Spiritualität

"Mystik ist ein geistiger Akt"

Pfarrer Michael Lechner bietet Kurse zum Thema Mystik in Sankt Ottilien an. Im Interview erklärt er unter anderem, warum die Mystik ein ernster geistiger Akt ist.

Kloster Sankt Ottilien © Jürgen Nickel - stock.adobe.com

mk online: Was für Menschen interessieren sich für einen Mystik-Kurs, wie Sie ihn in St. Ottilien anbieten?

Pfarrer Michael Lechner: Ich habe in St. Ottilien in den vergangenen Jahren (unterbrochen durch Corona) gemeinsam mit Schwester Emmanuela Hartmann von den Barmherzigen Schwestern nicht nur Kurse zur Mystik angeboten, sondern auch klassische Exerzitien, Kurse zu Gebet, Spiritualität und Lebensorientierung, nicht zuletzt auch eine Schule zum Christsein/ Jünger-Jesu-Sein. Allgemein kann man sagen, dass sich das Spektrum der Teilnehmer in den vergangenen Jahren sehr erweitert hat. Es geht vom religiös irgendwie Interessierten bis zum Menschen, der in der katholischen Kirche geistlich beheimatet ist. Dieses Spektrum findet sich auch in einem Kurs zur Mystik.

Wie hat man sich so einen Kurs vorzustellen? Sitzen hier alle im Stuhlkreis miteinander, zünden eine Kerze an und schlagen gemeinsam die Klangschale?

Lechner: Das sind alles Dinge, die mir persönlich fremd sind. Mystik von der Atmosphäre her zu verstehen – wie auch immer sie umschrieben wird – geht von vorneherein in die falsche Richtung. Mystik ist ein geistiger Akt, dem es um den Ernst der Person vor Gott geht. Ziel ist die Ausrichtung des Lebens auf Gott im Ganzen und die Einübung dieser Ausrichtung in konkreten Zeiten des Gebets.

Was möchten Sie hier vor allem vermitteln?

Lechner: Mir geht es zuerst um theoretische Klärung: Was ist Mystik? Was ist ihr Platz in der Spiritualität? Wir schauen uns dann konkrete Vertreter der Mystik an. Ich habe schon Kurse beispielsweise über Teresa von Ávila, Ignatius von Loyola und Meister Eckhart gehalten. Es geht darum, sich mit der eigenen, christlichen Tradition zu befassen. Im Grunde sind es Themen, die ich normalerweise als Spiritual in der Priesterausbildung hier in Augsburg mit den Studenten erarbeite.

Es gibt musikalische und unmusikalische Menschen. Gilt Gleiches auch für die Spiritualität? Gibt es von Grund auf „unspirituelle“ Menschen?

Lechner: Darüber wage ich kein Urteil. Die Menschen, die zu spirituellen Kursen kommen, haben natürlich auch eine entsprechende Sensibilität für diese Fragen. Was allerdings schon auffällt: Die Menschen sind heute sehr stark mit sich selbst beschäftigt, vielleicht auch innerlich erschöpft. Spiritualität und Mystik können dann leicht beim eigenen Ich stehen bleiben. Die Gottessuche ist heute sicherlich in den Hintergrund getreten.

Haben Sie das Gefühl, dass sich derartige Angebote neuerdings wieder größerer Beliebtheit erfreuen? Ist das Bedürfnis nach Spiritualität gewachsen?

Lechner: Eigentlich waren solche Kurse in all den Jahren immer gefragt. Aber was ich schon angedeutet habe: Der innere Themenkreis der Menschen hat sich verändert. Es geht stärker um das eigene Ich. Das Leben vor Gott zu ordnen oder gar einen Lebensweg in der Nachfolge Jesu einzugehen, das sind Dinge, die in den Hintergrund getreten sind. Das ist schon auffallend.

Wie sollte ein Kurs verlaufen, damit Sie hinterher zufrieden auf ihn zurückblicken können?

Lechner: Das habe ich mir noch nie überlegt. Bis jetzt war es eigentlich im Allgemeinen immer so, dass am Ende einer Veranstaltung eine gelöste und dankbare Stimmung geherrscht hat. So nehme ich an, dass die Inhalte den Leuten etwas in die Hand gegeben haben, womit sie einen Schritt weiter gehen können. (Interview: Florian Ertl und Katharina Zöpfl)

Vom 26. bis 28. November findet in St. Ottilien ein Spiritualitätswochenende zum Thema Mystik statt. Infos und Anmeldung unter 0177 344 06 86 oder per Mail: sr.emmanuela@web.de.