Königin der Instrumente

Die Orgel in der gläsernen Kirche

Im Jahr der Orgel gilt es, die schönsten Orgeln im Erzbistum München und Freising und ihre Organisten kennenzulernen. Diesmal geht es nach Herz Jesu in München.

Silbern schimmern die Pfeifen der Woehl-Orgel in der Münchner Herz-Jesu-Kirche. © Kiderle

München – Es war ein Schock, als 1994 die Herz-Jesu-Kirche im Münchner Stadtteil Neuhausen brannte. Nicht nur das Gotteshaus wurde zerstört, sondern auch die bedeutende Walcker-Orgel aus dem Jahr 1953, deren Disposition (also die Anlage aller Register und Pfeifen) vom französischen Komponisten Marcel Dupré (1886 – 1971) beeinflusst war.

Schon bei der Ausschreibung der neuen Kirche war klar, dass die Königin der Instrumente in Herz Jesu weiterhin eine Sonderrolle einnehmen solle. Dazu wurde die Orgelempore als Resonanzraum konzipiert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: So bezeichnet Professor Karl Maureen, Organist der modernen Kirche, die Orgel als „eine der besten der vergangenen Jahre.“ Er muss es wissen, schließlich ist er seit Jahrzehnten der Orgelsachverständige des Erzbistums München und Freising – und das mit mittlerweile 83 Jahren!

Tasten aus sibirischen Mammutknochen

Mit dem Bau der Orgel wurde die Firma Woehl aus dem hessischen Marburg zur Jahrtausendwende beauftragt. Bevor es so weit war, reiste der Orgelsachverständige „durch halb Deutschland“, um zu schauen, „ob der Woehl überhaupt was kann“. Schnell war Maureen überzeugt und erarbeitete gemeinsam mit dem Orgelbauer ein detailliertes Konzept für „sein“ Instrument.

Die Orgel wurde hochwertig angelegt: Tasten- und Registerzug-Beläge des dreimanualigen Instruments sind aus sibirischen Mammutknochen. 9x999 Klangfarben (Registrierungen) können gespeichert beziehungsweise miteinander kombiniert werden. Maureen registriert aber meist noch von Hand und orientiert sich dabei an der jeweils verlangten Literatur. Alte Schule eben!

Die Orgelpfeifen sind aus Holz beziehungsweise Metall. Die Pfeifen für die Streicher etwa wurden aus Zink angefertigt, weil es schöner klingt, erklärt der Experte. Um die musikalische Epoche der Romantik abzubilden, brauche es schließlich einen weichen Stil.

Orgel für Stücke von Bach

Die Segnung fand 2003 statt. Manche musikalischen Laien glauben, man müsse auf einer Orgel alles spielen können, aber „das geht gar nicht“, weiß Maureen. Die Orgel ist in Disposition und Intonation zentral auf die Kompositionen von Johann Sebastian Bach (1685 – 1750) und Olivier Messiaen (1908 – 1992) ausgerichtet, ebenso auch auf die deutsch-romantische Epoche. Dazu erkundigte sich Maureen extra, welche Orgeln Bach bevorzugte, um deren Klang nachbilden zu können.

Die Schwellwerksregister sind von der Disposition und Intonation der Pariser Kirche Saint Trinité inspiriert. Dort hat Messiaen, einer der bedeutendsten Orgelkomponisten der Neuzeit, oft gespielt. Maureen ist ihm mehrmals begegnet und konnte viel von ihm lernen. Die Verbindung zwischen den Tasten und den Ventilen der Pfeifen, genannt Traktur, verläuft mechanisch. Um einige Register musste Maureen lange kämpfen, Überzeugungsarbeit leisten oder gar Sponsoren finden: Die Bombarde, ein Zungenregister, wurde zum Beispiel erst 15 Jahre nach der Segnung hinzugefügt.

Organist im besten Konzertsaal Münchens

Doch auch die schönste Orgel macht Probleme: Aufgrund der vielen Glasscheiben „knallt“ die Sonne besonders stark in die Kirche. Darunter leidet auch die Orgel. Zudem wären 45 Prozent Luftfeuchtigkeit im Gotteshaus für das Instrument ideal, doch das Raumklima schwanke leider massiv. Trotzdem biete Herz Jesu „eine tragfähige Akustik für Gesang und Orchester“, und nicht nur Maureen hält den Bau der Architekten Allmann, Sattler, Wappner für den besten Konzertsaal Münchens.

Dass Professor Karl Maureen Organist wurde, war eher Zufall. Als 14-jähriger Schüler am Traunsteiner Gymnasium machte der dortige Organist Abitur, und Maureen musste nachrücken. „Sonst hätte ich wohl Theologie studiert und wäre Pfarrer geworden“, schmunzelt er rückblickend. Er war Schüler des bedeutenden Organisten Karl Richter: „Damals hatte die Orgel noch eine Bedeutung“, wird der Musiker wehmütig.

Als Orgelsachverständiger in ganz Europa unterwegs

Weitere Studienaufenthalte erfolgten in Belgien (Mechelen), Holland (Haarlem), in Paris und Bologna. Karl Maureen ist bis heute europaweit als Juror bei Wettbewerben für Organisten tätig, brachte über 1.000 Orgeln auf dem ganzen Kontinent zum Klingen, vor allem in Frankreich. Zu seinen wichtigsten Auftritten gehört die Aufführung vom „Buch mit sieben Siegeln“ bei den Wiener Festwochen, bei denen der berühmte Tenor Peter Schreier sang.

Herr Professor ist umtriebig wie eh und je: Als Orgelsachverständiger betreut er derzeit 13 Fälle, macht sich ein eigenes Bild vom Zustand des jeweiligen Instrumentes und verfasst Gutachten. Mehrere Konzerte sind dieses Jahr noch geplant, das letzte gibt er am zweiten Weihnachtsfeiertag – natürlich – in seiner Herz-Jesu-Kirche. (Maximilian Lemli, Volontär beim Michaelsbund)

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