Heiligenvererhrung

Diese Reliquien sind in München zu sehen

Bis zur Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts besaß München den Ruf des „Deutschen Roms“. Bis heute findet man in zahlreichen Münchner Kirchen bedeutende Reliquien, die eine große Geschichte und Glaubenstradition besitzen.

In Münchner Kirchen finden sich bedeutende Reliquien. © Kiderle/ imago/Arnulf Hettrich/ Provinz der Deutschen Kapuziner/Deutsche Franziskanerprovinz/privat/imago/INSADCO

Armknochen des heiligen Antonius von Padua in der Franziskaner-Klosterkirche St. Anna im Lehel

Die erste Reliquie, die in München eine eigene Wallfahrt begründete, war ein Oberarmknochen des heiligen Antonius von Padua (um 1195 - 1231). Kaiser Ludwig der Bayer hatte ihn 1328/30 aus Padua mitgebracht und den Franziskanern zum Geschenk gemacht. 1221, noch zu Lebzeiten des heiligen Franziskus, waren die Bettelordensbrüder nach München gekommen. Für die Reliquie, die bedeutendste außerhalb Paduas, bauten sie an ihrer Klosterkirche, die sich bis zur Säkularisation am heutigen Max-Joseph-Platz Platz befand, eine eigene Kapelle. Diese wurde zusammen mit Kloster und Kirche 1802 abgebrochen.

Seit 1827 wird der bräunliche Armknochen in der heutigen Franziskanerklosterkirche St. Anna im Lehel aufbewahrt. Er ist gefasst in ein spätgotisches Reliquiar von 1480 und wird in einem barocken Schrein aus Böhmen von 1750 am Antoniusaltar aufbewahrt. Ein Kranz von Votivbildern schildert Stationen aus dem Leben des beliebten Volksheiligen und aus der Geschichte seiner Verehrung in München.

Die "Zunge" des Johannes Nepomuk in der Asamkirche

Der Legende nach beginnt die Geschichte der Münchner St.-Johannvon-Nepomuk-Kirche, besser bekannt als „Asamkirche“, auf derDonau, als Egid Quirin, der jüngere der beiden genialen Künstlerbrüder,nach Weltenburg fuhr, um wertvolle Arbeiten zum dortigenKloster zu bringen. Auf dem Strom geriet er in gefährlicheStrudel. In seiner Not rief er den heiligen Johannes Nepomuk an.Das Boot kenterte nicht und die Brüder errichteten 1734 zum Dankauf eigene Kosten und mit eigener Hand das prächtige Gotteshausin der Münchner Sendlinger Straße. Historisch belegt ist indessender Wunsch des Künstlers, in der Sendlinger Straße ein eigenes Haus mit angrenzender Kapelle zu erbauen. Die Bevölkerungforderte, den Privatbau auch für die Öffentlichkeit zu öffnen. Daraufhingestalteten sie die Asambrüder als Beichtkirche für dieJugend.

Der Kirchenpatron Johannes Nepomuk (1350–1393) soll nämlichauch unter Folter das Beichtgeheimnis nicht preisgegeben haben.Eine Reliquie von ihm wird in einem in Form einer Zunge gestaltetensilbernen Reliquiar am Altar aufbewahrt. Die Zunge ist ein Symbolfür die Bewahrung des Beichtgeheimnisses. Darunter befindetsich in einem Glassarg eine Nachbildung des im Grab ruhendenHeiligen.

Kreuzpartikel in Ramersdorf und Thalkirchen

Splitter vom Kreuz Christi gehören wohl zu denverbreitetsten aller Reliquien, vor allem auch, weilsie sehr leicht für Fälscher herzustellen waren.Der Kreuzpartikel des alten MarienwallfahrtsortRamersdorf geht auf ein Geschenk im Jahr1377/79 von Herzog Otto V. zurück, womöglichaufgrund eines Gelöbnisses. Sein Vater, KaiserLudwig der Bayer, soll den Splitter vom römischenGegenpapst Nikolaus V. (reg. 1328–30) geschenktbekommen haben und ihn stets in einemUmhängekreuz getragen haben.Für diese bedeutsamen Reliquie errichtete man 1483 einen eigenen vom BildhauerErasmus Grasser und dem Maler Jan Polack 1483 geschaffenen Heilig-Kreuz-Altar.Auch in Maria Thalkirchen, dem traditionsreichen Marienheiligtum am linkenIsarufer, wird seit Jahrhunderten ein Kreuzreliquiar verehrt: Herzog Albrecht III. stiftete Mitte des 15. Jahrhunderts einen in Silber gefassten Kreuzpartikel und legteso die Grundlage für die Wallfahrt nach Thalkirchen.In der Zeit des sogenannten „Frauendreißigers“ zwischen Mariä Himmelfahrt unddem Fest Kreuzerhöhung am 14. September finden in beiden Kirchen täglich Wallfahrtsandachtenund Pilgermessen statt, bei denen auch stets mit dem Kreuzreliquiarder Segen erteilt und den frommen Gläubigen einzeln aufgelegt wird.

Das halbe Herz des Laurentius von Brindisi in der Pfarr-und Kapuzinerkirche Sankt Anton

Dass die Kapuziner im Jahr 1600 nach Münchenkamen, haben sie vor allem Laurentiusvon Brindisi (1559–1619) zu verdanken.Der gebürtige Italiener war Ordensgeneral,unermüdlicher Prediger, beherrschte sechsSprachen fließend und war bekannt als geschickterDiplomat, der an den europäischenHöfen ein und aus ging. Mit dem bayerischenHerzog Maximilian I., dem späterenKurfürsten, verband Laurentius eine engeFreundschaft, sodass der Herrscher dieKapuziner auch in seine Residenzstadt holte.Das Herz des heute als Heiligen und Kirchenlehrerverehrten Ordensmannes wurdenach dessen Tod geteilt: die eine Hälfte kamin seine Heimat Brindisi, die andere bekamMaximilian. Es wird bis heute in der der Pfarr- und Kapuzinerkirche St. Anton inder Münchner Isarvorstadt aufbewahrt. Laurentius ist auch der zweite Kirchenpatron.Am 21. Juli, dem Fest des Heiligen, wird mit dem Herzreliquiar der Segengespendet.

Mundita in Sankt Peter

Ein offizielles Selig- oder Heiligsprechungsverfahren hat es für Munditia nie gegeben. So wiedie meisten Katakombenheiligen aus Rom galt sie einfach aufgrund ihres möglichenMartyriums als verehrungswürdig, was die päpstlichen Behörden mit Brief und Siegel bestätigten.In München haben die Gläubigen die sogenannte Ganzkörperreliquie jedenfalls würdigempfangen. Von einem großen Fest begleitet, bekamen die zuvor von Klosterfrauen aufwändigverzierten Gebeine 1677 ihren Platz in Sankt Peter. Der kleine Glaspokal, auf dessen Deckeldas Christus-Monogramm zu sehen ist, enthält Erde aus der Cyriaca-Katakombe und dervergoldete Palmzweig in ihrer Linken erinnert an das Martyrium, das für die barockenGläubigen feststand. Als weibliche Heilige ist Munditia wohl vor allem von Frauen verehrtworden. Jedenfalls gilt sie als Patronin der Witwen und alleinstehenden Frauen. Zu ihremGedenktag am 17. November lädt die Pfarrei jedes Jahr zu einer Lichterprozession ein, die durchdie Kirche zum Schrein der Heiligen führt.

Benno von Meißen im Dom

Luther tobte. Heute würden Beobachter wahrscheinlich von einemtheologischen Shitstorm sprechen. Der Reformator rechnete 1524 brutalmit der ein Jahr zuvor erfolgten Heiligsprechung Bennos vonMeißen ab. „Wider den den neuwen Abgott und allten Teuffel derzu Meysen soll erhoben werden“ lautet der Titel seiner Kampfschrift.Sie ist ein entscheidendes Dokument zur Ablehnung der HeiligenundReliquien-verehrung in der evangelischen Kirche. Natürlichwar die Heiligsprechung auch eine Provokation des protestantischenStammlandes Sachsen, in dem Benno im 11. Jahrhundert die Papsttreueder Kirche gegen die weltlichen Machthaber verteidigt hatte.Der Legende nach warf er die Schlüssel des Meißener Doms indie Elbe. Bei seiner Rückkehr aus dem Exil fanden sie sich ineinem Fisch wieder, den er zum Mittagessen serviert bekam. DieGeschichte ist auch auf einem alten Holzschnitt dargestellt. Allerdingsnicht mit dem Meißener Dom, sondern mit der Münchner Liebfrauenkircheim Hintergrund, zu der eine große Schar von Männern undFrauen mit Fahnen und Kerzen zieht. Die bayerischen Herzöge hattenBennos Reliquien 1576 in ihre Residenzstadt geholt und den Heiligenzum Schutzpatron Bayerns und Münchens ernannt. Und die Gläubigenliebten den sächsischen Bischof. Seine in der Liebfrauenkircheaufbewahrten Reliquien machten München zu einem Wallfahrtszentrum.

Theresia Gerhardinger in St. Jakob am Anger/ Rupert Mayer im Bürgersaal

Dass die Verehrung vonGlaubenszeugen und ihrerReliquien aktuell, undnicht eine Angelegenheitaus längst vergangenenZeiten ist, beweisen dieviel besuchten Gräber der1985 selig gesprochenenTheresia Gerhardinger(1797–1879) und PaterRupert Mayers SJ (1876–1945, selig gesprochen1987).Die Gründerin der Armen Schulschwestern ruht in St. Jakob am Anger, der stillenKloster- und Institutskirche ihres Ordens nahe des Zentrums Münchens, der MünchnerSozialapostel, „15. Nothelfer“ und mutige Prediger gegen das Terrorregimeder Nationalsozialisten in der Unterkirche des Bürgersaals, direkt in der frequentiertenNeuhauser Straße.Die zahlreichen brennenden Opferkerzen und Einträge in aufliegende Anliegenbücherverdeutlichen, dass sich bis heute jeden Tag zahlreiche Hilfesuchende inihren Sorgen und Nöten an diese himmlischen Fürsprecher wenden.

Cosmas und Damian in St. Michael

Manchmal sind in der Münchner JesuitenkircheSankt Michael orthodoxeMönche oder Nonnen zu sehen, die sichvor einem goldenen Schrein verbeugenund ein Kreuzzeichen schlagen. DerSchrein enthält zwei Schädel, die einelange Tradition den heiligen Cosmas undDamian zuschreibt. Beide waren Märtyrerund wirkten im heutigen Syrien. IhreVerehrung verbreitete sich lange vorden Aufspaltungen in der Kirche, nochheute rufen Christen in Ost wie West dasBruderpaar um seine Fürbitte an. Die Reliquien der beiden Heiligen in Sankt Michaelsind im 10. Jahrhundert nach Bremen gekommen. Die Hansestädter waren sostolz auf sie, dass sie ein paar Jahrhunderte später einen vergoldeten Schrein anfertigenließen. 1648 war die Leidenschaft für die verehrten Heiligen in Bremen abererkaltet. Der bayerische Kurfürst Maximilian I. erwarb den Schrein samt Inhalt undließ ihn in die Münchner Jesuitenkirche überführen. Cosmas und Damian waren Ärzteund haben Kranke kostenlos und erfolgreich behandelt. Deshalb versammeln sichzum Abschluss der regelmäßigen Krankengottesdienste in Sankt Michael Priesterund Gläubige vor dem Schrein der Heiligen, sofern die Coronapandemie das zulässt. (Florian Ertl, stv. Chefredakteur der Münchner Kirchenzeitung/ Alois Bierl, Chefreporter Sankt Michaelsbund)