mk-online: Worin besteht Ihre Tätigkeit als Militärseelsorger an der Universität der Bundeswehr München hauptsächlich?
Michael Gmelch: Das ist einerseits die engere religiöse Tätigkeit, andererseits die Beratung. Zur religiösen Tätigkeit gehören natürlich Gottesdienste, es gibt aber auch Taufen und Hochzeiten. Sogar eine Konversion steht gerade an, da möchte ein Soldat mit syrisch-orthodoxer Herkunft römisch-katholisch werden. Bei einem Todesfall werde ich oft darum gebeten, eine Andacht zu halten. Und demnächst gibt es zum Valentinstag einen Gottesdienst für die Liebenden. Also all das, was „religiöse Grundversorgung“ anbelangt. Ich erteile den Studenten auch einen Prüfungssegen – da ist die Kirche voll!
Und die Beratung?
Gmelch: Viele Soldaten konsultieren mich mit Beziehungsproblemen, beruflichen Schwierigkeiten oder Gewissensfragen. Ich bin aber auch Heilpraktiker für Psychotherapie und Fachtherapeut für Traumapsychotherapie und behandle Personen teilweise über Monate hinweg, die ein traumatisierendes Erlebnis hatten. Zudem bin ich auch als Dozent tätig, etwa zum Thema Interreligiöse Kompetenz, verbunden mit Exkursionen ins Ausland.
Nehmen Soldatinnen die Militärseelsorge aus anderen Gründen oder in anderem Ausmaß in Anspruch als ihre männlichen Kameraden?
Gmelch: Das kann ich aus meiner Erfahrung nicht bestätigen. Es geht immer um die gleichen Themen: um Familie, Beziehung, Standort, Enttäuschungen, Lebensfragen. Viele erleben sich selbst bei der Armee zum ersten Mal weit weg von zu Hause, müssen sich erst mal über sich selbst klar werden. Das ist bei Frauen und Männern gleich.
Erreichen Sie mit Ihrer Arbeit auch kirchenferne oder sogar bekenntnislose Soldatinnen und Soldaten?
Gmelch: Etwa die Hälfte derjenigen, die unsere Angebote nutzen, ist nicht im engeren Sinn religiös. Vielen gefällt, dass bei uns eine andere Atmosphäre herrscht als sonst im militärischen oder universitären Umfeld. Hier haben sie einen Freiraum, den sie genießen. Ich glaube, das ist unsere Chance, mit jungen Leuten ins Gespräch zu kommen und ihnen eine positive Erfahrung von Kirche zu vermitteln. Wir haben da viel zu tun und müssen oft erst mal Klischees widerlegen...