Zeugnis des Glaubens

Das Kreuzzeichen: Segen und Tauferinnerung

„Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Im Taufbefehl Jesu taucht diese Formulierung zum ersten Mal auf. Heute verbinden wir sie vor allem mit dem Kreuzzeichen.

Das Kreuzzeichen galt früher früher als Schutzzeichen. © KNA

Vermutlich gehört nichts so sehr zum Leben eines Katholiken wie das Kreuzzeichen. Am Anfang und Ende jedes Gottesdienstes bekreuzigen wir uns, viele tun es am Anfang und am Ende jedes Tages, jedes Gebet beginnt so und auch, wenn wir im Urlaub eine Kirche nur besichtigen, tauchen wir zunächst den Finger ins Weihwasserbecken und bekreuzigen uns.

Das, was uns so selbstverständlich von der Hand geht, ist ganz so selbstverständlich nicht. Weder Petrus noch Paulus haben sich bekreuzigt, an keiner einzigen Stelle des Neuen Testaments ist diese Geste bezeugt. Nur die Worte, die wir heute dabei sprechen, die stammen aus dem Munde Jesu, jedenfalls bei Matthäus: „Geht, und tauft alle Völker auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“

Die Worte sind also ursprünglich die Taufformel; das Taufzeichen ist das Übergießen mit Wasser, nicht das Kreuz. Das Kreuz, davon geben die neutestamentlichen Briefe Zeugnis, war zunächst das Schandmal; erst nach und nach wurde es als Siegeszeichen umgedeutet.

Unterscheidungsmerkmal der Konfessionen

Dieses „Nach und nach“ dauerte etliche Jahrzehnte. Erste Belege stammen aus der Taufliturgie, wie Hippolyt (gestorben 235 nach Christus) sie in der „Traditio Apostolica“ aufgeschrieben hat. Dort wurde dem Täufling (wie heute noch) zu Beginn der Liturgie das Kreuz auf die Stirn gezeichnet. Und schon sein Zeitgenosse Tertullian berichtet von Selbstbekreuzigungen als einer christlichen Tradition – damals allerdings bewusst als Tauferinnerung in Form eines kleinen Kreuzes auf die eigene Stirn.

Benutzt wurde für das Kreuzzeichen zunächst nur ein Finger, der Daumen oder der Zeigefinger, möglicherweise als symbolisches Zeichen für den Glauben an den einen Gott. Im achten Jahrhundert kam der Brauch auf, sich mit zwei Fingern, Zeige- und Mittelfinger, zu bekreuzigen; symbolisieren sollte das die göttliche und die menschliche Natur Jesu. Parallel dazu entwickelte sich die Form des Kreuzzeichens mit drei Fingern, Daumen, Zeige- und Mittelfinger, als Symbol für die Dreifaltigkeit. Seit dem 13. Jahrhundert ist dies die vorherrschende Form des Kreuzzeichens in der Ostkirche. Die Westkiche hingegen ging nach und nach dazu über, zum Bekreuzigen die ausgestreckten Finger der ganzen rechten Hand zu nehmen; im 17. Jahrhundert kam es deshalb sogar zu einer Abspaltung der sogenannten Altgläubigen, die diesen Modernismus für falsch hielten und an der Zweifingermethode festhalten wollten.

Das Kreuzzeichen als Schutzzeichen

Im Frühmittelalter hat sich außerdem neben dem kleinen Kreuzzeichen auf die Stirn das große Kreuzzeichen entwickelt, das heute im Alltag der Katholiken als Normalform gilt. Symbolische Deutungen liegen auch hier nicht fern: Wir berühren die Stirn als Ort des Verstandes, die Brust als Ort des Herzens und die Schultern als Ort des Tuns. So soll das gesamte Leben und Wirken unter dem Segen Gottes stehen und umgekehrt sollen wir in allem im Geiste Gottes leben und wirken.

In früheren Jahrhunderten galt das Sichbekreuzigen ausdrücklich als Schutzzeichen. Johannes Chrysostomus zum Beispiel warnte in einer Predigt vor dem Tragen von Amuletten: „Du bist eine Gläubige? Dann mache das Kreuzzeichen und sage: Dies habe ich als einzigen Schutz; dieses ist mein Heilmittel, ein anderes kenne ich nicht!“ Im Mittelalter wurde die Vorstellung magisch: Wenn man das Kreuz vor sich hertrage oder sich damit bezeichne, schütze das vor Geistern, Dämonen, Hexen und der Pest, glaubte man. Und bis heute gibt es Weltgegenden, in denen man das vielfache Sichbekreuzigen kennt, wenn etwas Schlimmes passiert ist oder bevorstehen könnte.

Martin Luther hat sich bekreuzigt

Das Kreuz über sich selbst zu schlagen, gilt heute als typischer Unterschied zwischen Katholiken und Protestanten. Dabei war Martin Luther noch ganz dafür. In seinem berühmten Kleinen Katechismus heißt es: „Des Morgens, so du aus dem Bette fährest, sollst du dich segnen mit dem Zeichen des Heiligen Kreuzes und sollst sagen: ‚Das walte Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.‘ Des Abends, wenn du zu Bette gehst, sollst du dich segnen mit dem Zeichen des Heiligen Kreuzes und sollst sagen: ‚Das walte Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.‘“ Erst im Zuge der Abgrenzung der lutherischen von der katholischen Kirche ging das Sichbekreuzigen verloren. Wenn heute am Ende eines (ökumenischen) Gottesdienstes evangelische Pastorinnen und Pastoren das Segenskreuz über die Gemeinde schlagen, erkennt man in diesem Moment, wer in der Gemeinde katholisch ist: Wir können gar nicht anders, als das Kreuzzeichen mitzumachen.

Routine oder Bekenntnis?

Der heilige Patrick, Schutzpatron Irlands, schrieb einmal, er habe beim Hüten des Viehs an einem einzigen Tag bis zu hundert Gebete verrichtet und jedes mit einer Bekreuzigung begonnen und beschlossen. Auf solche Zahlen kommt wohl niemand von uns, aber dennoch ist die Frage erlaubt: Was ist das Kreuzzeichen für Sie? Ist es eine Routine wie das Schuhebinden, die seit Kindertagen einfach dazugehört? Ist es ein Bekenntnis, wie bei Fußballspielern, die sich beim Betreten des Platzes, oder wie bei Restaurantgästen, die sich vor dem Essen bekreuzigen? Ist es ein Stellen unter den Schutz Gottes? Oder ist es gar eine Selbstverpflichtung, den Tag im Geiste Jesu zu leben?

Schaut man in die Geschichte, scheinen vor allem zwei Aspekte wichtig gewesen zu sein. Zum einen: das Kreuzzeichen als Segen für sich selbst und für diejenigen, denen wir das Kreuz auf die Stirn zeichnen – unsere Kinder oder Enkel, unsere Kranken oder Sterbenden. Gott bleibt bei uns, will es sagen, was immer heute geschieht.

Der zweite Aspekt ist die Tauferinnerung, denn bei der Taufe wurden wir mit dem Kreuz bezeichnet. Das war ein Geschenk, eine Gabe, aber auch eine Aufgabe: Wer Christ ist, soll als Christ leben. Sich zu bekreuzigen heißt, sich darum zu bemühen. (Susanne Haverkamp, Redakteurin bei der Verlagsgruppe Bistumspresse)

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