Hohen Peißenberg

Wetterfrösche und Wallfahrer: Besuch auf der ältesten Berg-Wetterbeobachtungsstation der Welt

Die älteste Berg-Wetterbeobachtungsstation der Welt ist auf dem Hohen Peißenberg. Vor über 200 Jahren wurde sie eingerichtet. Seitdem sind auch die Rottenbucher Augustiner-Chorherren mit dem Wetterdienst verbunden.

Vom Hohen Peißenberg hat man eine wunderschöne Aussicht und kann bis nach München blicken. © SMB/Mink

Ein schmaler Streifen weißes Licht bricht zwischen der Erde und der bauschigen Wolkendecke hindurch. Beim Anblick der dunkler werdenden Regenwolken, die der Wind immer weiter in meine Richtung drückt und die an manchen Stellen weiter unten im Tal einen Teil ihrer Wasserlast in verschwommenen Schleiern ablassen, bin ich heilfroh, im trockenen Auto zu sitzen …Ich habe mich, nach einem Blick auf die Wettervorhersage für den Pfaffenwinkel, gegen den Vorschlag der Kollegen entschieden, die einstündige Wanderung von der Ortschaft Hohenpeißenberg hoch zum Gipfel des Hohen Peißenbergs anzutreten. Ein Glück. Wie ich so auf der Parkplattform stehe und in das heranziehende Unwetter schaue, wird mir klar, warum man vor über 200 Jahren auf die Idee kam, ausgerechnet hier oben, in luftigen 988 Metern Höhe, eine Wetterbeobachtungsstation einzurichten.

Forschung auf dem Hohen Peißenberg

Auf dem Peißenberg kann der Blick kilometerweit in alle Richtungen schweifen. Bei schönem Wetter, erklärt mir Stefan Schwarzer von dem meteorologischen Observatorium, das sich auf dem Berg befindet, kann man sogar bis München sehen und natürlich das herrliche Alpenpanorama genießen. Schwarzer hat 1995 die Ausbildung zum Wetterbeobachter absolviert. Anfangs hat er auf der Zugspitze gearbeitet, seit 14 Jahren ist sein Arbeitsplatz nun schon auf dem Hohen Peißenberg. Die ehemalige Wetterbeobachtungsstation wurde mit der Zeit automatisiert und geschlossen – heute gibt es nur noch das Observatorium mit dem Forschungsschwerpunkt Luftchemie. Im Observatorium arbeitet Schwarzer heute unter anderem als Programmierer. Dabei wertet er Daten aus, erstellt Visualisierungen und für den Ort Hohenpeißenberg hat er auch ein Frühwarnsystem entwickelt.

Älteste Berg-Wetterbeobachtungsstation der Welt

Als wir uns auf dem Parkplatz zur Begrüßung die Hand reichen, beobachtet Schwarzer aufmerksam den mittlerweile ziemlich dunklen Himmel. „Wir sollten besser irgendwo reingehen! Das ist hier wie in den richtigen Bergen, Gewitter sind hier oben wirklich saugefährlich“, ist Schwarzers Empfehlung. Bei den ersten Regentropfen setzen wir uns also ins Auto. Ein Interview mit Wetterkino. Den klassischen Sturm, den man von Sommergewittern kennt, erleben wir nicht, trotzdem zieht die Wetterfront weiter in unsere Richtung. „Der Wind ist in den letzten Jahren weniger geworden –das bringt extremere Wetterlagen mit sich“, erklärt Schwarzer.

Auf dem Hohen Peißenberg steht die älteste Berg-Wetterbeobachtungsstation der Welt. „Angefangen hat die Wetterbeobachtung 1781, mit der Societas Meteorologica Palatina – sie hatten die Idee, zu gleichen Bedingungen, zu gleichen Zeiten und mit den gleichen Geräten weltweit das Wetter zu beobachten. Das war für diese Zeit eine absolut geniale Idee, weil es so etwas eigentlich noch nicht gab. Und dann haben sie ein weltweites Messnetz aufgebaut“, erklärt Schwarzer.

Fehlender Wind fördert Unwetter

Er ist merklich begeistert und weiß viel über Entwicklungen und besondere Wetterphänomene zu erzählen. Während auf das Auto die ersten Hagelkörner prasseln, berichtet Schwarzer von diversen Wetterlagen, die er in der Vergangenheit am Hohen Peißenberg beobachten konnte und bei denen Wind stets eine wichtige Rolle spielte. So gibt es beispielsweise große Unwetter, die sich aufgrund des fehlenden Winds nur in einem sehr kleinen Umkreis vollständig abregnen. Die Regenwolken können einfach nicht abziehen. Aber auch der Berg selbst hat Einfluss auf das Wetter in seiner direkten Umgebung, lenkt er doch bei fehlendem Höhenwind die Wolken stets in die gleiche Bahn: „Wir hatten vor ein paar Jahren ein Hagelunwetter, wo zwei Wochen lang immer wieder Hagel entstanden ist. Man hatte blauen Himmel, nichts auf dem Regenradar und dann ist zur gleichen Zeit die erste Wolke entstanden und wir wussten: ‚Okay, jetzt geht es wieder los.‘“

Nach einer halben Stunde und einigen spannenden Geschichten im Auto können wir wieder aussteigen, es tröpfelt nur noch. Wir sind die einzigen Fußgänger, die sich draußen bewegen. Die Gebäude auf dem Berg sind nebelverhüllt und nur langsam wird die Sicht klarer, an manchen Stellen blitzt es blau durch die Wolken. Im Klimagarten vor dem Observatorium – ein Stück Wiese, auf der verschiedenste Niederschlagsmessgeräte und auch Nachbauten beispielsweise einer alten Thermometerhütte aufgestellt sind – sehen wir den Grund, warum der Schauer länger angehalten hat und wir uns auch jetzt wieder unter ein Vordach retten müssen: Das an drei aneinandergeschweißte Eislöffel erinnernde „Anemometer“ am Windmast dreht sich nur sehr langsam und zeigt damit an, dass gerade nur wenig Wind weht und die Regenwolken nur langsam abziehen.

Wallfahrtskirche auf dem Gipfel des Berges

Jetzt möchte ich noch jenen Ort besichtigen, an dem hier oben die ersten Wetterbeobachtungen gemacht wurden. An der Kapelle, die 1514 errichtet wurde, sind wir im Nebel bereits vorbeigelaufen. Im Laufe der Jahrhunderte wurde wegen des anhaltenden Wallfahrerzulaufs die Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt angebaut und ein Wohnhaus für die Rottenbucher Augustiner- Chorherren, die 1604 die Zuständigkeit für den Wallfahrtsort übertragen bekommen hatten. Warum baut man eine Kapelle ausgerechnet auf den Gipfel des Berges? „Ich denke, es hat mehrere Gründe“, meint Pfarrer Robert Kröpfl. Er ist zuständig für den Pfarrverband Peiting-Hohenpeißenberg und damit auch Seelsorger für den Wallfahrtsort. „Ich glaube, einer ist, dass Menschen so veranlagt sind, dass sie auf dem Berg Gott – oder wenn sie es säkularer ausdrücken wollen: einer metaphysischen Größe – eher näherkommen als im Tal. Einen Berg zu erklimmen, erhebt den Menschen auch.“ Der Bau soll der Legende nach weiter unten begonnen haben, über Nacht das Material und die Bausteine aber von Engeln auf den Berg hinaufgetragen worden sein. „Mit Legenden muss man immer etwas vorsichtig sein“, fügt Kröpfl hinzu.

Augustiner-Chorherren offen für naturwissenschaftlicher Phänomene

Seit seiner Entstehung hängt das Wallfahrtensemble auf dem Hohen Peißenberg mit dem Wetterdienst zusammen. „Die Augustiner-Chorherren waren eine Gemeinschaft, die damals schon sehr offen war für die Untersuchung naturwissenschaftlicher Phänomene, und sie hatten auch die Patres, die die Ausbildung und das Studium dafür hatten.“ Von den Beobachtungen des Ordens gibt es heute keine Zeugnisse mehr – nur die kleine Aussichtsplattform hat die Zeit überlebt. Auch gibt es keine Überlieferungen, dass das Wetter den Wallfahrern einmal ernsthafte Schwierigkeiten bereitet hätte.

Erst vor Kurzem beging die Wallfahrtskirche nachträglich ihr 400-jähriges Jubiläum, Kardinal Reinhard Marx feierte den Festgottesdienst. Schon 2015 war der Kardinal auf dem Hohen Peißenberg zu Besuch, als das 500-jährige Wallfahrtsjubiläum gefeiert wurde. Der Ort bedeute dem Kardinal viel, weiß Kröpfl, schließlich sei der Peißenberg gut besucht. „Auch wenn weniger Menschen in den Gottesdienst gehen – es gibt keinen Tag, an dem nichts in das Fürbittenbuch geschrieben wird.“ Noch heute kämen die Menschen auf den Berg, weil sie auf der Suche seien nach Sinn und Halt.

Als wir aus der Kirche treten, scheint die Sonne – strahlend, als hätte es nie geregnet. Die Wolken sind endlich weitergezogen und der Blick auf die Alpen ist frei. Nur im Tal, wo die Ammer fließt, hängt der Nebel noch in den Bäumen.

Volontärin
Michelle Mink
Münchner Kirchenzeitung
m.mink@michaelsbund.de