Meinung
Gesellschaftliche Diskussion

Gendergerechte Sprache?

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird immer nur die männliche Form verwendet. Durch das Gendern sollen auch Frauen bedacht werden. Doch die Meinungen zum Gendern gehen auseinander. Eine Gleichstellungsbeauftragte und eine Journalistin diskutieren.

Katharina Dötsch und Birgit Kelle © privat/Kerstin Pukall, Hamburg

Pro: Sprache soll wertschätzen

Sprache ist soziales Handeln. Mit Sprache schaffen wir Wirklichkeiten, Sprache kann diskriminieren, abgrenzen, abwerten. Aber genauso kann Sprache inkludieren, wertschätzen, Grenzen überwinden. Ludwig Wittgenstein hat dazu gesagt: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ Die Diskussion um geschlechtergerechte Sprache ist kein neues Thema. In der Sprache soll die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in gesprochener und geschriebener Form zum Ausdruck gebracht werden. Sprache ist ein Baustein zu einer geschlechtergerechten Welt, auch einer geschlechtergerechten Kirche.

In den Leitlinien zur Gleichstellungsordnung des Erzbischöflichen Ordinariats München (EOM) steht seit 2006 dazu: „In allen Schreiben des EOM ist bei der Bezeichnung von Personen und Stellen (sofern nicht etwas anderes angezeigt ist) die weibliche und männliche Form anzuwenden, damit sich Frauen und Männer stets gleichzeitig angesprochen fühlen. Folgende Schreibmöglichkeiten können dabei gewählt werden: ‚Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter‘ – ‚Mitarbeiter/innen‘.“

Wenn wir als Kirche den Anspruch vertreten, eine Kirche für alle Menschen zu sein und niemanden auszuschließen, dann dürfen wir das auch nicht über unsere Sprache machen. Dann müssen wir jetzt vielmehr überlegen, wie sich Sprache weiter diskriminierungsfrei entwickeln kann. Was können wir tun, um auch das aktuelle Personenstandsgesetz von 2019 in der Sprache zum Ausdruck zu bringen? Dabei lässt sich feststellen, dass es keine Norm gibt, nur verschiedene Ideen und Möglichkeiten! Diese müssen sich entwickeln, diese müssen wir mitentwickeln.

Welche Möglichkeiten gibt es? Viele Möglichkeiten werden gerade ausprobiert – das Binnen-I („LeserInnen“), der „Gender-Stern“ („Leser*innen“), der „Gender-Gap“ („Leser_Innen“) oder auch der „Gender-Doppelpunkt“ („Leser:innen“), den Computervorleseprogramme gut umsetzen können, indem sie in der Sprachausgabe nur kurz absetzen und flüssig weiterlesen. Somit wäre das sogar eine Variante für digitale Barrierefreiheit.

Wir sehen, geschlechtergerechtes Schreiben ist möglich. Es ist eine Frage des Willens und des Wollens, des Sich-Bemühens, mit unserer Sprache kreativ umzugehen. Oft brauchen wir dann auch nicht mehr Wörter oder Zeichen! Eine geschlechtergerechte Sprache macht Frauen wie Männer deutlich sichtbar, spricht beide ausdrücklich an und bemüht sich um eine Symmetrie, in der Frauen und Männer gleichwertig benannt werden. Eine geschlechtergerechte Sprache fördert, dass Frauen (wie Männer) als eigenständige Menschen und als aktiv Handelnde gesehen werden, dass Leistungen von Frauen (und Männern) gesehen und anerkannt werden, und dass Frauen (und Männer) motiviert werden, das Leben in der Kirche mitzugestalten und mitzubestimmen. (Katharina Dötsch, Gleichstellungsbeauftragte der Erzbischöflichen Ordinariats München)

Das Gendern ist ein sprachliches Mittel, das zur Geschlechtergerechtigkeit beitragen soll. Meist wird im allgemeinen Sprachgebrauch nur die männliche Form verwendet, doch inzwischen benutzen viele Menschen Gendersternchen oder Unterstriche, um alle Geschlechter gleichermaßen anzusprechen. Das soll zum Beispiel dazu führen, dass sich Frauen auch für Berufe interessieren, die als typische „Männerberufe“ gelten. (ml)

Contra: Vernichtung der Muttersprache

Eine Seuche grassiert in Deutschland: Sternchen, Striche, Doppelpunkte – so weit das Auge reicht, wird mit Sonderzeichen alles gegendert, was nicht bei drei auf den Bäumen oder wenigstens in einem gendersensiblen „Diversity“-Sprach-Seminar sitzt. Anne Will und ihre „Kolleg*Innen“ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk veratmen gar mit künstlichen Sprechpausen den Genderstern, stets bemüht, keines der vielen Geschlechter zu diskriminieren, die täglich neu entdeckt werden. „Lehrende“ verursachten mehr Corona-Infektionen als „Schüler:innen“, lehrt uns die Tagesschau – ob das auch für Schlafende im Unterricht gilt, ist nicht geklärt.

Die SPD-Justizministerin Christine Lambrecht legte gar einen ganzen Gesetzesentwurf in rein weiblicher Form vor. Es wird die Männer sicher freuen, wenn sich bald nur noch Frauen strafbar machen können. Derweil gendert sich die evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg in Richtung Ostern und lässt im Lukas-Evangelium Maria ihren Schöpfer geschlechtsneutral besingen: „Meine Seele preist die Größe der Lebendigen, mein Geist jubelt über G*tt, die mich rettet.“ Amen.

Und jetzt auch noch der Duden. Bekanntlich braucht man Jahrzehnte, um einen guten Ruf aufzubauen, und nur ein Blinzeln der Geschichte, um ihn zu vernichten. Wollen wir loben, dass diese einzigartige Vernichtung von Reputation ganz auf das Erfolgskonto von Frauen in der Duden-Redaktion geht? Oder müssen wir jetzt nicht „Menschinnen“ sagen, um niemanden zu verletzen? So steht es neuerdings ernsthaft auf der Internetseite des Duden, zusammen mit weiteren feministisch aufgeblasenen Kunstbegriffen wie etwa der „Bösewichtin“. Damit sind sicher Frauen wie ich gemeint, die die Vernichtung unserer Muttersprache nicht als emanzipatorische Errungenschaft, sondern als Himmelfahrtskommando betrachten.

Gendersprache ist nicht witzig, sie klingt nur so. Es ist auch keine Sprache, sondern eine demonstrativ vorgetragene Haltung: Seht her, ich bin besonders gendersensibel und ihr nicht! Sprache ist Kulturgut, ein vorstaatliches Erbe, das wir hüten sollten. Es waren immer nur totalitäre Systeme, die Menschen vorzuschreiben versuchten, wie sie etwas benennen dürfen. Die Ambition, Sprache zu reglementieren, scheint derweil uralt. „Wo Worte ihre Bedeutung verlieren, verlieren Menschen ihre Freiheit“, sagte Konfuzius vor 2.500 Jahren. Kürzlich wurden Hebammen in England angewiesen, auf der Entbindungsstation nicht mehr von „Muttermilch“ zu sprechen, weil sich Transmenschen dadurch diskriminiert fühlen könnten. Stattdessen solle es jetzt „Menschenmilch“ heißen. Du liebe Gött*in! Was soll das für ein Feminismus sein, wenn man sich schon sprachlich die Weiblichkeit rauben lässt und nicht einmal darauf einigen kann, dass Mütter immer und zwingend Frauen sind? (Birgit Kelle, Journalistin und Buchautorin)

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Frauen und Kirche