Wallfahrt zum Weltgebetstag um geistliche Berufungen

Dem Ruf mit allen Sinnen folgen

Die Stelle „Berufungspastoral“ im Erzbistum München und Freising hatte eingeladen und 50 Pilger waren an den Chiemsee gekommen. Gemeinsam wollten sie sich mit allen Sinnen mit ihrer Berufung auseinandersetzen.

© Kiderle

Prien/Fraueninsel – Vergangenen Samstag,14.15 Uhr: Langsam, ganz langsam schob sich die Sonne am Chiemseehafen Prien/Stock zwischen den Wolken hindurch. Wie eine Bestätigung, dass die Wallfahrt nicht von Anfang an buchstäblich ins Wasser fallen würde: kurz vorher hatten die Pilger in Prien den Bahnhof in Richtung See verlassen. Da war ein Wolkenbruch mit Blitz und Donner niedergegangen, so dass die Schifffahrt zum Kloster Frauenwörth mit halbstündiger Verspätung startete.

Für die gut vierzig Teilnehmer kein Grund, sich nicht mit Freude und gespannter Erwartung auf das Motto der Wallfahrt einzulassen: „Von allen Sinnen!?“ lautete der Leitgedanke für die Pilgerfahrt auf dem Bayerischen Meer bewusst doppeldeutig. Zum „Weltgebetstag um geistliche Berufungen“ hatten Pfarrer Klaus Hofstetter und Schwester Erika Wimmer von der Berufungspastoral im Erzbistum Jugendliche und Erwachsene eingeladen, mit allen Sinnen ihrer eigenen Berufung nachzugehen. Kardinal Reinhard Marx musste krankheitsbedingt kurzfristig absagen.

Berufung - so unterschiedlich wie die Menschen

„Tasten“ war der erste Sinn, den die Gruppe in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellte, bei der ersten Station, an der evangelischen Kirche: tastend, zweifelnd oder überzeugt nach dem Glauben spüren. „Es hat geschüttet – also mit diesem Sinn anzufangen, hat irgendwie gepasst!“ meinte Pfarrer Hofstetter hinterher lachend.

Jetzt, auf dem Chiemseeschiff „MS Michael“ stellten sich die Wallfahrer aus dem ganzen Erzbistum bei der Station „Sehen“ Fragen, was denn diese Berufung sei. Impulsgeber war die Erzählung aus der Apostelgeschichte, in der Saulus selbst „sehend“ und bereit für den Glauben wurde – durch Hananias, den Gott beauftragt hatte, Saulus zu taufen. „Wer war für mich ein Hananias, oder für wen war ich wie Hananias?“, erzählten und diskutierten die Teilnehmer unter Deck, denn der nächste Wolkenbruch hatte den Chiemsee erreicht.  

Gemeinsam hatten die Pilger alle ihre Auseinandersetzung mit der eigenen Berufung. Der Zugang und der Umgang mit diesem Thema war aber höchst unterschiedlich: da saßen dann Theologiestudenten mit erfahrenen Pfarrgemeinderäten am Tisch und altgediente Ehrenamtliche mit Menschen, die ihr Leben verändern wollten. Wie Johanna, die Wirtschaftswissenschaft studiert hatte, und erst spät merkte, dass das der falsche Weg war. Diese Krise habe sie überhaupt erst zum Glauben gebracht, erzählte sie.

Spezielle Berufung – das Ordensleben

Weil riechen, sehen und schmecken insgesamt nicht zu kurz kommen sollten, gab es an den Tischen schon bald Leckeres, wie Brotzeitstangerl und Getränke, Gebäck, Eiskaffee und -schokolade. Immer wieder riss der Himmel auf und vorbei an wunderbaren Ausblicken auf das Schloss Herrenchiemsee oder das Benediktiner-Münster erreichten die Wallfahrer auf ihrer Rundfahrt mit kleinen Umwegen schließlich die Fraueninsel. Erster Programpunkt war hier der Besuch des Klosters Frauenwörth. Wie Kardinal Marx musste auch Äbtissin Johanna die Begegnung mit den Pilgern wegen Krankheit absagen.

Und so berichtete Priorin Johanna den Gästen von den Gebetszeiten im Konvent, von den vielfältigen Aufgaben der Schwestern, etwa in der Buchhandlung oder im Seminarbetrieb und im Bildungsbereich. Geistliche Berufung und die Aufgaben einer weltlichen Arbeit kämen hier zusammen. Denn der Erhalt des Klosters aus eigener Kraft, durch die eigene Arbeit, sei sehr wichtig. Humorvoll erzählte die Priorin vom Leben in der Gemeinschaft, das wie in Familien und Gemeinden Freude, aber auch Konflikte berge. Die Benediktinerin erwähnte auch, mit welcher hohen Erwartung man im Kloster die Entwicklungen beim Synodalen Weg beobachten würde, vor allem, was die Stellung der Frau in der Kirche angehe.

Die Begegnung mit den Wallfahrern unterschiedlicher Generationen habe ihr viel Freude gemacht, meinte die Ordensfrau hinterher. Solche Anlässe seien für die Besucher die Möglichkeit, unbefangen und in einer Gruppe das Leben in einem Kloster kennenzulernen.

Wer bin ich und wer kann ich noch werden

Abschluss der „geistlichen Auszeit“ am und auf dem Bayerischen Meer war der gemeinsame Gottesdienst im Münster, unmittelbar in der Nähe des Grabes der Seligen Irmengard. Und auch hier ging es wieder um die Berufung: „Hören“ war der Sinn, den Schwester Erika in der Predigt ansprach – das Hören auf vertraute Menschen, aber auch auf den Ruf Jesu. Berufung bedeute, „zu hören, wer ich schon bin und wer ich noch sein kann, was noch möglich ist!“. Pfarrer Hofstetter ergänzte, wenn Gott den Menschen rufe, wolle er auf Augenhöhe mit ihm sprechen. Dann falle es auch leichter, zuzuhören.

Bei der Rückkehr nach Prien war die Bilanz der Erfahrungen auf dieser Wallfahrt eindeutig positiv: man sei mit seiner Berufung oder der Suche danach „nicht allein unterwegs“, das Beispiel der Benediktinerinnen auf Frauenchiemsee sei „ermutigend“. Und jemand brachte es auf den Punkt: was ihre Berufung angeht, kamen die Wallfahrer wohl alle ein bisschen verändert nach Hause.

Der Autor
Willi Witte
Radio-Redaktion
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