mk online: Wie haben Sie den 24. Februar 2022 in Erinnerung?
Pfarrer Wolodymyr Viitovich: Es war ein sehr trauriger und tragischer Tag für die Ukraine und für uns alle hier in Deutschland. Wir waren wie vor den Kopf gestoßen. Eigentlich hatte die Ukraine zwar schon seit der Annexion der Krim durch Russland im Frühjahr 2014 im Krieg gelebt, aber niemand hatte wohl tatsächlich damit gerechnet, dass die russische Armee uns wirklich angreift.
Was haben Sie in Ihrer Pfarrei getan, als Sie vom Überfall Russlands auf Ihr Heimatland erfahren hatten?
Viitovich: Unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Überfalls kamen bereits die ersten Menschen zu uns, die sagten, sie würden gern etwas tun, um die Ukraine zu unterstützen. Am ersten Tag waren es sechs, am zweiten schon 60 Menschen, nach einer Woche waren es über 200. Mittlerweile sind es über 2.000 Freiwillige, die uns geholfen haben, darunter viele Firmen. Auch zahlreiche Schulen und andere Organisationen haben uns bei der humanitären Hilfe für die Zivilbevölkerung der Ukraine, für Kindereinrichtungen und Krankenhäuser unterstützt. So hat es sich also fast wie von selbst ergeben, dass wir in der Pfarrei vom ersten Tag des Krieges an Hilfsgüter gesammelt und in die Ukraine verschickt haben. Wir sind dabei sehr schnell an unsere räumlichen Grenzen gestoßen und mussten aufgrund des Spendenaufkommens andere Räume suchen. Schließlich ist auch der Verein „München Hilft Ukraine e. V.“ (MHU) hieraus entstanden.
Wie erklären Sie sich diese große Hilfsbereitschaft vom ersten Tag an?
Viitovich: Ich kann sie mir tatsächlich bis heute nicht wirklich erklären. Ich dachte zuerst, dass sich Deutschland nach der Krise mit syrischen Flüchtlingen nicht mehr so hilfsbereit zeigen würde, aber es war wirklich überwältigend, wie die Menschen reagiert haben. Mit so einer großen Unterstützung hätten wir niemals gerechnet. Es war großartig, dass die Menschen nicht nur gespendet haben, nein, sie sind einfach vorbeigekommen, haben sich von der Arbeit freigenommen, sich hingestellt und Hilfsgüter eingepackt. Es waren Deutsche, Franzosen, viele unterschiedliche Nationalitäten, aber alle mit einem gemeinsamen Ziel. Alle begeisterten sich für diese eine Idee, den Menschen in der Ukraine helfen zu können. So etwas hatte ich bis dahin noch nicht erlebt.
Ein Geschenk des Himmels?
Viitovich: Ja, es war wie ein Geschenk des Himmels. Das war vielleicht das schönste Gefühl, das ich als Pfarrer im vergangenen Jahr erleben durfte.