Karl August Graf von Reisach wurde am 6. Juli 1800 in Roth bei Nürnberg geboren. Nach einem Jurastudium trat er am 24. Oktober 1824 in das wiedereröffnete Collegium Germanicum in Rom ein. 1828 wurde er zum Priester geweiht und zum Doktor der Theologie promoviert, 1830 zum Rektor am Kolleg der Propaganda Fide (Collegio Urbano) ernannt.
Reisach stand beim Präfekten der Propagandakongregation, Kardinal Mauro Cappellari, der 1831 als Gregor XVI. den päpstlichen Stuhl bestieg, in hohem Ansehen. Im selben Jahr wurde er von diesem als Konsultor der Kongregation für die außerordentlichen kirchlichen Angelegenheiten berufen. So war er mit vielen Angelegenheiten dieser Kongregation befasst; vor allem die Verurteilung etlicher Reformschriften in Südwestdeutschland fiel in seine Amtsperiode; er arbeitete seine Gutachten in eine anonyme Schrift um, die unter dem Pseudonym Athanasius Sincerus Philalethes mit dem Titel „Was haben wir von den Reformatoren zu Offenburg, St. Gallen und anderen religiösen Stimmführern des katholischen Deutschlands unserer Tage zu halten?“ 1835 in Mainz erschien. Diese Schrift kann als Schlüssel der Theologie Reisachs bezeichnet werden: er verstand sich als Athanasius redivivus und Kämpfer gegen die Aufklärung.
Priesterbildung als geschlossenes System
Die Einmischung des Staates in die Klerusbildung empfand Reisach als Eingriff in das ureigene Recht der Kirche. König Ludwig I. versuchte Reisach in einer konservativen Phase seiner Politik für die Erneuerungsbewegung des bayerischen Katholizismus zu gewinnen. 1835 lehnte Reisach das Angebot auf den Eichstätter Bischofsstuhl noch ab. Als aber ein Jahr später derselbe Bischofsstuhl vakant war, nahm er an. Die Bischofsweihe erfolgte durch Papst Gregor XVI. am 17. Juli in der Basilika S. Maria Maggiore in Rom. Die Inthronisation in Eichstätt fand am 13. März 1837 statt.
Mit Reisach gelangte der erste Germaniker neuen Stils im 19. Jahrhundert auf einen deutschen Bischofsstuhl. Aufgrund seiner freundschaftlichen Beziehungen zu Innenminister Karl von Abel (1837-1847) gelang es dem neuen Eichstätter Bischof relativ mühelos, erstaunliche Breschen in das Staatskirchentum zu schlagen. Zu seinem zentralen Anliegen wurde die Neugestaltung der Priesterbildung als ein geschlossenes System. Im Frühjahr 1841 war Reisach auf Empfehlung Minister Abels gegen den Willen des Erzbischofs Lothar Anselm Freiherrn von Gebsattel dem Heiligen Stuhl als Koadjutor für den erzbischöflichen Stuhl von München und Freising nominiert worden. Sein Amtsantritt nach dem Tode Gebsattels erfolgte am 1. Oktober 1846, die Inthronisation in München am 25. Januar 1847.
Reisach als Gegner der Universitätstheologie
1848 traf sich in Würzburg erstmals die deutsche Bischofskonferenz. Zusammen mit Internuntius Carlo Sacconi lehnte Reisach zunächst eine Beteiligung an der Zusammenkunft ab, ließ sich aber dann doch dazu bewegen, als Beobachter der Kurie an dem Treffen teilzunehmen. Er berichtete laufend über die Vorgänge nach Rom. Für 1850 berief der Erzbischof die bayerische Bischofskonferenz nach Freising ein. Vor allem das Modell der Klerusbildung, das Reisach in Eichstätt eingeführt hatte, sollte nun normativ werden. Der Münchener Kirchenhistoriker Ignaz Döllinger, der als einer der theologischen Berater teilnahm, erhob dagegen vehement Einspruch. Seit dieser Zeit galt Döllinger als Gegner der „guten Richtung“ und wurde in Rom angeschwärzt. Reisach warf ihm vor, er plädiere für eine „Universitätsdiktatur“ der Theologieprofessoren, die sich der Aufsicht der Bischöfe entziehen wollten, und sein Generalvikar Windischmann sekundierte, dass die meisten deutschen Theologieprofessoren faktisch außerhalb der Kirche stünden.
Beobachter kirchenpolitischer Vorgänge in Deutschland
Reisach betrieb mit Vehemenz für die Erzdiözese München und Freising eine Klerusanstalt analog dem Eichstätter Muster. Seine Abberufung, die 1848 noch gescheitert war, war nun programmiert. Er wurde am 17. Dezember 1855 zum Kardinalspriester mit Sitz in Rom ernannt.
Die neue Stellung sicherte ihm einen noch größeren Wirkungskreis. Bereits 1856 wurde er in die Kongregation für die außerordentlichen kirchlichen Angelegenheiten und zugleich in die Kongregation des Index, zur Prüfung der Bischöfe, des Ritus und der Propaganda berufen. Wachsam begleitete er die aktuellen kirchenpolitischen Vorgänge in Deutschland. So erreichte er eine Verurteilung der Münchener Gelehrtenversammlung 1863, die unter Führung von Döllinger noch einmal eine Vermittlung zwischen der neuscholastischen Richtung Mainzer Provenienz und der historisch-kritischen Theologie in den Bereich des Möglichen gerückt hatte.