Vorbilder im Glauben

Bedeutende christliche Mystiker

Bernhard von Clairvaux, Meister Eckhart, Teresa von Ávila, Madeleine Delbrêl - vom Mittelalter bis in die Neuzeit faszinieren Mystiker und ihre Gotteserfahrungen die Menschen.

Was man von Mystikern für das eigene Glaubensleben lernen kann. © Omm-on-tour - stock.adobe.com

Bernhard von Clairvaux

Honigfließender Lehrer (doctor mellifluus) lautet der Beiname von Bernhard von Clairvaux. Seine Worte erscheinen seinen Zuhörern süß wie Honig. Überhaupt muss er eine anziehende Persönlichkeit gewesen sein: Als der französische Adlige 1113 in das Zisterzienserkloster Cîteaux eintritt, bringt er gleich eine ganze Gruppe seiner Freunde und Verwandten mit. Später erhält er den Auftrag, gemeinsam mit anderen Mönchen das Kloster Clairvaux zu gründen.

Bernhards Einzigartigkeit kommt aus seiner Verbindung von Theologie und Erfahrung. Letztere nennt er sogar „Magistra“, Lehrmeisterin, und wertet sie damit stark auf. Zwischen dogmatischer und mystischer Theologie findet sich bei Bernhard keine scharfe Trennung. Seine Predigten über das alttestamentliche Buch Hohelied zählen zu den schönsten Texten christlicher Mystik.

„Auch Gott liebt, aber er hat dies nicht von anderswoher, sondern er selbst ist der Grund, weshalb er liebt. Und er liebt umso glühender, als er nicht so sehr Liebe hat, als selbst die Liebe ist.“

Meister Eckhart

Meister Eckhart (ca. 1260-1328) ist der wohl bedeutendste Mystiker des Mittelalters. Er wirkt nicht nur als Prior des Dominikanerklosters in Erfurt, sondern auch als akademischer Lehrer in Paris. Dadurch erlangt er den Titel Magister, deutsch Meister. Theologisch grundlegend ist für ihn, dass alles Geschaffene sein Sein in Gott hat. Die ganze Schöpfung ist radikal von Gott abhängig. Wendet sich ein Mensch Gott zu, kehrt er zu seinem eigentlichen Sein zurück.

Das drückt der Dominikaner auch in seinen Predigten aus. Darin spricht er von einem „Seelenfünklein“ im Menschen. Dieser innerste Kern ist Ausdruck dessen, dass Gott ihn als sein Abbild geschaffen hat. Der Weg zu diesem inneren Seelenfünklein führt den Menschen zu Gott. Daneben verwendet er noch ein zweites, dynamischeres Bild der für diese innige Nähe: die Gottesgeburt im Menschen. Gott müsse in jeder einzelnen Seele geboren werden. Damit vollzieht sich die Heilsgeschichte in jedem Individuum immer wieder neu.

„Gott und ich, wir sind eins. Durch das Erkennen nehme ich Gott in mich hinein; durch die Liebe hingegen gehe ich in Gott ein.“

Teresa von Ávila

Sie gilt als Inbegriff der plastischen Darstellung einer mystischen Erfahrung: die „Verzückung der heiligen Teresa“ des Bildhauers Gian Lorenzo Bernini. Die Marmorskulptur zeigt die Heilige (1515-1582) in Ekstase. Der Künstler hat einen Bericht von ihr bildlich umgesetzt, in dem sie eine Engelsvision beschreibt. Teresa sieht, wie ein Engel mit einem Pfeil ihr Herz durchbohrt, dabei spürt sie einen „süßen Schmerz“ und eine flammende Liebe zu Gott.

So ergeht es der spanischen Ordensfrau aber keineswegs ihr ganzes Leben lang. Ebenso wie mystische Vereinigungen macht sie Erfahrungen von geistlicher Trockenheit und ringt um die richtige Art, zu beten. Vielleicht auch deswegen relativiert sie selbst ekstatische Erfahrungen, die nicht das Wesen der Mystik ausmachten. Im Zentrum steht vielmehr die Beziehung zu Jesus Christus, dem menschgewordenen Gott.

„Meiner Meinung nach ist inneres Beten nichts anderes als ein Gespräch mit einem Freund, mit dem wir oft und gern allein zusammenkommen, um mit ihm zu reden, weil wir sicher sind, dass er uns liebt.“

Madeleine Delbrêl

Madeleine Delbrêl (1904-1964) zeigt, dass es Mystiker nicht nur in lang vergangenen Zeiten gab. Als Jugendliche ist die Französin streng atheistisch. Eines Tages beschließt sie, inspiriert von Teresa von Ávila, einfach einmal zu dem Gott zu beten, an den sie nicht glaubt. Das unerwartete Ergebnis dieses Gebets: Plötzlich spürt sie eine Gewissheit, dass Gott existiert. Sie entscheidet sich, Jesus mitten in der Welt nachzufolgen.

Gemeinsam mit zwei Begleiterinnen gründet sie eine kleine christliche Gemeinschaft in einem Arbeiter-Vorort von Paris. In einem kommunistisch-atheistisch geprägten Umfeld lebt sie als Sozialarbeiterin die Liebe, die sie bei Gott erlebt hat und deren Erfahrung sie auch anderen ermöglichen will. Madeleine Delbrêl wird zur „Mystikerin der Straße“.

„Für den Glaubenden ist Gott nicht der schönste Einfall der Menschen, nicht ihr erhabenster Gedanke, nicht ihr wunderbarstes Ideal. Gott ist für ihn überhaupt nicht irgendetwas, er ist Jemand.“ (Madeleine Delbrêl, Frei sein für Gott, Einsiedeln 1979, 151)
(Theresia Kamp, freie MK-Autorin)