Zwischen Kloster und Klinikum

Mönch in der Intensivpflege

Früher hat er in einem Krankenhaus gearbeitet. Das ist lange her. Doch in den vergangenen Monaten ist Pater Wolfgang wieder auf Station gegangen.

Pater Wolfgang im Klinikdienst statt im Kloster. © privat

Scheyern/Pfaffenhofen -  Vor kurzem fragte ihn eine neue Kollegin, was er denn sonst noch so macht. Im Krankenhaus sei er ja nur in Teilzeit. „Ich bin Mönch“, antwortete Wolfgang Hubert und amüsiert sich noch jetzt über das verblüffte Gesicht der Krankenschwester. Seit rund vier Monaten arbeitet der Benediktiner im Kreiskrankenhaus Pfaffenhofen an der Ilm. Die Geschäftsführung hatte ihn gleich zu Beginn der Corona-Krise gebeten, wieder in seinen alten Beruf als Intensivpfleger einzusteigen. Es fehlt an Personal im Gesundheitswesen, Pater Wolfgang war und ist gefragt, obwohl er zuletzt vor 32 Jahren in der Branche gearbeitet hat. In Halle in der ehemaligen DDR. Dort haben ihn Ordensschwestern und Ärzte in einem der wenigen katholischen Krankenhäuser ausgebildet.

Oft Überstunden

Offenbar ganz gut, denn er hat sich schnell wieder zwischen den Beatmungsmaschinen, Spritzen und Tabletten zurechtgefunden. „Obwohl es damals in der DDR einige Medikamente und Geräte nicht gab, die im Westen bereits auf dem Markt waren.“ In der Klinikroutine ist er dank der vielen hilfsbereiten Kollegen schnell wieder angekommen „und ganz doof habe ich mich auch nicht angestellt.“ Er erledigt die Vorarbeiten für die behandelnden Ärzte, nimmt also Blut ab, erfasst die Vorgeschichten von Patienten und schreibt EKGs.

20 Stunden in der Woche, so war das mit seinem Abt vereinbart, aber immer wieder werden es deutlich mehr – auch die Pfaffenhofener Klinik leidet an Personalmangel. Pater Wolfgang schätzt, dass er bisher nur mit etwa einem Dutzend Coronapatienten zu tun hatte, die nach 48 Stunden auf die Infektionsstation verlegt wurden. Dann musste er  FFP2-Maske, Schutzkittel, Haube, Gummihandschuhen und Visier anlegen. Todesfälle durch Covid-19 hat er nicht erlebt, aber „die Intensivstation ist ein Ort, an dem auch gestorben wird.“ Dann ist er immer wieder plötzlich als Geistlicher gefragt und macht schnell sich in Klinikkluft auf den Weg zu einem Versehgang, der nur ein paar Meter weit ist. 

Versehgang in Klinikkluft

„Die Kollegen sind wach und sensibel und wissen, dass viele Patienten und gerade Angehörige in den letzten Stunden oder Momenten sich einen Seelsorger wünschen.“ Natürlich sorgt es am Sterbebett für Überraschung, wenn der mit dem Piepser herbeigerufene Priester auch Pfleger ist. „Es waren aber immer gute Begegnungen und die Menschen sehr offen, auch wenn sie mit der Kirche nicht viel am Hut haben.“ Manchmal hat ihm die   grüne Klinikkluft die Seelsorge sogar erleichtert: „Vielleicht weil ich in dem Moment nicht der Pfarrer bin, den man sich so vorstellt.“

Sonst ist der 55jährige ein ganz normaler Kollege im Klinikalltag, der in den vergangenen Monaten von der Pandemie geprägt war. Die hat Gott sei Dank nicht so schlimm zu geschlagen, wie es Pater Wolfgang zu Beginn befürchtete: „Dass wir so niedrige Zahlen hatten, das spricht für unsere Medizin und für eine großartige Disziplin auch in der Bevölkerung“, erklärt er am Telefon, „ich glaube auch, wie unsere Politiker das gemanagt haben, das war einfach hervorragend.“

Spirituelle Momente in der Krise

Mit Sorge sieht er allerdings, dass viele Menschen Schutzmaßnahmen und Abstandsgebote nicht mehr so ernst nehmen. Ihm steckt jedenfalls noch in den Knochen, „wie schnell Corona alles über den Haufen geworfen hat und uns das sofort wieder passieren kann.“ Aber der 55jährige nimmt auch spirituelle Momente aus der Krise mit und die reichen tief: „Ich habe die Erfahrung gesammelt, dass Gott auch dort ist, wo man nicht ausdrücklich von ihm spricht.“ Dabei hat er seine Kollegen vor Augen, „die sich überhaupt nicht als christlich bezeichnen würden, aber die Art, wie sie mit den Menschen umgehen ist es“. Pater Wolfgangs theologischer Gesichtswinkel ist auf jeden Fall weiter geworden. „Wir Christen haben den Geist Gottes nicht gepachtet und wenn er nicht hier bei meinen oft kirchenfernen Kolleginnen und Kollegen ist, dann weiß ich auch nicht wo er sein soll“. Darum ist die harte Arbeit in der Klinik sogar ein bereicherndes Geschenk für den Benediktiner aus der Abtei Scheyern.

Zweiter Habit

Auch wenn Schichtdienst und Stundengebet nicht zusammengehen, ihm die Gemeinschaft und der unaufgeregte Klosteralltag fehlen. Ebenso die gemeinsamen Mahlzeiten mit den Mitbrüdern „denn da ist ja der Gedanke dabei, dass sich die Liturgie in der Gemeinschaft am Tisch fortsetzt.“ Und es rührt ihn, wenn der Abt und die anderen Mönche in seinem Kloster das traditionelle Grillen an Festtagen so legen, dass er mit dabei kann.

Ende Juli endet nun sein Dienst in der Klinik. Die Coronaaufnahmestation wird an die normale Notaufnahme des Krankenhauses angegliedert und es ist kein zusätzliches Personal mehr nötig. Pater Wolfgang freut sich darauf, wenn er dann seine Aufgaben im Kloster wieder voll übernehmen und im Rhythmus der Gebetszeiten leben kann. Trotzdem wird es ihm schwer allen, den grünen Klinikkittel wieder an den Nagel zu hängen. Ein bisschen ist er ihm doch zum zweien Habit geworden: „Ich stehe bereit, wenn es wieder nötig werden sollte, was natürlich niemand hofft, aber auch niemand ausschließen kann.“

Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de