Kleinod im Wald

Zu Besuch im Wallfahrtsort Mariabrunn

Im Dachauer Hinterland entspringt eine Quelle, der Heilskraft und Wunder zugeschrieben werden. Seit Jahrhunderten pilgern Menschen zu dem Anwesen mit kleiner Kirche, Badhaus und Biergarten, das um die Quelle herum entstand. Noch heute wird die Mutter Gottes dort verehrt.

Die kleine Wallfahrtskirche von Mariabrunn ist eine der wenigen deutschen Kirchen in Privatbesitz. © SMB/Burghardt

Mariabrunn im Bründlholz – Die Namen des Guts wie auch des Waldes verraten, worauf dieser Ort zurückgeht: Im Jahr 1662 entdeckte hier, an entlegener Stelle zwischen Röhrmoos und Ampermoching, ein Waldarbeiter eine heiltätige Quelle. In kürzester Zeit verbreitete sich die Nachricht vom heilbringenden Wasser, eine Gnadenkapelle sowie ein Badhaus wurden errichtet, von immer weiter her kamen die Pilger. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlangte Mariabrunn europaweiten Ruhm, Berühmtheiten wie Kaiserin Sisi, Zar Alexander II. und Baron Rothschild reisten als Kurgäste zur Waldquelle ins Dachauer Hinterland. Schriftsteller wie Rainer Maria Rilke und Regina Ullmann wohnten zeitweise im kleinen „Schlössl“, das ebenfalls zum Anwesen gehört.

Dieses große Erbe aus dreieinhalb Jahrhunderten zu bewahren, hat sich Florian Breitling zur Lebensaufgabe gemacht. Er ist Eigentümer des Schlossguts, das nun schon seit 115 Jahren im Familienbesitz ist, seit es sein Großvater Herbert 1907 kaufte. Auch wenn er alle Belange des Guts im Blick haben muss, seien es wirtschaftliche, bauliche oder gastronomische, liegen ihm doch besonders die Wallfahrtstradition und die Marienverehrung am Herzen. „Bei uns wird die Muttergottes äußerst hoch gehalten“, erklärt Breitling und zählt auswendig ein Dutzend Marienfeste mit jeweiligem Datum auf, die in Mariabrunn allesamt festlich begangen werden. Wie ein Feiertag werde Mariä Verkündigung gefeiert, „und zwar authentisch bayerisch“, wie der Hausherr klarstellt.

Tradition der Marienverehrung

Wichtiger Bestandteil der örtlichen Tradition sind darüber hinaus die „Fatima-Tage“, die von Mai bis November immer am 13. eines Monats stattfinden und aus einem Rosenkranz, einer Marien-Festmesse und einer Lichterprozession bestehen. „Meine Mutter hat die Fatima-Feiern 1957 gemeinsam mit dem Jesuitenpater Karl Ott ins Leben gerufen“, erzählt Breitling. „Ott war in sowjetischer Kriegsgefangenschaft zum Tode verurteilt. Am Tag der geplanten Erschießung stand er schon zur Exekution da und betete in seiner Not zur Muttergottes. Da kam ihm wie ein Geistesblitz die Eingebung, er solle sich fallen lassen. Er tat es, und man hielt ihn für bereits tot.“ Danach sei es Ott gelungen, in ein russisch-orthodoxes Kloster zu fliehen und später in die Heimat zurückzukehren. Als Dank für seine Rettung habe er in Mariabrunn die Fatima-Feiern begründet, die heute immer mehr Zuspruch und bis zu 200 Teilnehmer fänden.

Viele Schönwetter-Ausflügler kommen zwar nur als Biergartengäste und wissen oftmals gar nicht über die außergewöhnliche Geschichte des Ortes Bescheid. Doch Breitling berichtet, dass er in letzter Zeit bei vielen Menschen ein deutlich gesteigertes Bedürfnis nach einer echten Spiritualität feststelle, wie sie in Mariabrunn gelebt werde. Immer mehr Einzelpilger und Wallfahrergruppen kämen, manche sogar zu Fuß in drei Tagen aus dem Altmühltal oder mit dem Bus aus Österreich, insgesamt mehr als 40 Gruppen im Jahr. Mariabrunn liegt übrigens auch auf einer ausgeschilderten Route des Jakobswegs, auf der Etappe zwischen Scheyern und Dachau.

Die Wunder der heiltätigen Quelle

Wer die eigentlichen Herzstücke des idyllischen Guts genauer in Augenschein nehmen möchte, sollte zunächst an der von Efeu dicht umrankten Brunnenfassung der heiltätigen Quelle haltmachen. Noch heute können Pilger hier aus der originalen heiltätigen Quelle mit einer Handpumpe Wasser schöpfen. Ein Stück oberhalb davon steht die Wallfahrtskirche, eine der ganz wenigen Kirchen im Erzbistum, die in Privatbesitz sind. Wächserne Votivgaben und gemalte Votivtafeln in dem ovalen Zentralbau erzählen Geschichten von Krankheit und Heilung. Die bayerische Prinzessin Elise Ludovika, die spätere Königin von Preußen, hat hier sogar Krücken zurückgelassen, die sie nach ihrer spontanen Genesung nicht mehr benötigte. Ein Holzschrein am rechten Seitenaltar enthält der Überlieferung nach Reliquien des heiligen Philipp Neri. Und die Fenster mit den Abbildungen der Heiligen Amalia und Benedikt wurden von Kaiserin Sisi höchstselbst finanziert. Es ist ein tief katholischer Ort, der noch eine Religiosität atmet, wie sie vielerorts längst verloren gegangen zu sein scheint.

Breitling, der gleich nebenan wohnt, ist jeden Tag hier, kümmert sich um das Gotteshaus, empfängt Wallfahrtsgruppen und führt sie in die Kirche. Nicht selten kommt es vor, dass auch zu abendlicher Zeit noch jemand mit einem dringenden Gebetsanliegen um Einlass bittet. Breitling sperrt dann gern noch einmal auf, denn er erlebt seit Jahrzehnten, wie wichtig das Gebet zur Muttergottes vielen Menschen ist – und wie viel es bewirkt. „Ich sehe so viele, die hier glücklich und regelrecht entlastet wieder rausgehen“, erzählt der Gutsherr, „und immer wieder werden Gebete erhört. In ein paar Fällen waren es sogar echte Wunder. Aber da möchte ich keine Details nennen, das ist nichts für die Öffentlichkeit.“

Breitling steht vor der Kirche im letzten goldenen Sonnenlicht eines Novembernachmittags. Er zeigt auf einen Wiesenweg, der direkt vom Kirchenvorplatz an Streuobstwiesen vorbei in den Wald führt. „Viele Wallfahrtsgruppen kommen von da hinten. Sobald die ersten Pilger mit ihrer Fahne zu sehen sind, empfangen wir sie mit Glockengeläut“, sagt er und fügt mit beinahe bebender Stimme an: „Das ist das barocke Bayern!“

Anliegen zur Muttergottes bringen

Aktuelle kirchliche Entwicklungen wie den Synodalen Weg verfolgt Breitling aufmerksam, liest regelmäßig die Münchner Kirchenzeitung. Und natürlich hat er auch zu so manchen Streitthemen eine eigene Meinung. Doch er hält sich bewusst damit zurück und weist auf ein anderes wichtiges Thema hin, das ihn gänzlich umtreibt: „Die Verehrung der Gottesmutter müsste kirchlicherseits allgemein wieder mehr in den Fokus rücken“, wünscht sich Breitling. „Die heilige Maria, nach dem dreieinigen Gott, als heiligste aller Heiligen, in ihrer Einzigartigkeit als Mensch berufen zur Muttergottes, berührt die Herzensseite unseres katholischen Glaubens.“ Und er ist sicher: „Die Vertiefung und Festigung des Glaubens erfolgt weit mehr über das Herz als nur über den Verstand.“ Jedem und jeder Suchenden empfiehlt er, sich mit persönlichen Problemen und Anliegen an die Muttergottes zu wenden. Und beim gemeinsamen Singen von Marienliedern den Schatz einer marianischen Spiritualität zu entdecken, die im Innersten guttut und die Seele berührt und erwärmt.

Das nächste Marienfest, das mit einer Heiligen Messe gefeiert wird, steht mit Mariä Empfängnis am 8. Dezember schon kurz bevor. Aber auch wenn Sie in Mariabrunn einmal nachts vor verschlossenen Toren stehen sollten: Klopfen oder klingeln Sie trotzdem. Es kann gut sein, dass Ihnen geöffnet wird. (Joachim Burghardt, MK-Redakteur)

Der Redakteur
Joachim Burghardt
Münchner Kirchenzeitung
j.burghardt@michaelsbund.de