Karfreitag: Tod Christi

Kennt man die letzten Worte Jesu?

Berühmte letzte Worte gibt es viele. Das gilt auch für die finalen Lebensstunden Jesu am Kreuz. Seine letzten überlieferten Sätze sind eine Komposition aus allen vier Evangelien. Ob sie Christus genau so gesagt hat, spielt für Pfarrer Stefan Maria Huppertz nicht die entscheidende Rolle.

Die sieben letzten Worte Jesu sind eine Komposition aus allen vier Evangelien. Auch dieses alte Psalmwort ist in den Evangelien Matthäus und Markus zu finden. © stock.adobe.com - Jürgen Fälche

Erste und letzte Worte bilden einen wichtigen Rahmen. Was sind die ersten Worte der neuen Ministerin? Was sind die letzten Worte des sterbenden Papstes? Erste Worte zeigen eine gewünschte, erhoffte und zugesagte Richtung auf. Letzte Worte schauen auf den Weg zurück, deuten und komprimieren ihn. Waren Goethes letzte Worte wirklich „Mehr Licht!“? Und äußerte er damit einen neuen Erkenntnisstand oder doch nur den Wunsch nach einer weiteren Kerze?

Letzte Worte gehören wohl meist auch in den Bereich der Deutung. „Herr, ich liebe dich“ sollen die letzten Worte Benedikts XVI. gewesen sein. Ein einziger Pfleger will sie gehört haben. Ob es so war oder auch nicht: Diese letzten Worte würden zu Benedikt XVI. passen.

So kann man sich wohl auch den letzten sieben Worten Jesu am Kreuz nähern. Kein Evangelist berichtet sie im Zusammenhang. Sie sind eine Komposition aus allen vier Evangelien. Und auch wenn sie der Herr so am Kreuz vielleicht nicht gesagt hat, sind sie trotzdem wahr und richtig, weil Jesus Christus mit seiner ganzen Existenz, seiner Haltung und seinem Handeln durch diese Worte aufscheint.

„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lk 23,34)

Selbst noch am Kreuz gilt die Aufmerksamkeit und Sorge des Herrn den Menschen. Die letzten Herzschläge sind von Barmherzigkeit geprägt. Der zugewandte Heiland wird hier besonders sichtbar.

„Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ (Lk 23,43)

Begegnung auf Augenhöhe zwischen dem Menschensohn und dem Verbrecher. Jesus verurteilt nicht. Er zeigt einen neuen Weg auf und verheißt bleibende Gemeinschaft mit ihm.

„Frau, siehe, dein Sohn! – Siehe, deine Mutter!“ (Joh 19,26f.)

Unter dem Kreuz entsteht Kirche als Gruppe derer, die aus verschiedenen Perspektiven auf Christus schauen. Unter dem Kreuz entstehen neue Zugehörigkeit und verwandtschaftliche Beziehung.

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46 + Mk 15,34)

Jesus nimmt hier ein altes Psalmwort als persönliches Gebet. Er sieht sich ganz in der Geschichte Israels. Gleichzeitig wird hier die menschliche Dimension des Gottessohnes erfahrbar, wenn er seine Verzweiflung ausdrückt.

„Mich dürstet.“ (Joh 19,28)

Wiederum wird der Mensch Jesus von Nazareth ganz sichtbar. Hier leidet wirklich jemand existentielle Not. Er hat Durst. So wirklich ist das Kreuz. So echt ist die Solidarität Gottes mit den Menschen. Bis in die Grundbedürfnisse hinein geht der Menschgewordene mit hinein.

„Es ist vollbracht!“ (Joh 19,30)

In der Gewissheit des Kommenden beendet Jesus am Kreuz sein öffentliches Wirken. Er weiß, dass diese Etappe endet, damit die neue beginnen kann. Der Gekreuzigte muss sterben, damit der Auferstandene die Macht des Todes brechen kann.

„Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist.“ (Lk 23,46)

Wieder ein Psalmwort aus der Gebetstradition des auserwählten Volkes, zu dem Gott als Erstes sprach. Letzte Äußerung der Abba-Relation, der Verbindung von Vater und Sohn, die Jesus gerade in der Stille und auf Bergen in der Einsamkeit gesucht hat. Auch am Ende seines menschlichen Weges macht er sich hier erneut fest, um gut loslassen zu können.

Die vorösterliche Bußzeit richtet den Blick auf Tod und Abschied, bevor wir an Ostern Auferstehung feiern. Diese Zeit kann einer orientierenden Frage Raum geben: Welche letzten Worte könnten mein Leben zusammenfassen? Und welche Schritte stehen jetzt an, damit der Weg dorthin ein guter wird? (Pfarrer Stefan Maria Huppertz, Leiter des Pfarrverbandes München West)