Ausstellung in Rom

Gedenkstätte erinnert an neue Märtyrer

Bei dem Begriff "Märtyrer" wird oft direkt an das frühe Christentum zurückgedacht. Aber auch in der jüngeren Vergangenheit bis in die Gegenwart hinein sind Menschen wegen ihres Glaubens gestorben. In Rom gibt es nun einen Erinnerungsort, der ihre Geschichte schildert.

Ausstellungsbereich der Gedenkstätte der Märtyrer des 20. Jahrhunderts in der Basilica San Bartolomeo in Rom. © Paolo Galosi/Romano Siciliani/KNA

Gebetbücher, Kreuze, Rosenkränze - auf den ersten Blick scheint die kleine Gedenkstätte in Rom jene Gegenstände auszustellen, die ein frommer Mensch eben besitzt. Auf den zweiten Blick entdecken Besucherinnen und Besucher der unterirdischen Räume auf der Tiber-Insel dann aber doch die berührenden und schockierenden Geschichten, die hinter den unscheinbaren Gegenständen stecken.

Da ist zum Beispiel der Stein, mit dem der polnische Priester Jerzy Popieluszko 1984 von Offizieren des kommunistischen Staatssicherheitsdienstes erschlagen worden sein soll. Eine Texttafel mit Popieluszkos Porträt erzählt die Hintergründe. Da sind die Briefe des österreichischen Bauern Franz Jägerstätter, die er kurz vor seinem Tod 1943 in einem Gefängnis in Berlin schrieb. Hingerichtet wurde der Katholik, weil er aus Glaubensgründen den Dienst in Hitlers Wehrmacht verweigerte. Da ist die kleine, zerbrochene Engelsfigur, die 2019 bei einem der Opfer der Bombenanschläge auf Kirchen und Hotels in Sri Lanka gefunden wurde. Damals - an einem Ostersonntag - starben rund 250 Menschen.

Ausstellung von Sant'Egidio getragen

Zu sehen sind auch ein Messgewand des heiligen Bischofs und Befreiungstheologen Oscar Romero, der 1980 in San Salvador erschossen wurde, die Stola des sizilianischen Priesters Giuseppe Puglisi, der
1993 der Mafia zum Opfer fiel sowie eine Reliquie des Münsteraner Bischofs Clemens August Graf von Galen, der im Zweiten Weltkrieg öffentlich die Nazi-Politik der "Vernichtung lebensunwerten Lebens"
kritisierte, wenn er dafür auch nicht als Märtyrer von den Nazis hingerichtet wurde.

Getragen wird das "Heiligtum der neuen Märtyrer des 20. und 21. Jahrhunderts" von der Gemeinschaft Sant'Egidio. Wie viele Ausstellungsstücke in der Krypta unterhalb der Basilika San Bartolomeo genau zu sehen sind, kann die Presseverantwortliche Rita Simeoni nicht genau beziffern. Seit 1999 werden in der Kirche die Reliquien von christlichen Märtyrern der heutigen Zeit zusammengetragen - also von Menschen, die wegen ihres Glaubens gestorben sind.

Gedenkstätte soll die Erinnerung erhalten und dokumentieren

Die Gedenkstätte geht auf eine Initiative von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) zurück. In Vorbereitung auf das Heilige Jahr 2000 - einer kirchlichen Großveranstaltung in Rom - setzte er eine Kommission ein, die sich mit dem christlichen Martyrium im 20. Jahrhundert beschäftigen sollte. "Die Generation, der ich angehöre, kennt den Horror von Krieg, Konzentrationslagern, Verfolgung", so der Papst damals. Doch auch hier habe es Menschen gegeben, deren Glaube und Taten von Jesus inspiriert gewesen seien. "Die Erinnerung an sie soll nicht verloren sein, sondern erhalten und dokumentiert werden."

Die Kommission sammelte Briefe, Dokumente und Andachtsgegenstände von Märtyrern aus der ganzen Welt. Nach dem Heiligen Jahr übernahm Sant'Egidio die Aufgabe. Nach und nach habe sich die Nachricht über den römischen Erinnerungsort verbreitet, erzählt Simeoni. In den vergangenen 20 Jahren hätten sich immer wieder Pfarreien, Familienangehörige und Wegbereiter von Menschen gemeldet, die wegen ihres Glaubens gestorben sind.

Zeitzeugen spenden persönliche Gegenstände der Märtyrer

Vor einigen Jahren stellte zum Beispiel die Schwester von Jacques Hamel ein Stundenbuch des französischen Priesters zur Verfügung. 2016 war er während eines Gottesdienstes von islamistischen Attentätern ermordet worden. Zur Übergabe organisierte Sant'Egidio einen Gottesdienst, zu dem die hochbetagte Frau anreiste.

Über einen ähnlichen Weg erreichte die Gemeinschaft eine Bibel des pakistanischen Politikers Shahbaz Bhatti. Der erste christliche Minister für Minderheiten in Pakistan wurde 2011 wegen seines Engagements für interreligiöse Verständigung getötet. Bhattis Bruder, der einige Zeit als Mediziner in Italien arbeitete, kam in Kontakt mit Sant'Egidio und übergab das Buch der Sammlung.

Weitere Fundstücke sind in der Auswertung

Heute ist die Bibel in der Basilika San Bartolomeo zu sehen, wo die Gemeinschaft anfangs die Gegenstände ausstellte. Weil aber immer mehr Stücke zusammenkamen, öffneten vor Kurzem zusätzlich die Räume unterhalb der Kirche. Immer noch kann nicht die ganze Sammlung gezeigt werden, erklärt Simeoni. Einiges liegt noch im Lager, zudem kommen laufend neue Exponate hinzu. "Die Arbeit geht weiter", sagt sie.

Zudem nimmt der Vatikan seine Recherchetätigkeit wieder auf. Mit Blick auf das anstehende Heilige Jahr 2025 hat Papst Franziskus wieder eine "Kommission der Neuen Märtyrer" eingerichtet, wie am Mittwoch bekannt wurde. Vize-Präsident des Expertengremiums, das zur Heiligsprechungsbehörde gehört, ist der Historiker Andrea Riccardi, Gründer von Sant'Egidio. Die Ausstellung auf der Tiber-Insel könnte also bald um ein paar interessante Exponate reicher werden. (kna)