Vor 80 Jahren hingerichtet

Gedenken an Kurt Huber und Alexander Schmorell

Im Juli 1943 wurden die beiden Mitglieder der Weißen Rose im Gefängnis Stadelheim getötet. Beide waren ungewöhnliche und tiefreligiöse Persönlichkeiten.

Am Geschwister-Scholl-Platz in München erinnert ein Denkmal an die Widerstandsgruppe Weiße Rose. © IMAGO/imagebroker/siepmann

Am Morgen des 13. Juli 1943 überprüft Johann Reichhart noch einmal die Mechanik seines Fallbeils. Rund 3.150 Todesurteile hat der Scharfrichter im Lauf seiner „Karriere“ vollstreckt, nahezu alle im Auftrag der NS-Justiz. An diesem Dienstag richtet er Alexander Schmorell und Kurt Huber im Gefängnis München-Stadelheim hin, Mitglieder der Weißen Rose. Reichhart ahnt nicht, dass er zwei Männer tötet, nach denen nur wenige Jahre später Straßen und Plätze benannt werden, deren 80. Todestag mit einem ökumenischen Gottesdienst gewürdigt wird.

Es sind zwei ungewöhnliche und tiefreligiöse Persönlichkeiten, die der sogenannte Nachrichter auf die Guillotine fesselt. Alexander Schmorell ist in Orenburg im Ural geboren, Sohn eines deutschen Vaters und einer russischen Mutter, die ihn orthodox taufen lässt. Nach der Revolution kommt er nach Deutschland, wächst zweisprachig auf und tritt 1933 als 16-jähriger sogar der SA bei. Der künstlerisch begabte junge Mann, merkt aber schnell, dass er sich einer menschenverachtenden Ideologie angeschlossen hat. Er wendet sich nicht nur innerlich von ihr ab.

Elend an der Ostfront

Während seiner Wehrpflichtzeit vor dem Zweiten Weltkrieg, bekommt er immer wieder Ärger mit seinen Vorgesetzten. Dennoch wird er 1942 eingezogen. Er protestiert gegen seinen Kriegsdienst, verweigert den Eid auf Adolf Hitler und verweist auf seine russische Herkunft: er wäre gezwungen auf Landsleute zu schießen. Das hindert die deutsche Wehrmacht aber nicht, den Medizinstudenten zum Sanitätsdienst an der Ostfront zu verpflichten, wo er das Elend russischer Kriegsgefangener sieht und von der Ermordung der Juden in Polen erfährt. Schon zuvor hat er mit Hans Scholl die ersten Flugblätter der Weißen Rose verfasst.

Als Schmorell von der Front zum weiteren Studium nach München zurückgeschickt wird, suchen er und sein Freundeskreis die Verbindung zu Professor Kurt Huber, der in seinen Vorlesungen unverblümt das Regime kritisiert. Der 1893 im schweizerischen Chur geborene Musikwissenschaftler, Philosoph und Psychologe ist 24 Jahre älter als Schmorell. Huber ist ein entschiedener Anti-Bolschewist und ein konservativer Denker, der gerne von der Volksgemeinschaft schwärmt. Auch seine Erforschung der bayerischen Volksmusik hat dort seine Wurzeln.

Verbundenheit zur Kirche

1940 meldet ihn seine Frau sogar als NSDAP-Mitglied an, damit seine akademische Laufbahn nicht ständig blockiert und das schmale Familieneinkommen aufgebessert wird. Er weigert sich aber Kampflieder für den NS-Studentenbund und die Hitlerjugend Kampflieder zu komponieren. Einige Nazis unter den Wissenschaftskollegen denunzieren ihn schon lange, weil Huber seine Verbundenheit zur katholischen Kirche betont und dadurch „parteifeindlich“ wirke. Er lehnt das offensichtliche Unrecht der braunen Gewaltherrscher deutlich ab. Darum schließt er sich dem Widerstand der Weißen Rose an.

Er entwirft das sechste und letzte Flugblatt der Gruppe, das stark an den Patriotismus der deutschen Leser appelliert. Um es zu verbreiten, werfen es die Geschwister Scholl in den öffentlichen Lichthof der Münchner Universität. Der Hausmeister ertappt sie dabei und zeigt sie an. Die Weiße Rose fliegt auf. Der Volksgerichtshof spricht schnell die Todesurteile aus. Kurt Huber hinterlässt zwei kleine Kinder. Sein Sohn Wolfgang erzählt als alter Mann in Interviews immer wieder, wie sich die Herkunftsfamilie des Professors scharf abwandte, die Gewissenstat als Verrat verurteilte.

Blutzeuge und Heiliger

Heute ist Kurt Huber im Münchner Diözesanteil des „Gotteslob“, dem Gesangbuch der katholischen Kirche, als Blutzeuge aufgeführt. Die russisch-orthodoxe Kirche im Ausland hat Alexander Schmorell 2012 heiliggesprochen. Sein Bild ist in der Münchner Kathedrale der Glaubensgemeinschaft zu finden, in der Ikonostase, der heiligen Bilderwand. Vor der Universität in seiner Geburtsstadt Orenburg ist ihm sogar ein Denkmal gewidmet. Vielleicht gibt sein Vorbild aktuell vielen russisch-orthodoxen Christen besonders zu denken und auch Mut, sich gegen ein totalitäres Regime zu wenden.

Und vielleicht bringt das Gedenken an den Patrioten Kurt Huber den einen oder anderen Anhänger der neuen Rechten in Deutschland kurz zum Innehalten. Er war überzeugt, für sein Vaterland zu sterben, das seiner Meinung nach einen starken Rechtsstaat braucht, der Minderheiten schützt und ideologischen Fanatismus bekämpft.

Am Sonntag, 9. Juli, um 9 Uhr würdigt ein ökumenischer Gottesdienst in der Evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau den 80. Todestag von Kurt Huber und Alexander Schmorell. Der Gottesdienst ist mit einer Lesung aus Briefen der beiden Widerstandskämpfer verbunden. Musikalisch gestaltet der Münchner Gospelchor St. Lukas das Gedenken.

Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de