Orientierung ohne Bevormundung

Katholische Entscheidungshilfe zur Bundestagswahl veröffentlicht

Wahlplakate, TV-Trielle, seitenlange Wahlprogramme - die Entscheidung bei welcher Partei man sein Kreuz macht, ist nicht immer einfach. Die Kurzanalyse der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle kann eine Hilfe sein.

Am 2. September 2021 findet in Deutschland die Bundestagswahl statt. © Marco Martins - stock.adobe.com

Seit über 40 Jahren gibt es keine politischen Wahlempfehlungen der Deutschen Bischofskonferenz mehr. Wer eine „sozialethische Orientierungshilfe“ zur Bundestagswahl am 26. September sucht, wird jedoch bei der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle (KSZ) fündig.

Die in Mönchengladbach angesiedelte Einrichtung der Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) veröffentlichte eine 31-seitige „Kurzanalyse“ zu den Wahlprogrammen der sechs Parteien, die im Bundestag vertreten sind. Im Auftrag der Katholischen Erwachsenenbildung Sachsen nahm sie deren Aussagen zu Wirtschafts- und Sozialpolitik, Corona-Politik, inneren Sicherheit, Entwicklungszusammenarbeit, Migrationspolitik, Klimapolitik, Familienpolitik, Genderpolitik und Lebensrecht, Bildungspolitik sowie Kirche, Staat und Religionspolitik unter die Lupe.

Lob und Tadel

Maßstab ist die Katholische Soziallehre: Sie hat keine Handlungsanweisungen zu allen aktuellen politischen Themen, wie KSZ-Direktor Peter Schallenberg betonte. Die Studie orientiert sich vor allem an den „Sozialprinzipien“ Personalität, Gemeinwohl, Solidarität, Subsidiarität und Nachhaltigkeit. Sie lassen eine „legitime Pluralität der Meinungen“ zu, erklärte Schallenberg.

Umso mehr stechen die Fälle von Lob und Tadel hervor. Kritisiert wird vor allem die AfD, in geringerem Maße auch „Die Linke“. So vertrete die AfD eine „ethisch höchst bedenkliche Position“, wenn sie verpflichtende Corona-Schutzmaßnahmen ablehne. Wenn die Partei allein auf Freiwilligkeit setze, werde dies der Schutzpflicht des Staates nicht gerecht.

Mit Blick auf innere Sicherheit heißt es: „Ob dieser strikte und einseitige Fokus auf Menschen mit Migrationshintergrund und auf linksextremistische Gewalt ein verhältnismäßiger und sachgerechter Beitrag zur Kriminalitätsbekämpfung ist, kann mit Recht bezweifelt werden.“ Beim Thema Internationale Zusammenarbeit bescheinigt die Studie der AfD „ein fast völliges Fehlen internationaler Verantwortung im Einsatz für weltweite soziale Gerechtigkeit“. Die Forderung nach einem EU-Austritt Deutschlands sei „ganz gegen die Überzeugung der katholischen Sozialethik“.

Praktische Umsetzung

Auch an der Linkspartei übt die Studie teils deutliche Kritik. So wendet sie sich gegen deren Forderung nach Erhöhung des Mindestlohns auf 13 Euro. Dies könnte „kleinere und mittelständische Unternehmen, gerade auch im Nachhinein der Coronapandemie, in wirtschaftliche Probleme bringen.“

Mit Blick auf die Forderung nach einer staatlichen Impfstoffproduktion hält es die Studie für fraglich, ob „ohne marktwirtschaftliche Anreize für miteinander im weltweiten Wettbewerb stehende Pharmaunternehmen die Corona-Impfstoffe derart schnell und mit zugleich hoher Wirksamkeit hätten entwickelt werden können“. Bei mehreren Punkten zollt die Studie den Parteien Lob, wenn auch zumeist verbunden mit der Mahnung, dass es auf die praktische Umsetzung ankomme. So bewertet sie eine von CDU/CSU und FDP bei der Migrationspolitik angestrebte Verbindung von Humanität und Ordnung „als sozialethisch ausgewogenste Leitperspektive“. Sie dürfe jedoch „nicht zu Lasten dessen gehen, was für einen humanen Umgang mit Migranten unentbehrlich ist“, heißt es mit Blick auf sichere Herkunftsländer und Abschiebungen dorthin.

Heikle Themen

Positiv hebt die Studie hervor, dass Union, SPD und Grüne den Beitrag der Religionsgemeinschaften ausdrücklich würdigen. Der Union bescheinigt sie, dass sie sich als einzige „zum Einsatz für Christen als weltweit am stärksten verfolgte Religionsgemeinschaft explizit bekennen“.

Zum Thema Abtreibung hat die Studie in den Programmen der Unionsparteien dagegen „keine eigene Positionierung“ gefunden. Sie vermerkt, dass die FDP die Abschaffung des Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch fordert, der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt, und dass Grüne, SPD und Linke strafrechtliche Regelungen von Schwangerschaftsabbrüchen streichen wollen. „Hier ist ausdrücklich festzuhalten, dass nach katholischer Soziallehre jede Form der direkten Tötung eines ungeborenen Kindes als unzulässig anzusehen ist“, betont die Studie. (kna)