Vor 80 Jahren starb Willi Graf

Erinnerung an Widerstand lebendig halten

Heute vor 80 Jahren wurde Widerstandskämpfer Willi Graf in der Haftanstalt München-Stadelheim hingerichtet. Gemeinsam mit Sophie und Hans Scholl setzte er sich als Mitglied der „Weißen Rose“ für ein Ende des Naziregimes ein. Nun wird eine eventuelle Seligsprechung geprüft.

Widerstandskämpfer Willi Graf starb am 12. Oktober 1943 im Alter von 25 Jahren unter dem Fallbeil © Wikipedia, gemeinfrei

Unter dem Leitgedanken „Jeder Einzelne trägt die ganze Verantwortung“, den Graf 1942 in seinem Tagebuch notiert hatte, richten der Weiße Rose Institut e.V. und das Erzbischöfliche Ordinariat München heuer eine Tagung aus, die sich mit dem Leben Grafs, aber auch der Rolle der katholischen Kirche im Dritten Reich zwischen Widerstand, Distanz, Anpassung und Kollaboration befasst. Zur Todesstunde Grafs um 16:45 Uhr feiert Kardinal Reinhard Marx heute in der Münchner Pfarrkirche St. Sylvester einen Gottesdienst. Während seines Medizinstudiums an der Ludwig-Maximilians-Universität wohnte Graf unweit der Kirche und besuchte dort regelmäßig Gottesdienste. Für den Gedenkgottesdienst wird das Kreuz aus Stadelheim ausgeliehen, vor dem Graf und die anderen Mitglieder der „Weißen Rose“ vor ihrer Hinrichtung gebetet haben. Als Erstaufführung wird die Vertonung des ins Englische übertragenen Briefes von Willi Graf zu Gehör gebracht, von der amerikanischen Komponisten Jennifer Rosenfeld für Tenor und Violine komponiert.

Für Hildegard Kronawitter, die Vorsitzende des Vereins Stiftung Weiße Rose, ist der 80. Todestag von Willi Graf ein bewegendes Datum. „Auch wenn es schon lange her ist, erinnern wir die grausame Hinrichtung natürlich in Verbindung mit dem damals 25-Jährigen und seinem Engagement gegen diese schreckliche Diktatur.“ Besonders fasziniert sie, dass Graf und seine Freunde von der „Weißen Rose“ ihren Widerstand gewaltfrei gestaltet haben. „Sie haben mit Flugblättern darauf gesetzt, man müsse die Menschen informieren und sie sollten erfahren, was tatsächlich in dieser Diktatur geschieht, und sie sollten spüren, dass jeder eine Verantwortung hat, dass die Diktatur zu Ende geht.“

Entscheidung des Gewissens

Der Widerstand Grafs sei nur im Kontext der „Weißen Rose“ zu denken, ist sich Kronawitter sicher. Bei seiner Gewissensentscheidung hätten ihn auch Zweifel geplagt: „Ist es den Einsatz wert?“ Sein Gewissen sei durch seine katholische Sozialisation geprägt. Im rheinländischen Euskirchen geboren und in Saarbrücken aufgewachsen, war er Teil der katholischen Jugendbewegungen der damaligen Zeit. Trotzdem habe er wohl nicht direkt aus einem religiösen Impuls heraus gehandelt, sondern aus seinem Gewissen.

Gerade junge Menschen seien vom studentischen Widerstand berührt, erzählt die Vorsitzende der Stiftung Weiße Rose, auch weil sie in einem ähnlichen Alter sind wie Graf und seine Freunde damals. Viele fragten sich: „Was würde ich in so einer Situation tun?“ Das Beispiel der Weißen Rose sei dazu geeignet, junge Menschen dazu zu ermutigen, sich zu rühren, wenn sie spüren: „Da kann man nicht mitmachen, da kann man nicht schweigen.“

Auftrag: Botschaft der „Weißen Rose“ weitertragen

Die Stiftung ist für die Gedenkstätte „Weiße Rose“ in der Universität verantwortlich. Sie führen Gruppen und organisieren eine Wanderausstellung zum Leben Willi Grafs, die sich gerade in Siegen befindet. „Wir haben hier einen Auftrag“, erklärt Kronawitter dazu. „Willi Graf hat in seinem letzten Brief an seine Schwester Anneliese, der er besonders verbunden war, geschrieben: ,Bitte sage meinen Freunden, sie sollen weitertragen, was wir begonnen haben.‘“ Deshalb fühlen sich die Mitarbeiter der Stiftung als Freunde Grafs, die die Botschaft einer gerechten Gesellschaft, einer demokratischen Ordnung und eines zivilen Miteinanders weiterzutragen haben.“

Anlässlich des 100. Geburtstages von Willi Graf eröffnete am 02. Januar 2018 das Erzbistum München und Freising eine Voruntersuchung zur Prüfung, ob eine Möglichkeit zur Seligsprechung besteht. Dr. Johannes Modesto ist Pastoralreferent und Postulator für diözesane Seligsprechungsverfahren in der Erzdiözese München und Freising. Er erklärt im Gespräch mit mk online, die Historische Kommission sei dabei, das archivalische Material zu sichten und zu beurteilen. „Die Theologischen Gutachter geben dann ein Votum bezüglich Glaube und Sitte nach Sichtung der Materialien ab.“ Herausfordernd sei es, Zeuginnen zu finden, die eine entsprechende Auskunft über Willi Graf geben könnten, schon weil es wohl keine Augenzeugen mehr gebe.

Für die Mitarbeiter der Stiftung Weiße Rose würde die Seligsprechung bedeuten, dass in der öffentlichen Wahrnehmung ein besonderes Licht auf Willi Graf fiele, auch im Hinblick auf seine Gewissensentscheidung, die zum Widerstand geführt hat. „Natürlich würden wir eine Seligsprechung begrüßen, aber das ist ein innerkirchlicher Prozess, der gut stattfinden soll.“ Doch trotz aller Schwierigkeiten stehen die Chancen zur Prozesseröffnung in den nächsten zwei Jahren laut Postulator Modesto gut.

Der Redakteur
Maximilian Lemli
Münchner Kirchenzeitung
m.lemli@michaelsbund.de