Symposium zu Ukrainekrieg

Nachdenken für einen nachhaltigen Frieden in Europa

Rund 40 Professorinnen und Professoren, Vertreter verschiedener Institutionen und Diplomaten sind vor der Münchner Sicherheitskonferenz zusammengekommen, um sich in einem Symposium über die "Herausforderungen des russischen Krieges gegen die Ukraine und die ethischen Grundsätze eines nachhaltigen Friedens in Europa" auszutauschen.

Gedenken an einen Drohnenangriff in der ostukrainischen Stadt Charkiw © imago/SOPA Images

Der Pädagoge Myroslav Marynovych schärfte gleich zu Beginn den Blick auf die christliche Friedenslehre. Der heutige Vizerektor der Ukrainischen Katholischen Universität in Lwiw (UCU) war als junger Mann wegen seiner Kritik an der Sowjetunion zu sieben Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden. Die heutige russische Aggression ist aus seiner Sicht auch das Ergebnis ungesühnter staatlicher Verbrechen in den vergangenen Jahrzehnten: „Sie waren die Saat für den jetzigen Krieg.“

Jetzt aus vermeintlich christlicher Versöhnungsbereitschaft eine schnelle Versöhnung mit dem Angreifer zu verlangen, das begangene Unrecht zu vergessen, wäre lediglich die Saat für einen weiteren Krieg. Klare Worte und entschiedene Kritik sind für Marynovych zentrale Momente einer christlichen Friedensethik, die sich aus den Evangelien ableiten lasse. Jesus habe in Konflikten oft harsche Worte gewählt, die jedoch „geheilt und Sünde getilgt“ hätten.

"Imperialistische Traditionslinie" Russlands

Dass Russland schwere geschichtliche Lasten mit sich schleppt, unterstrich der Historiker Martin Schulze Wessel, der Osteuropa-Geschichte an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) lehrt. Russland habe eine imperialistische Traditionslinie, die bis zu Peter dem Großen zurückreiche. Annexionen seien insbesondere dadurch gerechtfertigt worden, dass Russland eine Mission habe, die slawischen Völker zu vereinen und als überlegene Nation anzuführen. Diese Linie ziehe sich durch die unterschiedlichsten politischen Systeme, egal ob ein Zar, Stalin oder eben Putin an der Macht sei. Dagegen hätten sich in Russland immer wieder kritische Stimmen erhoben, die aber meistens eine staatliche Unterdrückung erfuhren. Die geschichtliche Aufarbeitung könne jedoch nur durch die russische Gesellschaft selbst geleistet werden: „Und die kann sich wahrscheinlich erst dann wieder melden, wenn Russland den Krieg verliert und das Putin-Regime massiv geschwächt ist“, so Schulze Wessel gegenüber der Münchner Kirchenzeitung.

Fast zwei Tage lang debattierte das internationale Symposium diese philosophischen, theologischen und historischen Ausgangsthesen. Kontroverse Diskussionen entstanden vor allem bei der Klärung bestimmter Begriffe: ob der Überfall auf die Ukraine auch ein Genozid, also ein Völkermord sei, oder ob nur von einem Krieg Putins oder nicht doch von einem Krieg der gesamten russischen Nation zu sprechen sei. Daran war zu spüren, dass die Teilnehmer aus unterschiedlichen Ländern Ost- und Westeuropas und sogar aus den USA kamen. Eingeladen hatten die LMU, deren theologische und historische Fakultäten eine enge Partnerschaft mit der UCU pflegen, und die US-amerikanische Notre-Dame-Universität in Indiana.

Theologen für Aufnahme der Ukraine in NATO

Dennoch richtete die Konferenz eine einmütige Erklärung an die Münchner Sicherheitskonferenz, unter anderem mit der Forderung, die Ukraine in die NATO aufzunehmen. Dass sich insbesondere Theologen für einen solchen Schritt aussprechen, erscheint Clemens Sedmak von der Notre-Dame-Universität folgerichtig. „Ein nicht auf Angriff ausgerichtetes Militärbündnis ist durchaus mit Ideen etwa der katholischen Soziallehre vereinbar: Gemeinwohl, Solidarität, Einsatz für den Frieden und die Freiheit des Menschen.“ Zudem sieht Sedmak einen wichtigen wissenschaftlichen Auftrag, sich mit Theologien auseinanderzusetzen, „die den Krieg rechtfertigen und sogar als Ausdruck des Willens Gottes oder als Evangelisierungsinstrument sehen, wie das Teile der russisch-orthodoxen Kirche tun“.

Keine Einladung für russisch-orthodoxe Kirchenvertreter

Vertreter dieser Kirche waren zum Symposium nicht eingeladen. „Russische Propaganda zu integrieren, hätte uns nicht geholfen“, erklärte der Münchner Theologe Markus Vogt, der die Konferenz organisiert hatte und vom katholischen Osteuropahilfswerk Renovabis unterstützt wurde. Unabhängige Stimmen aus Russland würden unterdrückt, schon die Anfrage und eine Ausreise wären für sie gefährlich gewesen. Um solche Stimmen zu ermutigen, seien Treffen wie das Münchner Symposium wichtig: „Denn Kriege sind heute hybride Kriege, die auch eine geistige Auseinandersetzung um Werte sind.“ Gerade deshalb sei es so wichtig, die schwierige Frage nach einer konfliktfähigen Friedensethik an die Akademien und Universitäten zu bringen, so der Sozialwissenschaftler Volodymyr Turchynovskyy von der UCU: „Denn das ist der Platz, an dem wir junge Menschen ausbilden und an dem sich eine andere Politik und neue Ideen entwickeln.“