Lebensgeschichte Jesu auf der Bühne

In Oberammergau starten am Samstag die Passionsspiele

Auch die Oberammergauer blieben von Corona nicht verschont. Zwei Jahre mussten sie warten auf ihre 42. Passionsspiele. Am Samstag ist endlich Premiere. Mit einem Jesus, der den Menschen auch heute viel zu sagen hat.

Am 14. Mai ist die Premiere der 42. Oberammergauer Passionsspiele. © Kiderle

Oberammergau – Der Wetterbericht für die Premiere der 42. Oberammergauer Passionsspiele am Samstag beruhigt schon mal. Bis zu 19 Grad Celsius sind für den oberbayerischen Gebirgsort angekündigt. Wolkig und vereinzelt Regenschauer heißt es zwar, aber im Vergleich zu 2010 sind das Spitzenaussichten. Damals hüllten sich die Zuschauer im Theater mit der Freilichtbühne immer tiefer in ihre warmen Mäntel und Jacken, während auf der Bühne die "Schwüle" in Jerusalem beklagt wurde.

Jesu Botschaft so aktuell wie nie

Mit einer coronabedingten Verspätung von zwei Jahren können die Oberammergauer endlich ihr aus dem Pest-Jahr 1633 stammendes Gelübde erfüllen und erneut vom Leiden und Sterben Jesu erzählen. Zum vierten Mal führt Christian Stückl Regie. Wieder wird Jesus in Jerusalem einziehen, die Händler aus dem Tempel verjagen, das Letzte Abendmahl mit seinen Jüngern feiern, verurteilt, gekreuzigt und begraben werden; aber am Ende ist das Grab leer. Vor allem die Lebensgeschichte Jesu wolle er erzählen, hat Stückl angekündigt. Ihm gehe es um die Frage, welche Botschaft dieser heute noch vermitteln kann.

"Ich habe das Gefühl, die Sätze Jesu sind so relevant wie nie", sagt Frederik Mayet, einer von zwei Jesus-Darstellern. Schon 2010 spielte er Christus, nun hat er die Hauptrolle ein zweites Mal bekommen: "Kommt zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, die ihr geschwächt seid von der Last des Unglücks und des Kummers. Es herrscht eine Zeit der Angst in Israel, Kriegsgeschrei erfüllt das Land, Armut und Krankheit raffen Euch dahin", zitiert er seine ersten Sätze, die er auf der Bühne zu sagen hat. Da seien die Themen schon gesetzt, die im Spiel vorkommen und die die Menschen auch heute noch beschäftigen, findet der 42-jährige Familienvater.

Seit 2.000 Jahren habe sich die Menschheit nicht viel weiterentwickelt - leider, fügt Mayet hinzu und erinnert an die immer weiter aufgehende Schere zwischen Arm und Reich. Selbst für Stückl ist dieser Jesus zunehmend ein Verzweifelter, egal, ob er nun mit lauter oder leiser Stimme die Menschen lehre, denn ändern tue sich ja doch nichts. Über die Jahre hat er versucht, den überlieferten Text von Antijudaismen zu befreien und die Geschichte als innerjüdischen Konflikt zu erzählen. Dafür hat er Lob und etliche Auszeichnungen bekommen; Vertreter jüdischer Verbände, die einst massiv das Spiel kritisierten, kommen mittlerweile nach Oberammergau.

Ganz Oberammergau beteiligt

Mehr als 2.100 Frauen, Männer und Kinder werden in 103 Vorstellungen bis 2. Oktober zu erleben sein. Dazu kommen um die 100 Mitwirkende in Chor und Orchester. Markus Zwink hat die Musik von Rochus Dedler (1779 bis 1822) weiterentwickelt und neue Stücke komponiert. Für Bühnenbild und Kostüme zeichnet Stefan Hageneier verantwortlich. Sämtliche Ereignisse bette er in eine große Tempelanlage ein, kündigte er an, wobei die Farben eher düster sein würden.

Katholiken, Protestanten, Angehöriger anderer Religionen oder aus der Kirche Ausgetretene - wer in Oberammergau geboren ist oder seit 20 Jahren dort lebt, darf, wenn er will, mitspielen. Erstmals wird ein Muslim in einer Hauptrolle zu sehen sein - als Judas. Cengiz Görür ist mit Begeisterung dabei. Er sieht in seinem Charakter mehr als einen klischeebehafteten Verräter, erzählt der 22-Jährige. Herausgefordert fühle er sich von den ständigen Gefühlswechseln: "Manchmal ist er sauer, von Wut und Trauer erfüllt, dann folgt wieder Bewunderung, und schließlich Enttäuschung und Verzweiflung." Judas habe Jesus helfen wollen, die Schmach zu beenden, die die Römer über das Volk gebracht hätten. Aber er habe ihn nicht verstanden.

Es ist ein Gemeinschaftsprojekt, das die Oberammergauer alle zehn Jahre auf die Beine stellen. Missionieren wollen sie niemanden, aber "man kann sich mit uns auf den Weg machen", sagt Stückl. An die 400.000 Besucher werden erwartet. Noch gibt es Karten, auch wenn über 75 Prozent schon verkauft sind. (kna)