Warum ist das Bistum Freising für die Kirche in Bayern wichtig?
Götz: Das alte Bistum Freising war für Bayern gar nicht so wichtig. Was Wirtschaftskraft oder politischen Einfluss betrifft, war das alte Erzbistum Salzburg sicher bedeutender. Eine besondere Stellung hatte der Freisinger Bischof aber immer dadurch, dass die Hauptstadt München zu seinem Diözesangebiet zählte. Mit der kirchlichen Neuordnung 1821 und der Errichtung des Erzbistums München und Freising war klar, dass dessen Erzbischof auch eine Sprecher-Funktion für alle bayerischen Diözesen innehat.
Inwiefern stand diese Tagung auch unter dem Vorzeichen der großen bayerischen Landesausstellung und dem 1.300-jährigen Bistumsjubiläum im kommenden Jahr in Freising?
Götz: Die Tagung ist ganz gezielt auf dieses Jubiläum und die Landesausstellung hin konzipiert worden, die sich ja stark auf den heiligen Korbinian, also auf die Frühzeit des Bistums Freising und Bayerns konzentriert. In Ergänzung dazu hat die Tagung das Bistum in seiner ganzen früheren und heutigen Erstreckung in den Blick genommen, aber auch im gesamten Zeitraum seines Bestehens. Dabei sind wir von vielfältigen Originalquellen ausgegangen, die für die Bistumsgeschichte aussagekräftig sind. Auch die Themen waren sehr bunt gemischt. Es ging etwa um das heute fast vergessene Bistum Chiemsee, um Freisinger Verwaltungshandschriften aus dem Mittelalter oder die Verbindungen des Klosters Tegernsee zu einem der wichtigsten theologischen und philosophischen Denker der frühen Neuzeit, Kardinal Nikolaus Cusanus, um den früheren Umgang mit unehelichen Müttern, Ludwig Thomas Gedichte zu Kirchenthemen und die Silvesterpredigten von Kardinal Julius Döpfner. Was mir beim bevorstehenden Jubiläum ganz wichtig ist: Das gesamte Erzbistum soll eingeladen sein, sich mit seiner Geschichte zu beschäftigen. Die Geschichte soll aber immer auch Anlass sein, über Gegenwart und Zukunft nachzudenken.
Was lässt sich denn aus einem solchen historischen Gedenkjahr für die Gegenwart lernen?
Götz: Aus der Geschichte lässt sich nicht einfach eine Moral für die Zukunft ableiten. Aber es lässt sich doch erkennen, wie unterschiedlich kirchliches Leben in den vergangenen Jahrhunderten in unserer Region ausgesehen hat. Manchmal erstaunlich anders als heute: etwa bei der relativen großen Unabhängigkeit von der Zentrale in Rom, die ein Bischof damals schon aufgrund der viel geringeren Möglichkeiten zur Kommunikation hatte. Manchmal aus heutiger Sicht auch schockierend anders: etwa bei staatlich durchgesetzten religiösen Zwangsmaßnahmen. Die Menschen haben zu allen Zeiten und unter wechselnden Umständen versucht, ihren christlichen Glauben zu leben und weiterzugeben. Das macht die geschichtliche Bedingtheit kirchlichen Lebens klar. Und ebenso wie die Menschen früher haben wir die Aufgabe, die uns keiner abnehmen kann, für unsere heutige Zeit geeignete Formen zu finden. Zumal bisher für selbstverständlich gehaltene Rahmenbedingungen wegfallen werden, etwa bei der Zahl der Priester und den Finanzen.