Bibelauslegung

Evangelium zum ersten Advent: Ein vorweihnachtlicher Stimmungskiller

Plätzchenduft, heißer Tee und warmer Kerzenschein: In der Adventszeit wollen es sich viele gemütlich machen. Das Evangelium zum ersten Advent passt so gar nicht zu der Stimmung. Oder etwa doch?

Das Evangelium zum erste Advent passt so gar nicht in die romantische Adventszeit. Im Gegenteil. © JavierArtPhotography - stock.adobe.com

Da hauts den Zuckerguss von den Adventsplätzchen und das Plätzchen zerbröselt gleich mit. Das Evangelium zum ersten Adventssonntag, Mt 24, 29-44, ein echter vorweihnachtlicher Stimmungskiller. Da wird einem nicht warm ums Herz, sondern es fröstelt einen. Gut so! Denn frösteln fördert das Nachdenken.

"Tage der Drangsal" verkündet Jesu im Evangelium

Zum Beispiel, ob es vernünftig ist, sich allein auf billige Gaslieferungen aus Russland zu verlassen. Die haben halb Europa schön gemütlich eingelullt und niemand hat mehr Fragen gestellt. „Tage der Drangsal“ verkündet der Jesus im Matthäus-Evangelium, „die Sonne verfinstert“ sich „und der Mond wird nicht mehr scheinen, die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels erschüttert“.  Frauen, Männer und Kinder in der Ukraine, in Syrien, im Jemen oder in Myanmar erleben diese Drangsal im Rhythmus 24/7, jeden Tag in der Woche, 24 Stunden – Apocalypse now und nicht erst am Ende der Zeiten und wir merken es kaum, höchstens wenn wir die Heizung nach unten drehen müssen.

Leben und Tod in der Frohen Botschaft

Nach der Himmelfahrt Christi starren die Apostel nach oben, bis sie zwei Engel anschnauzen „und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor“. Und darum gefällt mir dieses Miesmacher-Evangelium am ersten Adventssonntag. Es ist unbequem und fordert mich heraus, wachsam zu bleiben, nicht nur so dahin zu lätschen. Es warnt mich, die Drangsale nicht zu übersehen, denen so viele Menschen ausgesetzt sind, ihre Trauer und Gebete zu teilen, ihre Not zu lindern. Es geht in der Frohen Botschaft immer um Leben oder Tod und das ist alles andere als gemütlich. Einen Zuckerguß, der so dick ist, dass er die Wirklichkeit verkleistert, verträgt sie nicht.

Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de