Musiktherapie im Isar-Amper-Klinikum Haar

Wo es keine Worte braucht

Seit 27 Jahren arbeitet Ute Rentmeister in dem Krankenhaus für Psychiatrie und Psychosomatik als Musiktherapeutin. Sie will die Patienten begleiten und ihnen Freude am Musizieren vermitteln.

Seit 27 Jahren arbeitet Ute Rentmeister als Musiktherapeutin. © MK

Haar - "Griaß eich Gott, alle miteinander", klingt es zur Gitarre an einem kalten Novembertag im gemütlichen Musiktherapieraum im Isar-Amper-Klinikum in Haar bei München. Ute Rentmeister begrüßt jeden ihrer heute sechs Patienten im fortgeschrittenen Alter einzeln musikalisch und fragt nach dem Befinden. Einige sind eher wortkarg, auch jener etwas verloren wirkende Herr, der heute zum ersten Mal dabei ist und nicht so recht weiß, was ihn erwartet. Eine Dame erzählt begeistert von dem Rentierpullover, den sie sich gekauft hat. Man hört einander zu.

Ungewöhnliche Instrumente

Die Therapeutin holt ein paar Instrumente hervor. Es sind keine alltäglichen, die die Patienten sofort benennen könnten. Jeder darf sie reihum berühren, ausprobieren und beschreiben, wie der Klang des Regenmachers oder des Monochords (ein Instrument aus Holz, auf dem Saiten gespannt sind) auf ihn wirkt. Danach darf sich jeder ein Instrument aussuchen, denn jetzt wird gemeinsam musiziert – obwohl die wenigsten hier ein Instrument spielen können. Rentmeister spielt am Klavier eine Melodie, die Patienten begleiten mit rhythmischen Instrumenten. Der Neue im Bunde traut sich noch nicht so recht, will erstmal nur zuhören. Doch bei der kurzen Wiederholung steigt auch er mit ein und freut sich, dass er mithalten kann. Zum Abschluss der einstündigen Sitzung hören alle gemeinsam Edvard Griegs „Morgenstimmung“. Viele schließen die Augen, versinken ganz in den Klängen des Orchesters.

„Musik ist eine Möglichkeit, jenseits der Sprache Emotionen auszudrücken und zu empfinden, um sich mitzuteilen und Kommunikation zu ermöglichen“, weiß die Musiktherapeutin aus Erfahrung. Schon als Kind, beim Zusammensein mit der Familie, spürte sie „die Kraft der Musik“. Musik gab ihr schon damals Kraft, beruhigte sie, schaffte Verbundenheit oder war einfach nur ein schöner Zeitvertreib.

Psychotherapeutisch geschult

Rentmeister wollte mehr über die Heilkraft der Musik erfahren und begann, an der Wiener Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Musiktherapie zu studieren. Dazu braucht es nicht nur Sicherheit beim Instrumentalspiel, sondern auch psychologisches Geschick, denn alle Musiktherapeuten sind zugleich auch psychotherapeutisch geschult.

Seit 27 Jahren arbeitet sie im Isar-Amper-Klinikum in Haar bei München, einem Krankenhaus für Psychiatrie und Psychosomatik, zurzeit am Zentrum für Altersmedizin und Entwicklungsstörungen. Auf die offene Station kommen Menschen mit Depressionen und/oder Abhängigkeitserkrankungen. Früher war Rentmeister auf vier Stationen tätig, doch pandemiebedingt sind alle Musiktherapeuten momentan dazu angehalten, sich auf wenige Stationen zu beschränken.

Erfolgserlebnis erwünscht

Der Therapieraum ist gut ausgerüstet: Hier gibt es verschiedenste Rhythmusinstrumente, zum Beispiel eine Steel Drum, eine Melodietrommel, die aus gehämmerten Stahlfässern gebaut wird, und natürlich Klavier und Gitarre. Die exotischen Instrumente sind relativ leicht spielbar. Es sind keine Vorkenntnisse nötig. Das ist besonders wichtig, betont die Therapeutin, denn die Patienten sollen ein Erfolgserlebnis haben. Die Instrumente sind pentatonisch, also auf fünf Töne konzentriert. Sie klingen in jeder Tonlage harmonisch, alle bewegen sich in derselben Tonart.

Die Musiktherapie ist ein offenes Angebot: Jedes Mal geht Rentmeister auf die Station und lädt die Patienten ein, teilzunehmen. Es geht darum, gemeinsam Musik zu teilen. Dabei fließen beim Musikhören natürlich auch die Vorlieben der jeweiligen Gruppenmitglieder ein: Die Bandbreite reicht von Klassik zur Operette, von Joe Cocker bis Udo Jürgens. Die Patienten kommen aus verschiedenen Ländern, dementsprechend bunt kann die musikalische Vielfalt sein.

Aus dem Grübeln rauskommen

Auch die Wissenschaft weiß um die Wirkung der Musiktherapie: Zwar ist sie noch Kassenleistung, wird aber immer häufiger in unterschiedlichsten Kliniken angewandt. Im Isar-Amper-Klinikum gibt es dreizehn Musiktherapeuten. Als Rentmeister 1994 ihren Dienst antrat, waren es nur sechs. Die Musiktherapeuten werden in die interdisziplinären Besprechungen einbezogen. Hier werden auch die Therapieziele für jeden einzelnen Patienten formuliert.

Die Musiktherapiestunden sorgen bei ihnen für eine positive Erfahrung: Viele können hier endlich mal aus dem Grübeln herauskommen, sich von ihren Sorgen befreien. Um dieses Wohlgefühl geht es: Rentmeister will die Menschen begleiten, Kontakte ermöglichen und ihnen das Gefühl geben, dass sie (wieder) etwas können – und sie will ihnen ganz einfach Freude am Musikmachen und -hören vermitteln.

Wie gut das gelingt, zeigen die Reaktionen der Senioren. Veronika S. (Name geändert) ist jedes Mal ganz begeistert: „Mir gefällt der Aufbau sehr gut. Ich mag die Musiktherapeutin sehr gerne, sie macht es immer abwechslungsreich. Das ist eine meiner schönsten Therapien.“ (Maximilian Lemli)