Oberammergau – Wenn sich am 14. Mai der Vorhang im Passionstheater hebt, dürfte Spielleiter Christian Stückl tief durchatmen. Erst kam die Pandemie und damit die Verschiebung der 42. Oberammergauer Passionsspiele um zwei Jahre, dann ein Krieg in Europa. Ende Februar streckte den Regisseur noch ein leichter Herzinfarkt nieder. Allen Katastrophen zum Trotz kann die Premiere nun stattfinden - vor vollem Haus. Etwas, was sich bei der Wiederaufnahme der Proben im Januar Bayerns Gesundheitsminister nicht vorzustellen vermochte. Aber es hätte auch keiner geglaubt, dass der Intensiv-Raucher Stückl plötzlich keine Zigaretten mehr anfasst.
"Mir geht es gut, ich habe mich wieder erholt, ich habe das Rauchen aufgehört" - für dieses Bekenntnis von Stückl gab es bei der Hauptpressekonferenz am Mittwoch in Oberammergau großen Applaus. Mit vollem Einsatz erzählte er dann, wie er und sein Team nach zwei Jahren Zwangspause im Januar wieder mit den Vorbereitungen begonnen hätten. Bis heute gilt für alle Mitwirkenden das Motto "Testen, testen, testen". Immer wieder hat es coronabedingte Ausfälle gegeben. Aber der Optimismus ist groß, dass das Kunststück gelingen wird.
Darsteller sind bereit
Alle Hauptrollen sind doppelt besetzt. Sollte es wirklich passieren, dass beide Darsteller erkrankten, dann müsse man eben auch mal eine der 103 Vorstellungen, die bis 2. Oktober angesetzt sind, ausfallen lassen: "Maria, den Engel, Johannes oder gar Jesus werde ich nicht spielen", sagte der 60-jährige Theatermann, der als Intendant des Münchner Volkstheaters dort im Notfall schon einsprang.
Für die mehr als 2.100 Laiendarsteller, Musiker und Sänger wird es aber jetzt ernst, dass sie die Geschichte vom Leiden und Sterben Jesu einem Publikum von heute erzählen. Haare und Bärte sind wie bei Maximilian Stöger (Kaiphas) kräftig gewachsen. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern brennt er, "endlich die ganze Freude auf die Bühne zu bringen".
Die Geschichte der Passionsspiele
Zurück geht all dies auf 1633, als im Dreißigjährigen Krieg, die Pest auch in Oberammergau ihre Opfer gefunden hatte. Da gelobten die Überlebenden, regelmäßig die Passion aufzuführen. An Pfingsten 1634 war es erstmals soweit, dass dies auf einer Bühne geschah, über den Gräbern der Pesttoten. 1680 wechselten die Dörfler auf das Zehnerjahr.
An das Versprechen hielt man sich auch in Krisenzeiten. Ausfallen musste das Spiel lediglich 1770, als Kirche und Staat es im Geist der Aufklärung verboten, und im Kriegsjahr 1940. Eine Verschiebung aufgrund der Pandemie um zwei Jahre auf 2022 gab es auch 100 Jahre zuvor. Damals hatte der Erste Weltkrieg und die Spanische Grippe viele Mitwirkende dahingerafft.