Ideologien beitragen kann. Wir planen, zum Abschluss des Symposiums ein Memorandum zu formulieren, das dann auch den Teilnehmern der Sicherheitskonferenz zur Verfügung stehen wird.
Was erhoffen Sie sich von dem internationalen Tableau der teilnehmenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler?
Vogt: Es ist wichtig, dass wir die Erfahrungen der Menschen in der Ukraine hören, die nun schon fast zwei Jahre mit dem Mut der Verzweiflung der russischen Aggression standhalten. Es sind auch Dissidenten aus Russland dabei und wir wollen mit Kolleginnen und Kollegen aus den USA interkontinentale Perspektiven einbeziehen. Es geht bei der Tagung darum, Hintergründe des Krieges, der ein Teil des Kampfes um eine neue Weltordnung ist, im Gespräch zwischen Historikern, Sozialwissenschaftlern und Theologen besser zu verstehen.
Erwarten Sie auch Meinungsverschiedenheiten, womöglich sogar kontroverse Debatten? Welche Fragen bergen Konfliktpotenzial?
Vogt: Die Interpretation des seit gut 20 Jahren in der christlichen Friedensethik vorherrschenden Paradigmas des „gerechten Friedens“ ist durchaus umstritten: Hat es pazifistische Implikationen? Sind Waffenlieferungen an die Ukraine mit ihm vereinbar? Oder folgt aus ihm gerade die Pflicht, Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenrechte durch die Unterstützung der Opfer von Gewalt zu verteidigen? Was bedeutet das noch junge Leitbild des nachhaltigen Friedens, das wir in den Titel der Veranstaltung gestellt haben und das den Frieden programmatisch in seinen Zusammenhängen in den Blick nimmt – zum Beispiel zu Migration, Energiepolitik oder zur gezielten Zerstörung von Natur und Kultur als Teil der Kriegsführung? Kontrovers sind vor allem die unterschiedlichen Vorstellungen, wie der Krieg beendet werden kann, sowie welche Gefahren von einem internationalen Flächenbrand durch neue Bündnisse in Verbindung mit dem israelisch-palästinensischen Krieg ausgehen. Strittig ist auch die Einschätzung, wie hoch die Gefahr des Einsatzes von Nuklearwaffen tatsächlich ist und was man dagegen tun kann.
Kardinal Reinhard Marx und Bischof Bohdan Dzyurakh werden das Symposium mit einem Gebet eröffnen, Marx ist auch als Redner vorgesehen. Wie kam es zu der Entscheidung, dass man von wissenschaftlicher Seite nicht unter sich bleiben will, sondern Kirchenvertreter dazuholt?
Vogt: Das Gebet zu Beginn der Tagung ist Ausdruck der christlichen Theologie, die den Frieden nicht als machbares „Produkt“ versteht, sondern letztlich als Geschenk Gottes. Wir wollen unsere Debatten unter den Segen Gottes stellen und unsere Hoffnung auf Auswege aus den Spiralen der Gewalt auf ihn richten. Das Gebet ist dabei keine Alternative zu rationaler Wissenschaft und zum politischen Handeln, sondern eine komplementäre Ergänzung: In der Hoffnung auf Gott können wir Resignation überwinden und rational, besonnen und solidarisch handeln.