Missbrauchsskandal um Pfarrer

Straße in Maitenbeth bekommt neuen Namen

In Maitenbeth im Landkreis Mühldorf am Inn ist eine Straße umbenannt worden, nachdem bekannt wurde, dass der namensgebende Pfarrer mutmaßlich ein Missbrauchstäter war. Helmut Baders Mut hat entscheidend zu der Umbenennung beigetragen.

Die Straße, die nach dem 1972 verstorbenen Pfarrer benannt war, heißt nun "Kirchplatz". © SMB/Erdmann

Dass Helmut Bader an diesem Abend in Maitenbeth steht und offen über seinen Missbrauch spricht, war vor einem halben Jahr noch undenkbar. Zu groß war die Angst, was die Dorfbewohner über ihn denken würden. Den Anstoß, seine Geschichte öffentlich zu machen, gab ihm die Radwallfahrt, die vor einem halben Jahr stattfand. Dabei waren Betroffene sexuellen Missbrauchs im Mai zehn Tage von München nach Rom geradelt, um für mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung zu kämpfen. Zu Beginn der Fahrt wollte Helmut Bader noch keine Interviews geben oder vor eine Kamera. Die Hand, die er von Papst Franziskus gereicht bekam, gab ihm dann die Kraft, sein Schweigen zu brechen. Heute sagt Helmut Bader: „Ich bin wirklich allen, die mich auf dieser Reise begleitet und unterstützt haben, von Herzen dankbar.“

Vorschlag der Namensänderung kam vom Gemeinderat

Er machte seinen Missbrauch durch einen Geistlichen in Maitenbeth öffentlich. Seitdem haben sich noch weitere Betroffene aus dieser Zeit gemeldet. Als erster Schritt wurde nun die Straße, die nach dem beschuldigten Pfarrer benannt war, in „Kirchplatz“ umbenannt. Helmut Bader findet das gut: „Also mir geht es damit sehr gut, weil sich noch andere in Maitenbeth geoutet haben. Es ist zwar immer noch komisch in mir, denn wenn man sich so umhört in der Gemeinde, war das immer so ein offenes Geheimnis und dann denke ich mir schon: Mensch, und du bist jetzt derjenige, der das alles bewegt hat.“

Der Vorschlag, die Straße umzubenennen, kam vom Gemeinderat. Ein Beschluss, der sofort einstimmig gefasst wurde. Für Bürgermeister Thomas Stark war das ein wichtiges Zeichen: „Mir geht es darum, die Solidarität mit den Betroffenen zu zeigen, Geschichte ist Geschichte und daran können wir leider nichts ändern, aber ich finde, die Betroffenen haben unsere Solidarität verdient.“ Ihm war es ein Anliegen, den Beschluss schnell umzusetzen und alles Nötige in die Wege zu leiten.

Helmut Bader hat "großen Mut" bewiesen

Auch für Bewohner Peter Schwenk, der an der betroffenen Straße wohnt, ist die Umbenennung die richtige Entscheidung. Aus seiner Sicht wurden jedoch die Hintergründe zu wenig thematisiert, weshalb er ein großes Plakat mit den Gründen der Namensänderung aufhing. Auch wenn der neue Straßenname für ihn viel Aufwand bedeutet, wie die Änderung des Personalausweises und anderer Dokumente, ist er froh darüber: „Ich finde es sehr wichtig, dass ans Tageslicht kommt, was über 25 Jahre hier passiert ist.“ Schwenk findet es schrecklich, dass der Pfarrer bis zu acht Kinder missbraucht haben soll: „Dass unter dem Deckmantel der Ethik und Moral, Menschen beziehungsweise Kinder missbraucht werden, finde ich ganz furchtbar.“

Auch aus der Sicht von Richard Kick, Sprecher des Betroffenenbeirats im Erzbistum München und Freising war die Namensänderung die richtige Entscheidung. Für ihn hat vor allem Helmut Bader großen Mut bewiesen. Mut, der den Missbrauchsbetroffenen und anderen neue Hoffnung gegeben habe. So sagte Kick: „Helmut hat sich durch die Fahrt sehr gestärkt. Er wollte keine Medien um sich haben, weil er Angst hatte, dass er aus seinem Dorf getrieben wird. Doch vor die Medien zu treten, hat dazu geführt, dass sich weitere gemeldet haben.“ Richard Kick ist wichtig zu sagen, dass keiner, der Betroffener ist, Angst haben braucht, sich zu melden und Hilfe zu suchen. Bei all dem Positiven, das aus der Pilgerradtour entstanden sei, reicht die derzeitige Aufarbeitung in der Kirche aus Kicks Sicht jedoch noch nicht aus: „Ein Punkt, der noch vernachlässigt ist, ist erstmal, die Betroffenen proaktiv anzusprechen - was können wir für sie tun? Und nicht weiterschieben an die unabhängigen Ansprechpersonen.“ Ihm ist es ein Anliegen, dass den Betroffenen geholfen wird und die Thematik zur „Chefsache“ gemacht wird. Es müsse sofort etwas passieren.

Aufarbeitung geht weiter

Für Generalvikar Klingan ist die Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen. Für ihn ist es unschätzbar wertvoll, dass Helmut Bader nach der Radpilgertour endlich über seine Erlebnisse reden konnte. Nach Ansicht Klingans ist das ein guter Weg, auf dem es weitergehen soll: „Es geht darum, ganz konkret in den Situationen vor Ort weiter im Sinne der Aufarbeitung dranzubleiben, die Dinge anzusprechen. Was braucht eine Gemeinde in so einer Situation und das allerwichtigste, was brauchen die Betroffenen?“ Er möchte weiterschauen, wie die Institution Kirche unterstützen kann und diese Hilfe nach Möglichkeit auch leisten kann. 

Nicht mehr jeden Tag am Schild mit dem Namen seines Peinigers vorbeigehen zu müssen – auch das hat die Seele von Helmut Bader ein Stück weiter auftauen lassen. Abschließend hat Bader für alle, die von sexuellem Missbrauch betroffen sind, einen Wunsch: „Dass sie sich melden, dass auch das Seelenleben von ihnen beginnen kann, was bei mir praktisch tot war.“

Volontärin
Pauline Erdmann
Münchner Kirchenzeitung
p.erdmann@michaelsbund.de