Krisenintervention

Notfallseelsorger Jablowsky: „Vor Ort bin ich erstmal einfach da“

Unfälle, Katastrophen oder plötzliche Todesfälle: Wenn Menschen in Krisensituationen geraten, dann ist Diakon Thomas Jablowsky im Einsatz. Der Leiter für die katholische Seite der ökumenischen Notfallseelsorge im Landkreis Rosenheim gewährt Einblicke in seine Arbeit und seinen Umgang mit belastenden Situationen.

Thomas Jablowsky ist als Diakon im Pfarrverband Brannenburg-Flintsbach auch für die allgemeine Seelsorge und die Mitwirkung in den Gottesdiensten zuständig © EOM

Notfallseelsorger wie Thomas Jablowsky bieten emotionale Unterstützung und seelsorgerische Hilfe in akuten Krisensituationen wie Unfällen, Katastrophen oder plötzlichen Todesfällen. Ihre Aufgaben umfassen das Zuhören, Trösten und Begleiten von Betroffenen, Angehörigen und Einsatzkräften. Sie bieten einen stabilen emotionalen Beistand, helfen bei der Verarbeitung von Schock und Trauer, und stehen als neutrale Vertrauenspersonen zur Verfügung, um Menschen in herausfordernden Situationen beizustehen.

Plötzliche Todesfälle und Suizide sind bei Jablowsky deutlich häufigere Einsatzfälle als der Verkehrsunfall, mit dem Laien die Notfallseelsorge oftmals in Verbindung bringen. Auf die Frage, wie er konkret bei Einsatzorten den unverletzt Beteiligten helfen kann, erklärt er: „Vor Ort bin ich erstmal einfach da und habe Zeit für die Betroffenen. Alle anderen haben keine Zeit. Die Polizei muss die Todesursache recherchieren, der Rettungsdienst muss die Verletzten versorgen, die Feuerwehr muss das Gelände absperren, da bleibt keine Zeit für die Menschen, die da herumstehen und eigentlich 'nichts' haben." Natürlich haben auch die etwas, die auf den ersten Blick “nichts“ haben, nämlich eine große Betroffenheit und Sorge darum, wie es weiter geht, so Jablowsky.

Die Handlungsfähigkeit der Betroffenen muss wiederhergestellt werden

Seine Aufgabe sieht er als Berater, Anwalt, Vermittler und Aktivierer für die betroffenen Menschen in Ausnahmesituationen. Aktivierer meint in diesem Kontext, die Handlungsfähigkeit der Betroffenen wiederherzustellen. „Die Betroffenen sind mental ausgeschaltet, die können in einer belastenden Situation nicht mehr richtig denken. Da muss man den Menschen helfen, ihr Denken wieder in Gang zu bringen“, erklärt Jablowsky. Wie das gelinge, sei von Fall zu Fall anders.

Wenn er beispielsweise herausfinde, dass es dem Betroffenen wichtig wäre, seinen Hund zu streicheln, helfe er dabei, dass der Hund beikommt. Wenn der Betroffene joggen gehen will, biete Jablowsky ihm zumindest einen Spaziergang an. Doch nicht immer sei eine größere Aktion gefragt. „Mit den Betroffenen schweigen können, das gehört auch zu unserem Dienst“, betont er.

Verschiedene Organisationen bieten Notfallseelsorge an

Bereits seit 2015 engagiert sich Jablowsky als katholischer Notfallseelsorger im Landkreis Rosenheim. Damals wurde er zum Diakon geweiht und fand über den Leiter seines Diakonatskreises den Weg in die Notfallseelsorge. Neben seiner Tätigkeit als Diakon und als ökumenischer Leiter der Notfallseelsorge ist er auch einer der Leiter für Einsätze in Großschadenslagen der Psychosozialen Notfallversorgung (PSNV) in Rosenheim sowie einer der Fachberater der Führungsgruppe Katastrophenschutz (FüGK) des Landratsamtes und der Stadt Rosenheim.

Mit diesen Funktionen ist Jablowsky also in der Krisenintervention tätig. Im alltäglichen Sprachgebrauch bezeichnet "Krisenintervention" eine Vielzahl von Maßnahmen, die Menschen in unvorhergesehenen Notsituationen unterstützen. Fachlich werden diese als Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) oder neuerdings als Psychosoziale Akuthilfe (PSAH) bezeichnet. Verschiedene Organisationen, darunter der Arbeitersamariterbund, das Bayerische Rote Kreuz, die Johanniter Unfallhilfe, die Malteser, private Träger sowie die beiden großen Kirchen, bieten diesen Dienst an, ohne von öffentlicher Seite finanziert zu werden. Die Koordination dieser Maßnahmen erfolgt auf Landesebene durch die Zentralstelle PSNV in Geretsried, im Auftrag des Bayerischen Innenministeriums.

Glaube, Supervision und Professionalität wichtig für mentale Verarbeitung

Wenn der Diakon als Vertreter der katholischen Kirche bei den Betroffenen zunächst Ablehnung erfährt, entgegne er ihnen: „Ich bin erstmal als Mensch hier, nicht als Kirche.“ Was einen guten Notfallseelsorger ausmacht, skizziert der Geistliche folgendermaßen: „Man braucht Flexibilität, Improvisationstalent und eine richtig dicke Haut." Letztere sei wichtig, um die deutlichen Ansagen von Einsatzkräften in den Ausnahmesituationen nicht persönlich zu nehmen. Außerdem hält er eine solide Grundlagenausbildung für entscheidend.

Um die vielen belastenden Erlebnisse zu verarbeiten, stellt Jablowksy drei Punkte heraus. Erstens: Sein Glaube: „Da zu sein für andere, als Diakon den dienenden Christus zu repräsentieren.“ Zweitens: Supervision, die man im Ernstfall im Anspruch nehmen muss. Wie damals, als er zu einem plötzlichen Kindestot gerufen wurde und dort erstmals ein totes Baby im Arm hielt: „Das war richtig hart, aber da hat mir die Supervision herausgeholfen.“ Und drittens: Professionalität. Dazu gehöre, „eine professionelle Distanz zu wahren, und sich daran zu erinnern, dass man selbst nicht Betroffener ist.“ Außerdem sei ein guter Ausgleich entscheidend. So habe Jablowsky jüngst beschlossen, in der Pfarreiarbeit keine Beerdigungen mehr zu begleiten, um nicht noch ein weiteres Arbeitsfeld mit Leid, Tod und Trauer zu haben.

Der Autor
Wanja Ebelsheiser
Volontär beim Sankt Michaelsbund
w.ebelsheiser@michaelsbund.de