Total Sozial

Der Akku ist leer bei Jugendlichen nach dem Lockdown

Felix Dietz von der Psychologischen Beratungsstelle der Katholischen Jugendfürsorge rät zu Milde und Gelassenheit den Kindern gegenüber

Felix Dietz ist zu Gast bei „Total Sozial“ © SMB/br

Die Schulen waren in den letzten Wochen endlich wieder offen und das Leben ist etwas normaler geworden für die meisten Familien. Allerdings zeigen sich jetzt auch die Folgen der Lockdowns bei Kindern und Jugendlichen. Felix Dietz ist Sozialarbeiter in der Psychologischen Beratungsstelle der Katholischen Jugendfürsorge im Lehel. Dort häufen sich derzeit die Anfragen.

Anders als während des Lockdowns. Da war es vergleichsweise ruhig. Scheinbar hatten die meisten Familien in der Zeit in den „Überlebensmodus“ geschaltet, berichtet er in der Sendung „Total Sozial“ im Münchner Kirchenradio.

Dabei hatte die Beratungsstelle extra ein Hilfetelefon eingerichtet und Online-Beratung angeboten. Doch wenn die ganze Familie daheim ist und Homeoffice und Homeschooling, womöglich zu viert in einem Raum, organisieren muss, greift man nicht zum Telefon, um Probleme zu analysieren. Da hat sich dann offenbar Einiges aufgestaut.

Jetzt gibt es deutlich mehr Fälle von Jugendlichen, die wirklich schwere Probleme haben, als vor der Pandemie: „Es gibt Jugendliche, die von Suizidalität sprechen, die müde sind, zu leben, die depressiv sind. Die so tief in dieser Lethargie stecken, dass sie da alleine nicht mehr rauskommen“, berichtet Dietz.

Diese Jugendlichen brauchen dringend Therapieplätze. Die waren schon immer rar, aber jetzt hat sich die Lage sehr zugespitzt. Die Beratungsstelle kann helfen, die Zeit bis zu einem Therapiebeginn zu überbrücken und steht den Familien auch während der Behandlung zur Seite.

So schlimm ist es zum Glück nicht immer. Doch mehr als ein Jahr lang konnten die Jugendlichen nicht so leben, wie es ihrem Alter entspricht: „Es ist die große Entwicklungsaufgabe in dieser Zeit: Ich muss herausfinden, wer ich bin und wo ich hinwill. Und ich muss mich von meinem Elternhaus distanzieren.“ Ein schwieriges Unterfangen, wenn die Eltern die einzigen Personen sind, zu denen man noch Kontakt hat. Und die sind in dem Alter einfach nicht die richtigen Gesprächspartner für eine ganze Reihe von Problemen.

Ein großes Thema in der Sendung ist auch die Bilanz des Homeschoolings. Die Kinder und Jugendlichen haben nämlich nicht die ganze Zeit nur im Bett gelegen und gechillt. Auch bei ihnen ist jetzt der Akku leer. Trotzdem mussten sie zum Schuljahresende reihenweise Leistungsnachweise, Exen, Referate, Hausarbeiten und Kurzarbeiten hinter sich bringen.

Wenn jetzt noch Stoff aufgeholt werden muss, rät Felix Dietz zu Milde sich und den Kindern gegenüber. „Wenn´s nicht klappt, dann klappt´s nicht. Es hilft niemandem, wenn man gerade noch die 4 in Mathe schafft, aber den ganzen Sommer liegt Streit in der Luft. Denn dann kann niemand in der Familie die so dringend benötigte neue Energie tanken.“

 

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Die Autorin
Brigitte Strauß-Richters
Radio-Redaktion
b.strauss-richters@michaelsbund.de