Anton von Steichele

Der Glaubenspfleger

Ein Schwabe wurde 1878 zum vierten Oberhirten des Erzbistums München und Freising. Anton von Steichele stieß aufgrund der rasch wachsenden Bevölkerung Münchens unter anderem den Bau dreier bekannter Kirchen im Stadtgebiet an.

Anton von Steichele © Wikipedia/Stadt Gottes, Sammelband, Jg. 1890, S. 156

München – "Vor allem lag ihm am Herzen Pflanzung und Pflege eines wahrhaft christlich religiösen Sinnes in Volk und Geistlichkeit", so urteilt der Kirchenhistoriker Alois Knöpfler, ein Zeitgenosse des Erzbischofs, über Anton von Steichele. Zu seinem Amtsantritt kam der gebürtige Mertinger 1878 in eine Stadt, die von einem schnellen Bevölkerungswachstum geprägt war. Allein von 1871 bis 1890 verdoppelte sich die Anzahl der Münchner auf insgesamt rund 350.000 Bewohner. Erzbischof Steichele beschloss deshalb die Errichtung von neuen Kirchen und Pfarreien in seiner Diözese. In der bayerischen Landeshauptstadt wurden auf seinen Anstoß hin die das Stadtbild noch heute prägenden Gotteshäuser St. Maximilian im Glockenbachviertel, St. Paul an der Theresienwiese und St. Benno in der Maxvorstadt errichtet.

Um das geistliche Leben zu fördern, ließ er ein Gesangs- und Gebetbuch für Kinder entwickeln und regelte die Feier der Firmung neu. Einmal im Jahr sollten die Pfarrer im Erzbistum "eindringlich" über das Sakrament der Ehe predigen, "um das Familienglück zu fördern und vergiftende Einflüsse der Leidenschaft möglichst fern zu halten", so schildert es Historiker Knöpfler. Ein Kirchen-Revoluzzer war Steichele demnach naturgemäß nicht.

Vergebliche Vermittlung

Dennoch bemühte er sich mit "liebevoller Pietät" viele Jahre um einen Abtrünnigen, seinen in Ungnade gefallenen Universitäts-Professor Ignaz von Döllinger. Der Theologe, der auch als Vordenker der Ökumene gilt, wurde von Steicheles Vorgänger, Erzbischof Gregor von Scherr, wegen seiner Kritik am päpstlichen Unfehlbarkeitsdogma exkommuniziert. Steichele versuchte während seiner Amtszeit viele Jahre vergeblich eine Annäherung zwischen Rom und seinem früheren Lehrer Döllinger herbeizuführen. Im sogenannten Kulturkampf zwischen deutschem Kaiserreich und katholischer Kirche nahm Steichele eine ausgleichende Rolle ein.

Die frühen Jahre Steicheles waren geprägt von seinem schnellen Aufstieg in das Augsburger Domkapitel - 1847 im Alter von 31 Jahren - und seinem wissenschaftlichen Tatendrang als Historiker. Nach dem Theologiestudium und der Priesterweihe nahm ihn der Augsburger Bischof Peter von Richarz unter seine Fittiche und machte ihn zum bischöflichen Archivar und Sekretär. Nach dem Tod des Bischofs habe er seinen Geist "noch mehr der Einsamkeit und ernstem Studium zugeführt". In dieser Zeit begann er sein eigenes Monumentalwerk "Das Bisthum Augsburg historisch und statistisch beschrieben". Bis zu seinem Tod konnte er aber nur ungefähr ein Drittel der geplanten Bände fertigstellen.

Ein Opfer der Kirche zuliebe

Nicht zuletzt auch deshalb, weil er 1878 zum Erzbischof von München und Freising berufen wurde. Dieser Aufstieg erfüllte Steichele laut Kirchenhistoriker Knöpfler aber keineswegs mit Freude. Nur mit großem Widerwillen erklärte er sich bereit, "die schöne, ruhige Stellung in Augsburg den Interessen der Kirche zum Opfer zu bringen". Die letzten Jahre seines Lebens seien vielfach durch körperliches Leiden getrübt gewesen. Zwar konnte Steichele im Herbst 1888 noch "unter allgemeiner Antheilnahme der ganzen Erzdiöcese" sein 50. Priesterjubiläum feiern, doch bereits ein Jahr später verstarb der Erzbischof in Freising.

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Der Autor
Klaus Schlaug
Online-Redaktion
k.schlaug@michaelsbund.de