Bewährte Heilmethode

Mit Wasser das Immunsystem beleben

Bis heute nehmen viele Menschen Kneipp-Kuren in Anspruch. Doch wie sind diese eigentlich entstanden - und was hat es mit der Heilkraft des Wassers auf sich?

Kürzlich stellte der Kurort Bad Wörishofen einen Guinnes-Weltrekord im Wassertreten auf. © stock.adobe.com - mmphoto

Als Sebastian Kneipp sein Theologiestudium beginnt, verschlechtert sich sein Gesundheitszustand drastisch: Seit einiger Zeit leidet er an einer Lungentuberkulose, einer damals unheilbaren Krankheit. Die Ärzte haben ihn schon aufgegeben, doch Kneipp fällt ein Buch des Naturheilkundlers Dr. Johann Siegmund Hahn in die Hände: „Unterricht von Kraft und Wirkung des frischen Wassers in die Leiber der Menschen insbesondere der Kranken“. Inspiriert von der Lektüre nimmt Kneipp Tauchbäder in der Donau und heilt sich dadurch selbst. Als er zum Priester geweiht und Pfarrer in Bad Wörishofen wird, suchen die Gläubigen nicht nur seinen Rat als Seelsorger. Sie erhoffen sich auch Heilung, schließlich hat sich die Genesung des Pfarrers dank der Heilkraft des Wassers herumgesprochen.

Obwohl Kneipp kein Arzt ist, entwickelt er eine ganzheitliche Therapieform, die auf fünf Lehren basiert: Die bekannteste Säule ist sicherlich das Wasser, mit dem er viele verschiedene Anwendungen anbietet, zum Beispiel Wechselbäder: Zunächst taucht man Arme oder Beine für ein paar Minuten in warmes Wasser, dann für wenige Sekunden in kaltes Wasser, um dann wieder warmes Wasser zu verwenden. Mit kaltem Wasser hört man auf. Warmes Wasser erweitert die Blutgefäße, kaltes Wasser zieht sie zusammen.

Brachialer „Kurarzt“

„Frühstücken wie ein Kaiser, Mittagessen wie ein Bürger, Abendessen wie ein Bettelmann“ – mit diesem Ausspruch lässt sich Kneipps Vorstellung von einer gesunden Ernährung umreißen. Nicht hochraffiniert, sondern Basislebensmittel, nicht zu viel Fleisch, sondern vor allem Suppen sollen verzehrt werden, schließlich fehlen gerade älteren Menschen Flüssigkeit und Salz. Mit Badezusätzen, Heil- und Sitzbädern oder Kräutertees sollen die Menschen genauso gestärkt werden wie mit Bewegung in der Natur: Obwohl er kein Mediziner war, galt Kneipp als brachialer „Kurarzt“, der seinen Patienten empfahl, Holz zu hacken. Außerdem befreite er die Frauen aus dem Korsett und zu engen Schuhen. Seine Ordnungslehre befasste sich mit der Psyche: Kneipp arbeitete nicht nur an, sondern vor allem mit den Patienten und verschaffte sich in Gesprächen Zugang zu deren Seele. Es ging ihm darum, „den ganzen Menschen“ zu betrachten und sich nicht nur auf körperliche Symptome zu beschränken.

Bis heute nehmen viele Menschen Kneipp-Kuren in Anspruch, vor allem in Bad Wörishofen, wo Pfarrer Kneipp gelebt und gewirkt hat. Seit 35 Jahren ist Dr. Peter Schneiderbanger dort niedergelassener Allgemeinmediziner. Der 68- Jährige ist Arzt in fünfter Generation, absolvierte vor seinem Studium die Kneipp-Bademeisterausbildung und bildete sich später im Bereich Naturheilkunde weiter. Seiner Meinung nach hat Kneipp nichts Neues erfunden, sondern vor allem Vorhandenes weiterentwickelt: Mit einfachsten Mitteln könne man schon viel bewirken, außerdem ließen sich Wechselbäder bequem zu Hause durchführen.

Pflichtleistung aller Krankenkassen

Schneiderbanger ist von der Wirkung der Kneipp-Kuren überzeugt, die übrigens eine Pflichtleistung aller Krankenkassen sind: Asthmatikern empfiehlt er zum Beispiel, mit Wechselanwendungen das Immunsystem zu stärken. Wer unter kalten Händen oder Füßen leide, könne ein Wechselfuß- oder -armbad nehmen. Ein Therapieerfolg hat sich für den Kurarzt dann eingestellt, wenn einem Patienten das Gehen leichter fällt, er weniger erschöpft ist oder Schlafstörungen nachgelassen haben. „Es ist wichtig, mit jedem individuell zu arbeiten. Schließlich reagieren manche Patienten besser auf Wärme, andere besser auf Kälte“, weiß Schneiderbanger.

Die Anwendungen unterhalb der Gürtellinie seien beruhigend und blutdrucksenkend, jene über der Gürtellinie anregend und belebend. Immer gehe es darum, das Immunsystem zu stärken. So solle man im Winter vor allem mit warmem Wasser behandeln, im Sommer jedoch mit kaltem.

Weltrekord im Wassertreten

In einer Studie wurde untersucht, ob sich die Infektanfälligkeit mithilfe von Kneipp-Anwendungen verbessert. „Die eine Hälfte hat nichts gemacht, die andere hat sich über einen längeren Zeitraum kalt abgegossen. Diese Menschen waren deutlich seltener krank“, so der Kneipp-Arzt.

Kürzlich stellte Bad Wörishofen einen Guinness-Weltrekord im Wassertreten auf: Über 800 Menschen aller Altersstufen nahmen teil, obwohl „nur“ 250 nötig gewesen wären. An 13 Wasserbadestellen konnte man im Storchengang durchs knietiefe Becken gehen. Wenn man einen Schritt vorgetreten war, sollte man den Fuß wieder herausheben und nach kurzer Zeit wieder eintauchen, um die Durchblutung zu fördern. Außerdem gab es einen halbstündigen Vortrag, das war die Bedingung von Guinness. Dank solcher Aktionen sollen die Kneipp-Anwendungen noch bekannter werden.

Der Redakteur
Maximilian Lemli
Münchner Kirchenzeitung
m.lemli@michaelsbund.de