Bundestagswahlen 2021

Erstmals dürfen 85.000 Menschen mit Behinderung wählen

Am kommenden Sonntag sind 61,5 Millionen Bürger aufgerufen, einen neuen Bundestag zu wählen. Erstmals ist bei einer Bundestagswahl eine besondere Gruppe dabei: Rund 85.000 Menschen mit Vollbetreuung dürfen mitwählen.

Behinderte Menschen mit Vollbetreuung dürfen dieses Jahr das erste Mal wählen. © Vectorfair.com - stock-adobe.com

Berlin – Eigentlich ist die Sache klar: Den Bundestag wählen dürfen, vereinfacht gesagt, alle deutschen Staatsbürger, die am Wahltag 18 oder älter sind. Am 26. September trifft das laut Angaben des Bundeswahlleiters auf etwa 61,5 Millionen Menschen zu. Eine besondere Gruppe war bislang ausgeschlossen. Sie kann nun erstmals bei einer Bundestagswahl ihre Stimme abgeben.

Im Paragraf 13 des Bundeswahlgesetzes stand noch bis vor rund zwei Jahren, dass bislang nicht wählen kann, "wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt" sowie Menschen mit einer geistigen Behinderung, die in einer "dauerhaften Vollbetreuung" leben, und "schuldunfähige Straftäter", die in psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht sind.

Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz

Diese Regelung war 2019 vom Bundesverfassungsgericht gekippt worden.
Begründung: Der pauschale Ausschluss verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und gegen das Verbot der Benachteiligung behinderter Menschen. Der Bundestag beschloss dann die Gesetzänderung, auf die sich Union und SPD bereits in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt hatten.

Zu der Gruppe, die erstmals bei der Bundestagswahl wählen darf, gehören insgesamt schätzungsweise 85.000 Menschen. Sie sind auf Hilfe angewiesen - angefangen von Informationen in Leichter Sprache bis hin zu einer Betreuung bei der Stimmenabgabe.

Die meisten von ihnen hatten bereits bei der Europawahl vor zwei Jahren durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Möglichkeit ihre Stimme abzugeben. Allerdings mussten sie damals wegen der Kürze der Zeit bis zum Wahltermin noch einen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis stellen. Das brauchten sie bei der Bundestagswahl am Sonntag nicht mehr.

Weit entfernt von einer gleichberechtigten Wahl

Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, begrüßte die Wahlrechtsänderung. Die Bundestagswahl 2021 sei fairer als die vorige, weil die mehr als 85.000 unter Betreuung stehende Menschen jetzt wählen dürften", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er weiß, dass darunter auch 60-Jährige sind, die 2021 das erste Mal ihre Stimme abgeben könnten.

Von einer gleichberechtigten Wahl für alle Personen mit Behinderungen sei Deutschland indes noch "weit entfernt": 13 Millionen Menschen mit Beeinträchtigungen hätten weiterhin Schwierigkeiten, ihre Stimme abzugeben. Dazu zähle auch, dass es in vielen Wahllokalen keine umfassende Barrierefreiheit gebe. (kna)